Kampfjets über dem Gazastreifen: Waffenruhe hielt nicht lange
Auch während des Besuches von Ägyptens Ministerpräsident Kandil im Gazastreifen fielen Bomben. Israel mobilisiert 16.000 Reservisten.
JERUSALEM/GAZA dapd/rtr/afp | Hoffnungen auf eine vorübergehende Waffenruhe zwischen Israel und Palästinensern im Gazastreifen haben sich am Freitag in kürzester Zeit zerschlagen. Israel warf der radikalislamischen Hamas vor, eine Feuerpause während eines Besuchs des ägyptischen Regierungschefs Hischam Kandil im Gazastreifen nicht einzuhalten, und bombardierte erneut Ziele in dem Gebiet. Gleichzeitig begann Israel mit der Mobilisierung von 16.000 Reservisten.
Am Freitagmorgen erklärte sich Israel zunächst zu einer kurzen Waffenruhe während des Kandil-Besuchs im Gazastreifen bereit. Bedingung sei, dass auch die Hamas ihre Angriffe auf Israel einstelle. Nur wenig später warf ein Regierungssprecher der Hamas vor, die Feuerpause nicht einzuhalten. Bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens wurden daraufhin nach palästinensischen Angaben zwei Palästinenser getötet.
Die israelische Armee begann derweil mit der Mobilisierung von 16.000 Reservisten. Die ersten Soldaten hätten ihren Einberufungsbescheid bereits erhalten, sagte eine Armeesprecherin am Morgen. Die Rekrutierung der Reservisten sei Teil des Einsatzes „Pfeiler der Verteidigung“, mit dem Israel seit Mittwoch gegen den Gazastreifen vorgeht. Israel schließt dabei auch den Einsatz von Bodentruppen nicht aus. Am Donnerstag hatte Israels Regierung den Weg für die Einberufung von bis zu 30.000 Reservisten freigemacht.
Der ägyptische Ministerpräsident Kandil betonte bei seinem Solidaritätsbesuch in Gaza, Ägypten werde seine Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern verstärken. Nach einem Besuch bei Opfern der israelischen Luftangriffe in einem Krankenhaus in Gaza sagte er, angesichts dieser „Tragödie“ habe die Weltgemeinschaft die Verantwortung, die „Aggression“ zu beenden.
In Gaza schlugen am frühen Morgen innerhalb von 45 Minuten 85 Raketen ein. Ein Geschoss traf das Innenministerium der regierenden Hamas. Die Angriffe hätten unterirdischen Raketenstellungen gegolten, teilten die israelischen Streitkräfte mit. Palästinenser hatten nach Militärangaben seit Mittwoch über 420 Raketen auf den Süden Israels abgefeuert.
Offenbar Vorbereitungen auf Bodenoffensive
Angesichts des anhaltenden Raketenbeschusses bereiten sich die israelischen Streitkräfte offenbar auf eine Bodenoffensive vor. Am späten Donnerstagabend transportierten mindestens zwölf Tieflader Panzer und gepanzerte Truppentransporter ins Grenzgebiet. Zahlreiche Soldaten wurden mit Bussen in die Region gebracht.
Israelische Fernsehsender berichteten, die Invasion sei für den Freitag geplant. Die Streitkräfte dementierten die Berichte und erklärten, bislang sei noch keine Entscheidung über einen Einmarsch in den Gazastreifen gefallen.
Ministerpräsident Netanjahu drohte mit einer „signifikanten Ausweitung“ des Militäreinsatzes. Israel werde alles Nötige tun, um sich zu verteidigen, sagte der Regierungschef. Verteidigungsminister Ehud Barak genehmigte am Donnerstag die Einberufung von Reservisten. Bis zu 30.000 zusätzliche Soldaten könnten somit mobilisiert werden, teilten die Streitkräfte mit. “Wir werden die Angriffe fortsetzen und ausweiten“, sagte Generalstabschef Benny Gantz an. „Ich glaube, wir können unsere Ziele erreichen.“
Raketen aus iranischer Produktion
Die radikalislamische Hamas kündigte an, Raketen vom Typ Fadschr 5 aus iranischer Produktion auf Israel abzufeuern. Die Geschosse verfügen über eine Reichweite von 75 Kilometern und könnten somit die Metropole Tel Aviv treffen.
Die israelischen Sicherheitskräfte gehen davon aus, dass die Hamas seit der bislang letzten Bodenoffensive im Gazastreifen vor vier Jahren massiv aufgerüstet hat und über etwa 12.000 Raketen verfügt. "Innerhalb von vier Jahren sind wir stärker geworden, wir verfügen über eine Strategie und haben uns mit allen militanten Kräften im Gazastreifen zusammen getan", sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum.
Unterdessen setzte die israelische Luftwaffe ihre Angriffe auf den Gazastreifen fort. In der Nacht seien Stellungen in Al Schudschaija östlich von Gaza-Stadt, Rafah und Chan Junis getroffen worden, berichtete die israelische Zeitung Haaretz auf ihrer Internetseite. Bislang kamen bei den Kämpfen mindestens 19 Palästinenser und drei Israelis ums Leben.
Die arabische Welt und der Westen reagierten zutiefst besorgt auf die Gewalt. Washington erklärte, es gebe „keinerlei Rechtfertigung für die Gewalt“ der Hamas. Der britische Premierminister David Cameron drückte seinem israelischen Kollegen Benjamin Netanjahu seine „tiefe Beunruhigung“ aus.
Eskalation der Gewalt
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor einer Eskalation der Gewalt im Nahost-Konflikt. „Das ist eine sehr gefährliche Situation, eine außerordentlich gefährliche Zuspitzung vor dem Hintergrund einer ohnehin schon sehr angespannten Lage in der Region“, sagte Westerwelle am Freitag im Deutschlandfunk. Ursache der jüngsten Gewaltverschärfung seien die von der Hamas zu verantwortenden Raketenagriffe auf Israel. „srael hat das Recht sich zu verteidigen und hat auch das Recht seine Bürger zu schützen“, betonte der Minister.
Indes verurteilten arabische Staaten vornehmlich das Verhalten Israels. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) sprach von einem “Angriff gegen die Gesamtheit der islamischen Nation“ und rief den UN-Sicherheitsrat an. Ägyptens Präsident Mohammed Mursi sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, Israel müsse verstehen, „dass wir diese Aggression, die nur zu Instabilität in der Region führen kann, nicht akzeptieren“.
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