Justin Trudeau will mehr Klimaschutz: Kanada setzt auf Klimasteuer
Nach einem Urteil kann Premierminister Justin Trudeau einen Mindestpreis auf CO2 einführen – gegen den Widerstand erdölproduzierender Regionen.
Vancouver taz | Mit einem wegweisenden Urteil zum Klimaschutz hat der Oberste Gerichtshof in Kanada die umstrittene Kohlendioxid-Besteuerung des Landes für rechtens erklärt und damit den Klimaplänen von Premierminister Justin Trudeau einen wichtigen Schub verschafft. Auch international hat das Urteil Signalwirkung, denn das nordamerikanische Land hinkt beim Klimaschutz notorisch hinterher.
Kanada ist einer der wichtigsten Produzenten von fossilen Energieträgern weltweit und gehört zu den Ländern mit den höchsten Pro-Kopf-Emissionen. Zugleich verfehlt das Land regelmäßig seine nationalen wie auch international vereinbarten Klimaschutzziele, was unter anderem an der energieintensiven Förderung der umstrittenen Ölsande im Norden und Westen des Landes liegt.
Mit einem Mindestpreis auf Kohlendioxid versucht Trudeau seit zwei Jahren gegenzusteuern, trifft aber auf erbitterten Widerstand der erdölproduzierenden Regionen in den Provinzen Alberta und Saskatchewan. In Kanada sind die Provinzen und nicht die Bundesregierung in Ottawa für die Energiepolitik und damit auch einen Großteil der Klimaschutzmaßnahmen zuständig.
Vor dem Obersten Gerichtshof hatten mehrere Provinzen zuletzt versucht, die Kohlendioxid-Bepreisung zu stoppen. In einer Mehrheitsentscheidung wiesen die Richter dieses Ansinnen am Donnerstag (Ortszeit) entschieden zurück. Beim Klimawandel handle es sich um eine „Bedrohung höchsten Grades für das Land und tatsächlich der ganzen Welt“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Ausnahmeklausel in der Verfassung
Die Richter verwiesen dabei auf eine Ausnahmeklausel in der Verfassung, die es der Zentralregierung in seltenen Fällen erlaubt, die Provinzen bei Fragen von nationaler Tragweite zu überstimmen. „Eine Untätigkeit der Provinzen gefährdet Kanada als Ganzes“, schrieben sie und fügten hinzu: Die Bepreisung von Kohlendioxid sei ein international bewährtes Mittel im Kampf gegen die Erderhitzung.
Damit darf Trudeau die Öl-Provinzen zur mehr Klimaschutz zwingen, falls diese sich weigern, eigene Pläne aufzustellen. Sein Klimaschutzplan verpflichtet die Provinzen, einen Preis auf Kohlendioxid festzulegen, entweder durch eine Klimasteuer oder durch den Handel mit Emissionszertifikaten. Der gesetzliche Mindestpreis beträgt derzeit 40 Dollar je Tonne und soll bis 2030 auf 170 Dollar steigen.
Das Regelwerk betrifft die Industrie wie auch Privathaushalte und verteuert fossile Energieträger wie Benzin, Diesel oder Erdgas. Beim Benzin beispielsweise müssen Verbraucher bis 2030 mit einem Zuschlag von 38 Cent pro Liter rechnen. Einen großen Teil der Mehrbelastungen will die Regierung über anderweitige Steuererleichterungen und ökologisch motivierte Steuerfreibeträge kompensieren.
Beitrag zu Paris
Mit der Kohlendioxid-Bepreisung will Kanada seinen Beitrag zum Klimaschutzabkommen von Paris leisten. Darin hatte sich die Regierung in Ottawa verpflichtet, die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent gegenüber 2005 zu reduzieren. Bis 2050 will Kanada wie auch die USA zum Null-Emitter werden, also alle bestehenden Emissionen durch Gegenmaßnahmen in der Klimapolitik kompensieren.
