Juso-Chefin Uekermann über linke Politik: „Diese Bratwurst-Logik ist verrückt“
Johanna Uekermann will die Jusos zwei weitere Jahre führen. Von der SPD fordert sie weniger Wischiwaschi, mehr Mut und einen klaren Linkskurs.
taz: Frau Uekermann, auf dem Juso-Kongress im November wird der oder die Vorsitzende neu gewählt. Treten Sie noch einmal an?
Johanna Uekermann: Ja. Ich werde mich auf dem Juso-Bundeskongress wieder als Vorsitzende zur Wahl stellen. Ich habe Lust, noch mal zwei Jahre richtig bei den Jusos reinzuhauen.
Was wollen Sie als Juso-Chefin erreichen?
Wir haben ausführlich diskutiert, wie ein gutes Leben aus linker Sicht aussehen soll. Da gibt es viele spannende Antworten. Mit denen werden die Jusos die Bundespartei in die Zukunft treiben, leidenschaftlich und inhaltlich fundiert.
Die Shell-Jugendstudie zeigt ein interessantes Ergebnis. Junge Menschen werden politischer, finden aber Parteien nach wie vor unsexy.
Erst mal steckt in der Studie ja eine tolle Aussage. Ich habe nie an eine angeblich unpolitische Generation geglaubt. Es ist großartig, wie das Flüchtlingsthema im Moment junge Menschen politisiert. Sie wollen klar Stellung beziehen und hadern deshalb mit Parteien, die sich vor klaren Aussagen drücken.
Aber wie schafft es die SPD, Ihre Generation anzusprechen?
Indem sie Probleme anpackt und nicht nur Problemanalysen betreibt. Sie muss sich für das interessieren, was Junge interessiert. Wir wollen gute Bildungschancen, unser Leben flexibel gestalten und ein soziales Netz, das uns auffängt, wenn mal etwas schiefgeht. Ganz wichtig ist aber auch: Junge Menschen wollen mitbestimmen, Alibipartizipation reicht nicht.
Die 28-Jährige wurde im bayerischen Straubing geboren. Seit Dezember 2013 ist die SPD-Politikerin Bundesvorsitzende der Jusos.
Fordern Sie eine Jugendquote in der SPD?
35 Prozent der Menschen in Deutschland sind unter 35. Doch schauen Sie sich mal die SPD-Bundestagsfraktion an. Wo sind die Jungen? In der Fraktion gehen sogar Enddreißiger noch als junge Wilde durch. Die SPD muss junge Menschen stärker bei der Postenvergabe berücksichtigen. Sonst funkt sie an der Lebenswirklichkeit in Deutschland vorbei.
Die Partei funktioniert anders. Wer einen sicheren Listenplatz will, muss zwanzig Jahre im Ortsverein Bratwurst essen.
Leider. Diese Bratwurst-Logik ist verrückt. Jusos erzählen mir, dass sie bei der Postenvergabe mit dem Argument abgespeist werden: Du hast bei Sitzungen abends zu oft gefehlt. Die SPD-Bundesspitze muss das klare Signal senden, dass innerparteiliche Jugendförderung wichtig ist. Dann muss eben mal ein Altgedienter bei der Listenplatzvergabe zurückstecken, damit ein junges Talent zum Zuge kommt.
Leiden Sie als SPD-Linke manchmal an Ihrer Partei?
Das kann ich nicht abstreiten. Allein in der vergangenen Woche hat die SPD zwei Projekten zugestimmt, die ich für absolut problematisch halte – der Asylrechtsverschärfung und der Vorratsdatenspeicherung. Das schmerzt.
Warum traut sich die SPD nicht, sich als linke Volkspartei zu positionieren?
Mein Eindruck ist: Der SPD fehlen vor allem zwei Dinge, Haltung und Mut. Sie will es sich mit niemandem verscherzen. Aber Wischiwaschi hilft uns nicht. Wir müssen aus unseren Überzeugungen heraus klare Positionen ableiten und für diese kämpfen. Wenn wir für etwas brennen, überzeugen wir auch andere.
Sigmar Gabriel hält manche linke Ideen für nicht durchsetzbar, etwa Steuererhöhungen. Muss sich die SPD von Verteilungsgerechtigkeit verabschieden?
Auf keinen Fall. Soziale Gerechtigkeit ist der Markenkern der SPD. Der Reichtum in Deutschland ist immens ungleich verteilt. Der Investitionsbedarf bei Straßen, Wohnungen und Schulen ist enorm, der Staat könnte hier für alle Menschen mehr tun. Die Sozialdemokratie hat dazu schon immer gesagt: Reiche müssen mehr zahlen. Punkt.
Werden die Flüchtlinge Verteilungskämpfe verschärfen?
Die Koalition muss verhindern, dass es zu Verteilungskämpfen kommt. Der Staat wird mehr Geld für Wohnungsbau, Kitas, Schulen und für die Sozialsysteme ausgeben. Das ist absehbar. Dies geht nur, wenn man sich von der schwarzen Null verabschiedet oder Steuererhöhungen vereinbart. Sparprogramme auf Kosten der Schwachen muss die SPD verhindern.
Hat Gabriel recht, wenn er argumentiert, Wahlen würden in der Mitte gewonnen?
(lacht) Na ja. Das kommt darauf an, wie man die Mitte definiert. Wahlen gewinnt die SPD dann, wenn sie eine klare Haltung vertritt.
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