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Junge NazisMan darf die Jugend nicht den Rechten überlassen

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Es ist verstörend, wie jung die Festgenommenen der Nazi-Gruppe „Letzte Verteidigungswelle“ sind. Eltern, Schulen und Vereine müssen aktiv werden, um den Hass zu stoppen.

Die Schäden nach einem Brandanschlag auf das Kulturhaus in Altdöbern sind immer noch zu erkennen, 21.5.2025

D as ging verdammt schnell. Acht Jugendliche aus Altdöbern, Wismar und Schmölln waren zunächst im Fußball- und Judoverein aktiv und teilten im Internet Hundevideos. Plötzlich aber war ihnen anderes wichtiger: Chatgruppen, in denen sie über „Kanaken“, die Antifa, CSDs herzogen, mit Waffen und Hakenkreuzen posierten, über einen „na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Umsturz“ fantasierten – und sich entschlossen, zur Tat zu schreiten.

Für einen Anschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft wurden bereits Kugelbomben besorgt. In Altdöbern wurde ein Kulturhaus angezündet, im Gebäudekomplex lebte eine Familie. Es war nur Zufall, dass es keine Toten gab. Nun nahm die Bundesanwaltschaft die Jugendlichen fest und wirft der Gruppe, die sich Letzte Verteidigungswelle nennt, Terror vor.

Die Anführer sind 15, 16 und 18 Jahre alt, sie sitzen in Haft. Es ist nicht nur verstörend, wie jung die Festgenommenen sind und wie rasant ihre Radikalisierung verlief. Sondern auch, dass sie niemand stoppte. Die Eltern nicht, auch nicht Freunde, nicht die Schule. Weil niemand etwas mitbekam? Oder weil sie niemand stoppen wollte?

Dieser Terror hat einen Nährboden. Zwei Jahre ist es her, dass Leh­re­r*in­nen in Südbrandenburg, unweit von Altdöbern, einen Brandbrief schrieben: Der Rechtsextremismus habe sich in ihren Klassenräumen breitgemacht, wer widerspreche, müsse um seine Sicherheit fürchten. Auch andernorts zeigten sich Schü­ler­ver­tre­ter*in­nen alarmiert. Bei der Bundestagswahl votierten Jungwählern zu 21 Prozent für die AfD. Für eine Partei, die Hass auf Migranten und Andersdenkende sät, eine Untergangsstimmung beschwört. Die nun ganze Landstriche erobert – wo weit rechte Einstellungen inzwischen Mainstream sind. Und gerade erst wurde die Jahresbilanz rechter Straftaten verkündet: Es waren mehr als 42.000, ein Rekordhoch.

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Es ist dieses Klima, in dem die Jugendlichen aufwachsen. Ein Klima, in dem es wieder angesagt ist, rechts und autoritär zu sein. Wo man es anderen wieder zeigen will, auch mit Gewalt. Es ist eine Enthemmung, die einem auf Social-­Media-Plattformen entgegenschwappt – und sich in dortigen Echokammern zigfach verstärkt. Bis der Eindruck entsteht: Dieser rechte Terror ist genau das, was nun getan werden muss. Schon vor Jahren fanden sich Teenager vereinzelt in militanten Gruppen wie der Atomwaffen Division wieder. Nun gibt es viele solcher Gruppen.

Es ist wichtig, dass die oberste Ermittlungsbehörde einschritt, bevor es zu Toten kam. Aber das reicht bei Weitem nicht. Dafür liegt das Problem zu tief. Es müssen Eltern, Schulen, Vereine aktiv werden, um den Hass zu stoppen. Es muss das Runterfahren von Jugendclubs und Sozialarbeit enden, gerade im Ländlichen. Es darf nicht so weit kommen, dass für die Jugendlichen einzig rechtsextreme Kameradschaften noch Anlaufstellen sind. Diese Kehrtwende wird ein Kraftakt. Aber wenn die Politik hier weiterspart, dann werden die nun festgenommenen Teenager­terroristen nur der Anfang sein.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Ressort Reportage und Recherche. Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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9 Kommentare

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  • Mal ehrlich: Jezt ist das Gejammer groß!



