Kabinettsumbildung nach dem Brexit: Johnson wirft Aufmüpfige raus
Finanzminister Javid wird geschasst, Nachfolger wird der aalglatte Brexit-Loyalist Sunak. Auch Nordirlandminister Smith muss gehen.
Am überraschendsten kam der Rücktritt von Finanzministers Sajid Javid. Javid sollte erst im März seinen neuen Haushalt vorstellen, in dem es unter anderem zu einer zusätzlichen Besteuerung für Großbritanniens Wohlhabenste kommen sollte – ungewöhnlich für eine konservative Regierung.
Doch Javid hatte sich bereits im letzten Sommer mit Dominic Cummings, dem Sonderberater von Premierminister Boris Johnson, in der Finanzpolitik gestritten – Cummings wollte mehr öffentliches Geld ausgeben als Javid. Zur Vergiftung der Beziehung soll es im Oktober gekommen sein, als Cummings ohne Vorabsprache mit Javid zwei von dessen engsten BeraterInnen mit sofortiger Wirkung entließ.
Nachfolger Rishi Sunak ist hingegen ein aalglatter regierungstreuer Brexit-Loyalist. Die Umbesetzung wird als Zeichen der direkten Kontrolle über das wichtige Finanzministerium durch Boris Johnson gesehen. Unter Tony Blair und Theresa May gab es Reibungen zwischen Premierminister*in und den Finanzministern Gordon Brown und George Osborne. Dieses Problem hat Johnson nun nicht mehr.
Auch der Rauswurf des Nordirland-Ministers Julian Smith überrascht. Denn er hatte erst im Januar den Stormont, das Regionalparlament von Nordirland, nach drei Jahren Stillstand wiederbelebt. War es ein angeblicher Einwand im letzten Jahr, dass ein ungeregelter Brexit „sehr, sehr schlecht für Nordirland wäre“, der ihm zum Verhängnis wurde?
Treue Brexitfront übernimmt
Auch der erzkonservative Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox und Handelsministerin Andrea Leadsome mussten ihre Posten aufgeben. Eine wichtige Neubesetzung ist der neue Handelsminister Alok Sharma, denn er soll gleichzeitig die nächste Klimakonferenz in Manchester leiten. Die ehemalige Leiterin Claire O’Neil wurde vor zwei Wochen von Johnson unter starkem Protest entlassen.
Sharma ist genauso wie Anne-Marie Trevelyan, die einst im Vorstand der „Vote Leave“-Kampagne saß und die nun den Posten für internationale Entwicklung nehmen soll, von der treuen Brexitfront der Regierung.
Während die Umbesetzung künftige Kabinettsentscheidungen leichter machen dürfte, könnten die Verlierer des heutigen Tages eine neue interne Gegenfront innerhalb der konservativen Partei bilden. Doch mit einer Mehrheit von 86 Stimmen sind ein Dutzend Gegner*Innen kein ernsthaftes Hindernis.
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