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Julian Assange kommt freiDie Bedrohung bleibt

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Gut, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange endlich freikommt. Aber der pragmatische Deal unterstreicht die Kriminalisierung von Journalismus.

Assange auf dem Rückflug nach Australien Foto: Wikileaks/ X via reuters

J ulian Assange kommt frei. Wenn sich nicht irgendjemand jetzt noch querstellt, scheint seinem Deal mit den US-Ankläger*innen nichts mehr im Wege zu stehen. Rein humanitär betrachtet ist das eine hervorragende Nachricht, die lange überfällig war.

Allerdings: Die pragmatische Lösung, die Assange endlich die Freiheit beschert, hat einen mehr als bitteren Nachgeschmack. Denn der Anklagepunkt, dessen sich Assange nunmehr schuldig bekennen muss, ist genau jener, der die Arbeit von Jour­na­lis­t*in­nen im Umgang mit von Whist­leb­lo­wer*­in­nen durchgestochenen Dokumenten kriminalisiert: unerlaubte Beschaffung und Veröffentlichung von geheimen US-Militärinformationen.

Dass Assange seinerzeit tatsächlich Chelsea Manning aktiv geholfen hat, an die tausenden geheimer Daten zu kommen, die diverse US-Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan dokumentieren, haben die US-Ankläger nicht beweisen können. Dass Wikileaks die Dokumente veröffentlicht hat, ist unstrittig – und natürlich genau das, was Jour­na­lis­t*in­nen machen müssen, wenn sie an derartiges Material kommen.

Ja, es gab immer eine Debatte darum, ob Wikileaks in der Verantwortung gestanden hätte, Namen und Details zu schwärzen, um keine Menschen in Gefahr zu bringen. Aber niemand glaubt doch ernsthaft, dass die Wut Washingtons auf die peinlichen Veröffentlichungen – bei der damaligen Außenministerin Hillary Clinton lösten sie gar Tötungsfantasien gegen Assange aus – bei einer sensibleren Veröffentlichungspraxis milder ausgefallen wäre.

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Die pragmatische Lösung

Nach fast eineinhalb Jahrzehnten Verfolgung, inklusive 62 Monaten Hochsicherheitsgefängnis, kommt nun also eine pragmatische Lösung, die dem gesundheitlich stark angeschlagenen Assange in wenigen Tagen die Rückkehr nach Australien in Freiheit erlaubt. Das könnte sein Leben retten, und das ist gut so.

Assange und Manning wurden verfolgt, die Täter der Menschenrechtsverletzungen nicht. Und kein Obama, kein Biden und auch keine Baerbock versuchten, daran etwas zu ändern.

Die Bedrohung für die Pressefreiheit aber, auf die Journalist*innen-Organisationen zu Recht seit Beginn des Assange-Verfahrens hinweisen, bleibt bestehen. Und damit auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem der US-Regierung und des gesamten Westens bei ihrem Eintreten für eine „regelbasierte Weltordnung“. Assange und Manning wurden verfolgt, die Täter der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen nicht. Und kein Barack Obama, kein Joe Biden und auch keine Annalena Baerbock setzten sich ernsthaft dafür ein, daran etwas zu ändern.

Grund genug für Menschenrechts- und Medienorganisationen, in ihrer Kritik auch dann nicht nachzulassen, wenn Assange endlich vereint mit seiner Familie wieder atmen kann.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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33 Kommentare

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    Die Kommune

  • Der Fall zeigt das uns unsere eigenen Werte nichts wert sind.

  • Donald Trump; "Wikileaks! Ich liebe Wikileaks!"

    Es soll seinerzeit während der Wahlen laut Weser-Kurier "Absprachen zwischen Assange und der Trump-Familie zu den Veröffentlichungen gegeben haben."

    • @Rudolf Fissner:

      Was wollen Sie damit rechtfertigen?

