Jurist über Mietendeckel in Berlin: „Wir wollen ein sicheres Modell“
Mietexperte Benjamin Raabe spricht im Interview über die nächsten Schritte zum Mietendeckel und Einwände von Hauseigentümern.
taz: Herr Raabe, die SPD hat vergangene Woche ein Papier über einen möglichen Mietendeckel veröffentlicht. Können Bundesländer diesen tatsächlich beschließen?
Benjamin Raabe: Die Länder haben zwar im Rahmen des Mietrechts keine Kompetenz, sie können aber gegebenenfalls – wenn sich bewahrheiten sollte, was der Jurist Peter Weber schreibt und worauf sich die SPD bezieht – preisrechtlich eingreifen. Sie können in dem Fall Mietobergrenzen einführen.
Der Eigentümerverband Haus & Grund argumentiert, dass das nicht gehe, weil die Kompetenz beim Bund liege.
Die Länder können in der konkurrierenden Gesetzgebung, wozu Zivilrecht und auch das Mietrecht gehören, nichts mehr machen, wenn der Bund hier bereits tätig geworden ist. Aber am Mietrecht soll auch nichts geändert werden. Es soll preisrechtlich reguliert werden. Das könnte gehen.
Warum?
Das Wohnungswesen gehört seit der Föderalismusreform 2006 nicht mehr zur konkurrierenden Gesetzgebung und ist ausschließlich Sache der Länder geworden. Hier kann das Land öffentlich-rechtlich Schranken setzen, die dann auch auf den Mietvertrag wirken. Das gibt es in Berlin bereits beim Zweckentfremdungsrecht.
Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung überprüft den Mietendeckel. Worum geht es genau?
Die Grundfrage, ob die Länder die notwendige Kompetenz tatsächlich haben oder nicht. Und wenn sie diese haben, ob der betreffende Sachverhalt bereits vom Bund geregelt ist oder nicht. Es geht derzeit ausschließlich um die Frage, ob der rechtliche Raum für einen Mietendeckel da ist. Um konkrete Ausgestaltung geht es noch nicht.
Benjamin Raabe, 54, ist Jurist und spezialisiert auf Mietrecht. Er ist Mitglied des AK Mietrecht im Republikanischen Anwaltsverein und Mitglied des Netzwerks Mieten und Wohnen.
Wenn die Überprüfung positiv ausfällt, was wären die nächsten Schritte?
Dann müsste man sich ein Modell überlegen. Es geht dann um die Bemessungsgrundlage – also darum, ob sich der Deckel an den Vergleichsmieten, dem Mietspiegel, orientieren soll. Oder ob es einen Mietenstopp gibt, aktuelle Mieten also eingefroren werden. Auch das Einkommen der Mieter könnte dafür herangezogen werden.
Für welche Mieten soll das gelten?
Im Gespräch sind bereits bestehende Mietverträge und solche, die neu geschlossen werden. Die SPD hat Neubauten von ihrem Vorschlag ausgenommen, weil sie vermutlich Investitionen nicht beschneiden will.
Sie haben sich gerade mit den Grünen und Weber, der die Debatte ausgelöst hat, getroffen. Mit welchem Ergebnis?
Das war ein reines Brainstorming. Wir wollen ein möglichst sicheres Modell präsentieren, das nicht beim ersten Ruckeln zusammenfällt. Den Grünen ist es – so habe ich das miterlebt – sehr wichtig, hier gemeinsam mit den Koalitionspartnern zu agieren.
Die Gegner überprüfen derzeit wohl auch.
Ja, Haus und Grund wird das auch machen und eine Position entwickeln. Das Thema hat natürlich Sprengkraft. Wenn es einen Mietendeckel in Berlin geben sollte, kann es auch einen in Hamburg oder München geben.
Der Eigentümerverband Haus und Grund argumentiert, Vermieter könnten sich bei einem Mietendeckel die Instandhaltung nicht mehr leisten.
Das Problem kann man nicht vom Tisch wischen. Das gab es schon in den Zwanzigern und im Berlin der Nachkriegszeit. Man kann Regelungen dafür finden. Anderseits sind die Mieten mittlerweile so hoch, dass der Anteil, der für die Instandhaltung ausgegeben wird, sehr gering ist. Anders gesagt: Der Profit ist so groß, dass Wohnungsunternehmen auch bei einem Mietendeckel ohne Probleme für die Instandhaltung aufkommen könnten.
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