Allerdings hakt es bislang an der Umsetzung: Zwischen der Unterzeichnung des Paris-Vertrags 2015 und dem Beginn der Pandemie 2020 waren die Emissionen in Kanada sogar gestiegen. Das Klimaziel aus dem Vertrag von Kopenhagen von 2009 wird das Land verfehlen. Statt 17 Prozent Minderung zwischen 2005 und 2020 wie versprochen wird mit einem Anstieg von mindestens 15 Prozent gerechnet.
Regierung und Ölprovinzen reagierten erwartungsgemäß unterschiedlich auf das Urteil: Die Regierung Trudeau sprach von einem Meilenstein für mehr Klimaschutz, der Regierungschef von Alberta, Jason Kenney, wetterte gegen eine unzulässige Einmischung der aus Ottawa. Die konservative Opposition kündigte an, die Besteuerung im Falle eines Regierungswechsels rückgängig zu machen.
Leser*innenkommentare
Kappert Joachim
Das dreckige Kanada mit seinen Ölsanden ist die typische Dychotomie zwischen Wirtschaft und Politik. Auf der einen Seite die mächtige Öllobby, auf der anderen ein sympathischer Politikvertreter.
17900 (Profil gelöscht)
Gast
Kanada hat einen guten Ruf. Allerdings was in Fort Mc Murray beim Abbau und der Aufbereitung von Ölsanden seit Jahren geschieht, ist eine Umweltkatastrophe erster Klasse.
Hier mal ein Pamphlet von Greenpeace: www.greenpeace.de/...0115_oelsand_0.pdf
tomás zerolo
@FLY:
Was das bringen soll?
Denken Sie doch einfach nach.
Alternativen (weniger Energie verbrauchen: thermische Isolation kostet schliesslich Geld; regenerative Energien; ÖPNV etc.) werden konkurrenzfähiger.
Ob das ausreicht? Persönlich bin ich skeptisch, dass ausschliesslich "der Markt" die Sache regeln kann. Aber jedes Bisschen hilft.
Uranus
Als Ergänzung:
Zum "massiven Widerstand" der Provincen Alberta und Saskatchewan will ich noch erwähnen, dass es dort Protest indigener Menschen gegen die Ölindustrie gibt - was den Regierungen offenbar kaum interessiert?
Ein Preiserhöhung 2030 auf 170 Dollar - glaubt mensch denn überhaupt diesem Mechanismus - ist zu wenig und zu spät. Wissenschaftler*innen bzw. FFF sprechen von 180 € ...
Uranus
@Uranus ... von 180 € von Beginn an. Die CO2-Emissionen müssen ja nicht ein bisschen sinken, sondern müssen innerhalb des Budgets bleiben und damit massiv gesenkt werden, je schneller desto besser.
fly
Die Co2 Steuer.
Es ist ja nett, wenn Co2 intensive Bereiche teurer werden. 38ct pro liter. Die "Erlöse" gehen an die Staatskasse. Wie die damit umgehen, weiss man ja. Intendiert ist, die als Steuererstattung zurückzugeben.
Ergebnis: einkommensschwächere können sich deshalb doch den Mehrpreis leisten, einkommensstärkere sowieso.
Was war dann nochmal der Effekt für das Klima?
05838 (Profil gelöscht)
Gast
@fly Der Effekt auf das Klima durch Steuern ist gleich Null, es sei dann, man verteuert bestimmte Dinge so stark, dass es sich nur noch die obersten 10.000 leisten können. Eine neue Aristokratie wächst dann heran. Die aktuelle Ampel-Steuerung in den Städten und Gemeinden (Motto: die Autos sollen mehr stehen als fahren) erhöht den CO2- und Stickoxid Ausstoß um etwa 50%, weshalb wir heute ein Dieselfahrverbot diskutieren. Böse Zungen behaupten deshalb, die Grünen seien am Klimawandel schuld. Denn die Denkweise, die zur jetzigen Verkehrssteuerung in den Kommunen führte, ist politisch grün und damit umweltschädlich.
Sakrasmus off.