    Vereine und Organisationen aus der Jugendarbeit prangern seit Jahrzehnten die ständigen Mittelkürzungen, Gängeleien und bürokratische Hürden an.



    Sie wurden über viele Jahre hinweg kaputtgespart.



    Und jetzt wundert man sich, dass das entstandene Vakuum von Seiten gefüllt wird die man tunlichst raushalten muss.

  • Bei den Stimmenanteil der AfD und anderer rechtsextremer Parteien gerade im Osten, lege ich nicht wirklich viele Hoffnung in ein Mitwirken der Eltern zur Verhinderung des Rechtsrucks der Jugendlichen.

    • @Flix:

      Auch ansonsten. Wer lässt sich den mit 15 oder 16 noch viel Grundsätzliches von sei en Eltern sagen?

      Da zählt die Peergroup und der Same, den man vor Jahren mal gesetzt hat.

  • Die Verblendung wirkt perfekt. Eine Jugend, es ist beschämend, die man längst aufgegeben und damit verloren hat. Das alles ist kein Kinderspiel. Weit entfernt von Streichen, regiert rohe Gewalt. Ein Kick folgt dem anderen. Die Kids sind Gewalt-Junkies. Sie sehen keinen anderen Sinn mehr in ihrem Leben, ihre Eltern wahrscheinlich auch nicht.

  • Dass junge Menschen eine antidemokratische und antihumanistische Polik gut finden, ist eigentlich schon lange nicht mehr zeitgemäß. Vielleicht sollte man diese Leute mal fragen, was zu ihrer Radikalisierung beigetragen hat. Nicht nur diese Acht, sondern ganz allgemein Leute, die in rechtsextreme Bereiche abdriften. Eine Gegenstrategie zu entwickeln, ohne die Beweggründe dieser Leute zu verstehen, das hat bisher nicht so gut funktioniert.

    • @Kommen Tier:

      Volle Zustimmung!



      Nur wieder Jugendclubs zu eröffnen...(?), dann haben die eben dort ihren Treffpunkt.



      Druck auf rechte Netzwerke und Communities zu erhöhen ist sowieso mehr als überfällig. Warum passiert da so wenig. Ich wäre da ständig vor Ort, als Staat, und würde PCs und Handys beschlagnahmen.... letztlich rund um die Uhr.

  • Schule und Polizei sind eine Katastrophe. Auch bei uns hier finden sich Naziaufkleber auf den Schulhöfen und die Lehrer sind zu dumm oder scheint es nicht zu jucken. Unmengen an Wahlplakate wurden bei uns zerstört. Alles was Links der CDU ist. Die zerstörten Plakate wurden systematisch in Hecken und hinter Bäumen versteckt. Polizei meinte das sind nur paar Jugendliche die Streiche spielen. Hier bei der Fasnetsgesellschaft singen junge Teilnehmer "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus". Niemand widerspricht. Wir können uns nur auf uns selbst verlassen. Die meisten erkennen doch nur den Faschismus rückwirkend, wenn er wieder bezwungen wurde.

  • Es ist dieses Klima, in dem die Jugendlichen aufwachsen. Ein Klima, in dem es angesagt ist, sein Ding zu machen und zu performen. Wo man es anderen wieder zeigen will, ohne Rücksicht zu nehmen. Es ist eine Enthemmung, die einem in den Medien entgegenschwappt – und sich in dortigen Echokammern zigfach verstärkt. Bis der Eindruck entsteht: Dieser ungehemmte Egoismus ist genau das, was nun getan werden muss. Schon vor Jahren hat der Liberalismus den Wettbewerb zum allgemeinem Ordnungsprinzip erhoben und den naturgesetzlichen Sozialdarwinismus begründet. In einer Welt, in der Nationalstaaten die rechtliche, wirtschaftliche, kulturelle usw. Struktur vorgeben, ist nationalliberale Gewalt keine Ausnahme, sie gilt als Tugend. Junge Nationalsozialisten und andere Rechtsextreme sind Produkte dieser Normalität.

  • Danke für den Hinweis, wie die aktuelle Politik die Jugend und damit unsere Zukunft vernachlässigt.