  • Betr.: ASSANGE - Ende einer Odyssee



    ================================



    Das zwischen der U.S.-Regierung und den Anwälten von ASSANGE ausgehandelte Plea-bargaining-Abkommen besagt folgendes: ASSANGE bekennt sich schuldig für die Begehung von einem "felony" (Verbrechen) gegen den Espionage Act, wird zu 5 Jahren Bundeshaft verurteilt mit sofortiger Freilassng. Da ASSANGE der U.S.-Regierung nicht traut, wird eine Verhandlung angesetzt vor dem U.S. District Court auf den nördlichen Marianen-Inseln, einem U.S.-Territorium im Südpazifik, etwa 2.000 Meilen entfernt von Australien, der Heimat von ASSANGE.

    Wäre ASSANGE hingegen in die USA ausgeliefert und wegen allen Anklagepunkten verurteilt worden, hätten ihm 175 Jahre im finstersten Knastloch gedroht, Federal Penitentiary Fort Leavenworth, Arkansas.

  • Jedenfalls wissen durch Assange jene die glaubten dass Kriegsverbrechen nur andere machen, dass auch die Guten Kriegsverbrechen begehen.

    Beschämend finde ich dass von den westlichen Staaten sich niemand für Assange eingesetzt hat.

    Die Amerikaner werden bei ihrem nächsten Eisatz besonders darauf achten dass nur positive Nachrichten durchgehen, es wird nur mehr den sauberen Krieg geben, ohne Opfer unter Zivilisten.

    Journalisten werden durch das Beispiel Assange zusätzlich mundtot gemacht.

    • @AndreasHofer:

      Klar, niemand hat vor Assange jemals geglaubt, dass auch die Amerikaner Kriegsverbrechen begangen haben. My Lai wurde erst durch Wikileaks bekannt, nicht wahr?

      • @Suryo:

        Wie lange hatte es damals gedauert? Wieviele der damaligen Journalisten wurden nicht erhöht und ggf. ebenso "drangsaliert" im besten Falle?

      • @Suryo:

        Ihre Antwort überrascht mich. Glauben Sie wirklich dass My Lai unter den Jüngeren ein Begriff ist?

  • Assange ist kein Journalist. Assange leakte um des Leakens willen, ohne Rücksicht auf Menschenleben, Privatsphäre, Datenschutz. Nichts wurde gefiltert, sortiert, überprüft, eingeordnet.

    Er ist sowas ähnliches wie der "Free speech absolutist" Elon Musk.

  • Natürlich ist Mendax völlig unschuldig und wurde jahrzehntelang widerrechtlich verfolgt, weggesperrt und am Ende in Belmarsh gefoltert. Und warum? Weil er die Wahrheit gesagt hat!

    • @B. Iotox:

      Ein guter Vergleich!

  • Dass der Westen von den USA und teilweise auch von GB auf Wikileaks veröffentlichte Kriegsverbrechen und im Falle der USA sogar öffentlich "legitimierte" Folter (die immer und überall absolut verboten ist) durchgehen ließ, beschädigte das internationale Recht erheblich. Hätten EUStaaten gegen Täter aus den USA in ihrem rücksichtslosen und völlig maßlosen Krieg, was zivile Opfer anging, mit Klagen reagiert, (auch vor nationalen Gerichten möglich), wäre es nun auch einfacher das israelische Vorgehen im Gazastreifen mit der Androhung von Klagen auch von Seiten EU und USA auszubremsen. Wenn man nur der feindlichen Gruppe (völlig zu Recht der Hamas) Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft und Ermittlungen einleitet, aber die Freunde dürfen machen, was sie wollen, funktioniert das neutrale Recht nicht. Das wäre, als ob man in Deutschland nur Personen wegen Mordes anklagt, die als "unsympathisch" gelten und die "netten" beim selben Verbrechen straffrei ausgehen. Dann verkommt die Justiz zum Herrschaftsinstrument das Loyale belohnt und Illoyale in reiner Willkürherrschaft verfolgt.

  • Zunehmende Kriminalisierung nicht nur von Journalisten...

  • Endlich!

    Verlogenheit und Doppelmoral betrifft traurigerweise nicht nur den "gesamten Westen", sondern ist weltweit Standard.

