Jules-Verne-Klassiker als ZDF-Serie: Heldenhafter Rettungsversuch

Das ZDF hat „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne als Miniserie neu verfilmt. Das dürfte alte Fans erfreuen. Doch kann es auch neue gewinnen?

Filmszene: Drei Personen in Kleidung des 19. Jahrhunderts

Phileas Fogg (David Tennant), Abigail Fix (Leonie Benesch) und Jean Passepartout (Ibrahim Koma, r.) Foto: ZDF

Weihnachtsrituale im deutschen Fernsehen sind natürlich „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und „Sissi“. Früher gehörten dazu aber mal Verfilmungen großer Romanklassiker aus dem Abenteurer-Genre als Mehrteiler: „Die Schatzinsel“, „Die Abenteuer des David Balfour“, „Der Seewolf“ sowie die Jules-Verne-Bücher „Zwei Jahre Ferien“, „Michael Strogoff“ und „Mathias Sandorf“.

„In 80 Tagen um die Welt“: acht Folgen, ab 21.12., 20.15 Uhr im ZDF und schon jetzt in der Mediathek

Ausgerechnet von Vernes berühmtesten Werken ließ man dagegen bisher die Finger: „20.000 Meilen unter dem Meer“ und „In 80 Tagen um die Welt“ waren nämlich bereits 1954 und 1956 als Hollywood-Großproduktionen verfilmt worden. Inzwischen kann man diese vielleicht aber doch etwas angestaubt finden. Selbst die „In 80 Tagen“-Miniserie mit Pierce Brosnan ist ja mittlerweile über 30 Jahre alt. Die Zeit war also reif für einen neuen Versuch.

Die Konfektionierung als Miniserie in acht Teilen soll vermutlich heutigen Seh-, das heißt Streaming-Gewohnheiten entgegenkommen. Aber acht Folgen à 45 Minuten, das entspricht unterm Strich genau vier Teilen in Spielfilmlänge. Im Ergebnis ist er also wieder da: Der Abenteuermehrteiler zu Weihnachten, international koproduziert, in Südafrika und Rumänien gedreht.

Aber überzeugt die Serie auch inhaltlich?

Gewisse Freiheiten

Da wäre also dieser bis an die Grenze zur Karikatur exzentrische englische Snob Phileas Fogg (David Tennant), der, wie die anderen Gentleman im Londoner „Reform Club“ des Jahres 1872, noch nie in seinem Leben einen Tag gearbeitet hat. So kommt er eben aus reiner Langeweile auf die Schnapsidee, die Weltkugel in 80 Tagen in westöstlicher Richtung – das wird für die Schlusspointe entscheidend sein – zu umrunden. Und weil sie Engländer sind, machen sie gleich noch eine Wette daraus. So weit, so gut, und alles wie gehabt?

Nicht ganz. Bei den Abenteuerepisoden, die Fogg erlebt, haben sich die „Ideengeber“ (Ashley Pharoah, Caleb Ransom) gewisse Freiheiten genommen. Vor allem betrifft das Foggs zwei Sidekicks, die nun mehr sein sollen als das, nämlich veritable Hauptrollen. Der französische Diener Passepartout (Ibrahim Koma) erinnert in dieser Reinkarnation als vielbegabter Filou schon sehr an den von Netflix wiederbelebten Arsène Lupin. Er ist nun auch schwarz wie dieser: PoC-Thema abgehakt.

Damit die Hausaufgaben in Sachen Diversität gemacht sind, fehlt jetzt nur noch, genau: eine Frau. So wird aus dem Detektiv des Originals eine Journalistin (Leonie Benesch aus „Babylon Berlin“), aus Mister Fix wird …: „Besonders stolz sind wir auf die Figur der jungen Reporterin Abigail,Fix' Fortescue: Wir haben diese weibliche Hauptrolle ganz neu in die Geschichte hinein­geschmuggelt“, formuliert das ZDF. „Unerschrocken geht sie ihren Weg in einer männlich dominierten Welt, sodass sich auch mehr als 100 Jahre später junge Frauen in dieser Abigail Fix wiederfinden können.“

Ungefähr so streberhaft-wohlfeil klingen auch die Sätze, die sie ihr in den Mund gelegt haben. „Mein Vater erwartet von mir, über Ponys zu schreiben. Mit einem netten Mann sesshaft zu werden und ihm Enkelkinder zu schenken. Aber das ist nichts für mich.“

Weihnachten 2021 – alle gucken, was sie wollen

Es gab da schon inspiriertere neue weibliche Protagonisten im Klassiker-Gewand („Enola Holmes“). Mehr als harmlose Unterhaltung für die ganzen Familie, vom Großvater bis zur Enkelin, will, soll und kann es nicht sein. Es fehlt halt ein bisschen dieser spezifische – nun ja – ernsthaft-sehnsuchtsvolle Sound der alten Abenteuervierteiler. Mit dem aber vielleicht die Enkelin und der Enkel heute nichts mehr anzufangen wüssten.

Kann schon sein.

Kann aber auch sein, dass die mit Verne und anderen selbst in dieser modernisierten Form nichts mehr anzufangen wissen. Dass der Großvater und der Vater allein vorm Fernseher sitzen, während sich die Oma und die Mutti im anderen Zimmer die 2021er-Remakes von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und „Sis(s)i“ auf Amazon und RTL angucken. Und die Enkelin und der Enkel streamen „Squid Game“ auf dem Smartphone, jeder für sich. Frohes Fest!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.