Kampf gegen Antisemitismus: Pass nur mit Israel-Bekenntnis?
Sachsen-Anhalt will bei Einbürgerungen ein Bekenntnis zu Israel einfordern. Jurist:innen befürchten rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte.
Das Bundesland ist damit Vorreiter. Doch schießt es womöglich übers Ziel hinaus?
Antworten auf diese Frage gibt ein der taz vorliegendes bisher unveröffentlichtes Arbeitspapier von 14 prominenten Jurist:innen mit dem etwas sperrigen Titel „Die Implementation der IHRA-Arbeitsdefinition ins deutsche Recht – eine rechtliche Beurteilung“. Verfasst worden ist das Papier mit Blick auf die Nationale Strategie der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben. Unterzeichner sind unter anderem der Hamburger Rechtsprofessor Ralf Michaels, seine Münsteraner Kollegin Nora Markard, Maximilian Steinbeis vom Verfassungsblog sowie der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag.
Die Arbeitsdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) ins deutsche Recht zu übernehmen nennen die Autor:innen aus mehreren Gründen problematisch. Von „weitreichenden verfassungsrechtlichen Verwerfungen“ ist die Rede, von „ganz unvorhersehbaren“ Folgen für die Behördenpraxis sowie erwartbaren Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Einbürgerung auf Bewährung?
Auch Vorhaben wie jetzt das in Sachsen-Anhalt gelten im Kreis der Unterzeichner:innen als heikel: Das dort künftig bei der Einbürgerung geforderte Bekenntnis zu Israel steht demnach „in der Regel im Widerspruch zur negativen Meinungsfreiheit – der Freiheit, eine spezifische Meinung nicht zu äußern“. Ein Autor des Papiers, der namentlich nicht zitiert werden will, sagt, die Unschärfe mache es möglich, die Einbürgerung immer unter Vorbehalt zu belassen, „immer auf Bewährung und unter Überwachung, man muss sich immer extra anstrengen, um keinen Verdacht und keinen Anstoß zu erregen“. Die in Sachsen-Anhalt geplante Praxis sei damit „zutiefst illiberal“.
Nach dem 7. Oktober gibt es weitreichendere Forderungen, Kritik an Israel als antisemitisch einzustufen. „Israel ist das Bollwerk der westlichen Welt gegen den Fanatismus“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, am vorvergangenen Sonntag bei der Kundgebung „Nie wieder ist jetzt“ in Berlin: Wer Israel daran erinnere, dass es sich an die universellen Gebote der Menschlichkeit zu halten habe, suggeriere, dies sei nötig, und leiste damit „den Verächtern Israels, den Judenhassern in aller Welt Vorschub“.
Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang November drohte, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei Antisemitismus den deutschen Pass abzunehmen, bekam er Beifall von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: Söders Vorschlag sei „gut, hier nimmt ein Politiker seine Verantwortung wahr“, sagte sie dem Tagesspiegel.
Der Kasseler Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano, der das Arbeitspapier der 14 Jurist:innen ebenfalls unterzeichnet hat, sagt der taz mit Blick auf die Pläne in Sachsen-Anhalt, aber auch beispielsweise die Forderung Söders: „Die Warnung aus unserer Stellungnahme gilt auch für all diese Regelungsvorschläge. Sie beinhalten massive und in der Regel offensichtlich rechtswidrige Eingriffe in die Grundrechte.“
Das geforderte Bekenntnis zu Israel sei zu unspezifisch, sagt er weiter: „Was ist berechtigte Staatskritik und was eine sich gegen das Existenzrecht Israels richtende Bestrebung? Wie soll man die Authentizität eines inneren Bekenntnisses kontrollieren?“ Fischer-Lescano äußert einen Verdacht: Die Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland verkomme „in bestimmten Kreisen zu einer Chiffre für antiislamischen Rassismus“.
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