    Mir wird regelmäßig schlecht, wenn jemand von der Verteidigung der "westlichen Werte" spricht.

    • @Bürger L.:

      Da haben Sie sowas von Recht, und leider ist da auch die taz nicht viel anders als die anderen...

    • @Bürger L.:

      Sie sind nicht allein mit Ihrer Übelkeit!

  • Bin mal gespannt, was Frau Baerbock dazu sagt, die ja vor der Wahl so hinter ihm stand und ihn nach der Wahl einfach links liegen lassen hat.



    Assange ist mit seinen Informationen fahrlässig umgegangen, da er die Namen nicht geschwärzt hat und diese Personen damit gefährdet hat. Das rechtfertigt aber trotzdem nicht die Art und Weise, wie man mit ihm umgegangen ist.



    Gut dass er frei ist.

    • @Rudi Hamm:

      Wie ist man denn mit ihm umgegangen. Schweden hat ein EU Haftbefehl beantragt. Das Gericht hat dem stattgegeben aber den Haftbefehl gleichzeitig ausser Kraft gesetzt, unter der Bedingung das Herr Assange zur Verhandlung in London erscheint. Er war also frei. Dann ist er für 5 jahre in die Botschaft von Ecuador und nicht zur Verhandlung erschienen. Als er aus der Botschaft kam wurde er in Auslieferungshaft gebracht und kein zweites mal verschont. ein ganz normaler Vorgang. Gegen die Verurteilungen zur Auslieferunge ist er juristisch vorgegangen. sein gutes Recht, aber das dauert nun mal. Und nochmal, weil er zum ersten Gerichtstermin nicht erschienen ist bestand Fluchtgefahr.

  • "...die Täter der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen nicht." Quelle und Beleg für diese Behauptung?

    • @PeterArt:

      Wie soll man etwas belegen was nicht stattgefunden hat. Für die Verantwortlichen bei Abu Ghraib, gab es Soldeinzug und das wars.

  • "Dass Wikileaks die Dokumente veröffentlicht hat, ist unstrittig – und natürlich genau das, was Jour­na­lis­t*in­nen machen müssen, wenn sie an derartiges Material kommen."



    Nein, eben nicht. Geleaktes "Material" stumpf zu veröffentlichen ist eben keine journalistische Arbeit. Es auszuwerten und für eine Reportage zu nutzen dagegen schon.

    • @PeterArt:

      Wieder Ursache->Wirkungsprinzip nicht verstanden? Das Material wurde zu Beginn ausgewählt und entsprechende Einzelreports in Zusammenarbeit mit vielen anderen Medienanstalten (die in der Zeit dann immer weiter sich aus Angst zurückzogen) veröffentlicht. Als es dann immer bedrohlicher wurde durch US-Sicherheitsorganen und US-Politikern gestartet, wurde dann das gesamte Material veröffentlicht.

  • Viele (auch die taz) haben sich weltweit für die Freiheit von Assange eingesetzt, danke dafür.

    Die Pressefreiheit westlicher Demokratien hat durch die Verurteilung von Assange einen argen Knacks bekommen.

    Mal sehen, ob die Presse diese Freiheit nun auch kraftvoll verteidigt und nicht zur Tagesordnung übergeht.

    Mit salbungsvollen Kommentaren zur Freilassung von Assange wie bei der tagesschau ist es jedenfalls nicht getan.



    Assange braucht Unterstützung, damit der Präsident der USA das Verfahren und Urteil gegen Assange einstellt. Und Assange braucht Spenden, weil er seinen Flug in die Freiheit mit einem Privatjet privat bezahlen musste. Dass hat eine enorme Verschuldung von Assange zur Folge.

    www.tagesschau.de/...kommentar-100.html

    • @Lindenberg:

      "Viele (auch die taz) haben sich weltweit für die Freiheit von Assange eingesetzt, danke dafür." das mag zu Beginn wirklich gewesen sein. Seit Jahren ist diese 4.Macht aber so klein geworden, dass selbst in diesen Zeilen oder bei anderen Medien zu diesem Thema, die Kritik gegen die USA, die Forderung nach Verantwortung für die Mörder und die Verantwortlichen dazu, die heutigen Verbrechen nicht einmal benannt werden.

