Urteil zum Mietspiegel in Berlin: Keine Sicherheit im Recht

Beim Mietspiegel ist man sich am Landgericht uneins. Verschiedene Kammern kommen zu unterschiedlichen Urteilen. Ein Wochenkommentar.

Eine verzierte Säule an einem Berliner Gericht zeigt eine Justitia

Augen zu und urteilen: blinde Justitia Foto: dpa

Obwohl die Akzeptanz der Profitorientierung von Immobilienkonzernen innerhalb der Bevölkerung abnimmt, versuchen diese, gesellschaftliche Vereinbarungen und Gesetze zur Begrenzung von Mieterhöhungen zu torpedieren.

Das zeigen zahlreiche gerichtliche Auseinandersetzungen über die Zulässigkeit von Mieterhöhungen, die Konzerne wie die Deutsche Wohnen routiniert führen. Ziel der Immobilienunternehmen ist immer wieder: der Mietspiegel. Der bietet zwar ohnehin nur geringen und eher theoretischen Schutz vor Mieterhöhungen – er bezieht nur Mietverträge ein, die in den letzten vier Jahren abgeschlossen wurden –, dient aber immerhin für Mieter*innen auch als Grundlage für Klagen vor Gericht, wenn sie etwa der Ansicht sind, dass sich eine Mieterhöhung außerhalb des gesetzlich Zulässigen bewegt.

Die Deutsche Wohnen musste eine empfindliche Niederlage einstecken, wie diese Woche bekannt wurde. Ein Berufungsverfahren lehnte eine Klage des Konzerns ab und korrigierte damit eine erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Spandau. Die Deutsche Wohnen hatte auf eine Mieterhöhung geklagt, obwohl die Nettokaltmiete eines Spandauers Mieters bereits oberhalb des Mietspiegels lag.

Ein komischerweise vom Amtsgericht Spandau in Auftrag gegebenes Gutachten hatte zwar die Auffassung der Deutschen Wohnen gestützt, dass der Mietspiegel nicht stichhaltig genug sei, um eine ortsübliche Vergleichsmiete zu ermitteln, das Landgericht verwarf das Gutachten jedoch: Weder sei begründet worden, warum ein Gutachten erforderlich sei, noch sei die Datenbasis des Gutachtens größer und damit stichhaltiger als der alle zwei Jahre ermittelte qualifizierte Mietspiegel des Senats.

Die Deutsche Wohnen musste eine Niederlage einstecken

Mitunter sind sich aber in der Mietenfrage selbst verschiedene Kammern des Berliner Landgerichts uneins: Während bislang das bessere Ende zumeist aufseiten der Mieter*innen lag und Rich­te­r*in­nen weitgehend wie jetzt das Landgericht entschieden, hatte kürzlich die 63. Kammer des Landgerichts das in einem Zehlendorfer Fall durchaus anders gesehen.

Auch dort kratzte ein richterlich in Auftrag gegebenes Gutachten an der Rechtssicherheit des Mietspiegels, sodass das Landgericht in diesem Fall zugunsten der Gehag GmbH entschied. Die unterschiedlichen Fälle zeigen, wie personen- respektive kammerabhängig Gerichtsbarkeit sein kann. Denn während mit dem jüngsten Urteil pro Mietspiegel Mieter*innen der Bezirke Mitte, Tiergarten und Spandau aufatmen dürften, weil ihre zuständige 67. Zivilkammer das Gutachten kassierte, bleibt ungewiss, wie andere Kammern im nächsten Streitfall entscheiden werden.

Aus Sicht des Mietervereins wäre mehr Rechtssicherheit wünschenswert. Geschäftsführer Reiner Wild sagt: „Wir brauchen eine rechtliche Klarstellung. Ob die jetzige Bundesregierung dazu beiträgt, weiß man derzeit noch nicht.“ Die Auseinandersetzungen zeigten aus Wilds Sicht wiederum, dass man eine Kappungsgrenze für Erhöhungen oder einen Mietendeckel brauche – zumal der Spiegel ja auch die Marktentwicklung abbilde.

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