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Kämpfe zwischen Afghanistan und PakistanGefechte nach Luftschlag in Kabul

Der Angriff auf Afghanistans Hauptstadt löst verlustreiche Gefechte aus. Pakistan wirft den Taliban vor, Terrorismus im Land zu unterstützen.

Afghanische Soldaten nahe der Grenze zu Pakistan in der Provinz Khost am 12. Oktober Foto: Saifullah Zahir/ap

Berlin taz | Ein Luftangriff in der Nacht zu Freitag in Afghanistans Hauptstadt Kabul hat schwere Gefechte entlang der Grenze mit Pakistan ausgelöst. Nach Taliban-Angaben wurden 58 pakistanische Soldaten getötet und etwa 30 weitere verwundet. Acht eigene Kämpfer seien umgekommen. Pakistan erklärte hingegen, 23 Mitglieder seiner Streitkräfte seien gefallen und „200 Taliban und mit ihnen verbündete Terroristen unschädlich gemacht worden“.

Pakistans Innenminister Mohsin Naqvi erklärte, Taliban-Kämpfer hätten auf Zivilisten geschossen. Man selbst habe 19 Grenzposten eingenommen, von denen aus angegriffen wurde. Pakistan schloss alle Grenzübergänge zu Afghanistan. Nach Intervention Saudi-Arabiens und Katars, die eine Eskalation befürchten, stoppten die Kämpfe in der Nacht auf Sonntag vorerst.

Die Taliban sprachen von „Vergeltungsangriffen“. In der Nacht zu Freitag hatten sich im Zentrum Kabuls eine oder mehrere Explosionen ereignet. Pakistanische Medien berichteten von einem Drohnen-„Präzisionsangriff“ auf die Führung der pakistanischen Taliban-Bewegung TTP, darunter deren Chef Nur Wali Mehsud. Die TTP bestätigte den Tod zweier Anführer, aber nicht Mehsuds. Wenige Stunden vorher griffen nach Taliban-Angaben pakistanische Kampfjets Wohnhäuser und einen Basar in der afghanischen Südost-Provinz Paktika an. Bereits im Dezember 2024 attackierte Pakistan dort angebliche TTP-Stellungen.

Das Taliban-Regime warf Pakistan vor, der Angriff in Kabul sei „beispiellos in der Geschichte der bilateralen Beziehungen“. Die sind seit der Staatsgründung Pakistans 1947 wegen der von Afghanistan nicht anerkannten gegenwärtigen Grenzführung angespannt und führten immer wieder zu Gefechten. Daran änderte auch Pakistans Unterstützung der Taliban und deren Vorgänger, der Mudschaheddin, während der sowjetischen und der US-geführten Interventionen seit den 1980er Jahren nichts. Beide Bewegungen erkannten die Grenze nicht an, als sie an die Macht kamen.

Afghanistan

Nach zwei Jahrzehnten Militäreinsatz der US-geführten Nato-Truppen gewann die islamistische Terrorgruppe der Taliban im August 2021 die Kontrolle im Land zurück. Die afghanische Bevölkerung leistet trotz Repressionen Widerstand.

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Anstiege von Angriffen in Pakistan

Zu den Luftschlägen äußerte sich Pakistans Führung bisher nicht direkt. In einer Pressekonferenz des Militärs am Freitag erklärte ein Sprecher lediglich, man werde weiter „alles Notwendige“ tun, um die eigene Sicherheit zu garantieren. Verteidigungsminister Khwaja Muhammad Asif sagte jüngst im Parlament, die Geduld mit „Terroristen und ihren Unterstützern“ sei erschöpft.

Die TTP verstärkte im laufenden Jahr ihre Angriffe in Pakistan. Die Zahl von 600 Zwischenfällen aus dem Vorjahr sei laut unabhängigen Beobachtern bereits jetzt erreicht. Erst am Samstag griff ein TTP-Selbstmordattentäter ein Polizeitrainingszentrum in Nordwest-Pakistan an und tötete mindestens sieben Menschen. Pakistans Regierung verlangte von Afghanistans Taliban mehrfach vergeblich die Auslieferung der TTP-Führer. Die behaupten, nur Flüchtlinge zu beherbergen und keine militanten Aktionen zu unterstützen.

Die Eskalation fand während eines Besuchs von Taliban-Außenminister Amir Chan Mutaki in Indien statt. Auch Pakistans regionaler Hauptrivale nähert sich einer Anerkennung des Taliban-Regimes. Pakistan befürchtet eine Bedrohung von zwei Seiten.

Geduld mit Terroristen und ihren Unterstützern sei erschöpft

Pakistans Verteidigungsminister Khwaja Muhammad Asif

Die Spannungen könnten auch die Situation der rund 2.000 Af­gha­n*in­nen verschärfen, die in Pakistan auf Überprüfung ihrer Aufnahmezusagen durch Deutschland warten. Pakistan hatte ihnen laut Bundesregierung eine Aufenthaltsfrist bis Jahresende gewährt. Am Donnerstag postete Minister Asif in den sozialen Medien, man könne die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Kosten der Aufnahme afghanischer Flüchtlinge nicht länger tragen.

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