      Auch die taz hat keinen Artikel gebracht was mit diesen kaltblütigen Mörder passiert ist, von den Verantwortlichen in Politik und Sicherheitsbehörden. Was aktuell passiert ist ein Feigenblatt über die eigene Erkenntnis wohl...als whistleblower und Investigativjournalist...kannst Du nur hoffen nie Material gegen den Westen zu erhalten...

  • Endlich!



    Was sagt dies über unsere Werteteilung aus, über Friedensnobelpreisträger und feministische Aussenminister.

    Die Kriegsver⁸brecher bleiben mal wieder aussen vor.

    • @M. S.:

      👍👍

  • Nicht zu vergessen die unsägliche Rolle, die die Justiz von Schweden bei den ersten Anschuldigungen gegen ihn gespielt hat. Wikipedia: "Ende Januar 2020 sprach UN-Sonderberichterstatter Melzer in einem Interview mit dem schweizerischen Online-Magazin Republik über die Erkenntnisse seiner Untersuchung im Fall von Julian Assange. Er stellte die Frage, weshalb sich ein Mensch neun Jahre lang in einer strafrechtlichen Voruntersuchung zu einer Vergewaltigung befunden habe, ohne dass es je zur Anklage gekommen sei. Polizei und Staatsanwaltschaft in Schweden hätten den Vorwurf der Vergewaltigung gegen Assange konstruiert und die falschen Verdächtigungen unmittelbar der Presse gesteckt. Die betroffene Frau S. W. habe demnach nie ihre nachträglich durch die Polizei manipulierte Aussage unterschrieben"



    (es geht da auch noch weiter...)

    "Und kein Barack Obama, kein Joe Biden und auch keine Annalena Baerbock setzten sich ernsthaft dafür ein, daran etwas zu ändern."



    Es stellt sich wirklich die Frage, wie sehr Frau Baerbock die ursprünglichen Ziele der Grünen vertritt oder doch eher die außenpolitischen Interessen Dritter bedient

  • "Und damit auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem der US-Regierung und des gesamten Westens bei ihrem Eintreten für eine „regelbasierte Weltordnung“. Assange und Manning wurden verfolgt, die Täter der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen nicht."



    Das ist doch auch eine Regel, wenn auch keine, die Idealist:innen im Sinn haben. Sich die die westlichen Imperialismen mit ihrem Anspruch auf weltweite Durchsetzung neoliberaler Kapitalregeln schönzureden, ist auch keine Lösung. Weder bedeutet das Freiheit, noch eine so viel beschworene nationale Souveränitat (für die, die daran glauben, dass die Nation überhaupt eine sinnvolle Ordnung darstellt - ich jedenfalls glaube das nicht).

  • "Assange und Manning wurden verfolgt, die Täter der Menschenrechtsverletzungen nicht. Und kein Obama, kein Biden und auch keine Baerbock versuchten, daran etwas zu ändern". Das bringt es auf den Punkt.

  • Schwierige Thematik! Natürlich müssen Journalisten weitreichend geschützt werden. Wenn deren Veröffentlichungen aber zur Gefährdung anderer führen, müssen sie dafür aber auch belangt werden können. Assange hat meiner Ansicht nach zumindest grob fahrlässig gehandelt.

    • @Lars Sommer:

      Journalisten die Kriegsverbrechen aufdecken müssen geschützt werden. Ohne wenn und aber. Von grober Fahrlässigkeit zu sprechen ist in diesem Fall nun überhaupt nicht angebracht. Vergessen Sie nicht wer hier die wahren Verbrecher sind.

    • @Lars Sommer:

      eine Frage an Sie: hat denn irgendjemand ernsthaft die Kriegsverbrecher belangt, deren Taten durch Assange veröffentlicht wurden oder trifft die Wut nun nur den Überbringer der schlechten Nachrichten und Gefährder Dritter?