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Tod im Kot

Eine Berliner Tierschutzorganisation prangert Missstände in einer Hühnermast im emsländischen Haselünne an. Sie zielt damit auf den Discounter Lidl. Der Konzern solle sich der Hühnermast-Initiative anschließen, fordern die Tierschützer

Hühnerquälen lohnt sich: Lidl will erst „langfristig“ etwas an der Situation in Hühnerställen seiner Zulieferer ändern Foto: Matthias Balk/dpa

Von Harff-Peter Schönherr

Es sind harte Bilder: Hühner, die so auf Gewichtszunahme überzüchtet sind, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen. Verweste Kadaver, die im Kot am Boden kleben. Tiere, eng an eng, denen großflächig die Federn fehlen. Riesige, karge Ställe.

Die Videoaufnahmen sind im Sommer 2022 entstanden, sagt die Berliner Tierschutzorganisation „Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt“, in einer konventionellen Hühnermast im niedersächsischen Haselünne. Tierschützer haben sie gedreht, in Undercover-Einsätzen.

Die Stiftung hat das Material öffentlich gemacht, im Namen ihrer spanischen Partnerorganisation Equalia, der es zugespielt wurde und die bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück Strafanzeige gestellt hat, wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen Paragraf 17 Tierschutzgesetz. Das sieht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor, wenn ein Wirbeltier „ohne vernünftigen Grund“ getötet wird, ihm „erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zugefügt werden.

Osnabrück war ein Fehler, Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Landwirtschaftsstrafsachen ist für ganz Niedersachsen Oldenburg. Aber das ändert die Sache nicht, es verzögert sie nur. „Wenn die Anzeige in Osnabrück eingereicht worden ist“, sagt Staatsanwalt Thorsten Stein, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg, der taz, „wird sie an uns weitergeleitet“. Bislang sei das noch nicht geschehen. Inzwischen hat Equalia die Anzeige auch in Oldenburg nochmals eingereicht.

Auch für den Landkreis Emsland, dessen Veterinäramt für Haselünne zuständig ist, ist der Vorgang noch neu. Am 25. Oktober habe man Kenntnis von einer Strafanzeige „zu einer im Landkreis Emsland liegenden Masthuhnanlage“ erhalten, sagt Landkreis-Sprecherin Anja Rohde der taz. „Die Vorwürfe gegenüber diesem Betrieb werden derzeit geprüft.“

Die Albert Schweitzer Stiftung zielt nicht nur gegen den Mastbetrieb selbst. Sie betont, das Bildmaterial stamme aus dem Stall „eines großen Lidl-Lieferanten“, sieht Haselünne damit als Ausdruck eines deutschland- und europaweiten Problems. Mit ihrer Kampagne „Fleischskandal bei Lidl“ hat sie binnen weniger Tage fast 65.000 Menschen aktiviert, den Appell zu unterschreiben, Lidl möge sich der Europäischen Masthuhn-Initiative anschließen.

Die hat die Stiftung mit Dutzenden anderer Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen ins Leben gerufen. Sie sieht ein Maximum von 20 Tieren pro Quadratmeter vor. Bei der „Initiative Tierwohl“, nach deren Kriterien die Haselünner Mast produziert haben soll, für Haltungsform 2, sind es bis zu 23. Auch Tageslicht schreibt die Initiative vor, Sitzstangen, mehr Beschäftigungsmaterial.

Es sind Forderungen, die „nur das Minimum ein bisschen anheben“, sagt Mahi Klosterhalfen, Präsident der Stiftung, ein Kompromiss, „schweren Herzens“, damit überhaupt etwas passiert. Man verzichte „sogar auf Dinge, die eigentlich mitgefordert werden müssten“, auf Auslauf zum Beispiel. Umso bedauerlicher sei es, dass sich Lidl dem in den Weg stelle. Viele andere Supermarktketten unterstützen die Masthuhn-Initiative bereits, von Aldi bis Norma.

Das Bindeglied des Haselünner Betriebs zu Lidl ist die Meppener Rothkötter-Gruppe, die auch Hühner schlachtet. Tierschützer haben ein Verpackungsetikett abgefilmt, das beweist, dass Rothkötter Lidl-Zulieferer ist, zudem an einem Hofgebäude einen Postkasten mit „Rothkötter“-Schriftzug.

Rothkötter, von der taz um Kommentierung gebeten, weicht zwar mancher Detailfrage aus, teilt aber mit: „Wir kennen die Aufnahmen bisher nur aus der Öffentlichkeit, d. h. aus dem Internet. Tierschutzverletzungen sind für uns in keiner Form akzeptabel.“ Man nehme die Vorwürfe „sehr ernst“, sie befänden sich „aktuell in interner und externer Prüfung“.

Auch Lidl weicht taz-Detailfragen aus. Man spreche sich „in aller Deutlichkeit gegen Tierquälerei aus“, teilt Unternehmenssprecherin Gloria Funke mit. „Wir nehmen jegliche Vorwürfe sehr ernst. Um diesen nachzugehen, stehen wir mit dem Lieferanten in Kontakt.“ Man habe „umgehend um eine Stellungnahme gebeten und eine unabhängige Prüfung durch externe Sachverständige veranlasst“.

Erhebliches Leiden: ein großflächig gerupftes Huhn liegt im Stall in Haselünne Foto: Albert Schweitzer Stiftung

Lidl setze sich „seit Jahren für die Weiterentwicklung von Tierwohlstandards ein“. Das Frischgeflügelsortiment sei „mindestens auf Haltungsform 2 umgestellt“. „Langfristig“ werde man es vollständig auf die besseren Haltungsstufen 3 und 4 umstellen. Man verfolge die Diskussion um die Europäische Masthuhn-Initiative „intensiv“. Leider seien die Gespräche mit ihr 2021 von Seiten der Initiative beendet worden.

Mahi Klosterhalfen lässt das nicht gelten. Sich gegen Tierquälerei auszusprechen reiche nicht. „Handeln ist gefragt.“ Das Wort „langfristig“ sei „sehr vage“, zudem müsse es nicht nur um Frischgeflügel gehen, auch um Tiefkühl- und verarbeitete Produkte.

Den Abbruch der Gespräche mit Lidl bestätigt die Stiftung. Der Discounter-Konzern habe „von Meeting zu Meeting weniger angeboten“. Lidl habe „jetzt mehrere Jahre lang gezögert, sich Schritten verweigert“, sagt Klosterhalfen. Jetzt sei es Zeit, nachzuziehen.

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