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Jugend und UmweltschutzDie Smombies kommen klar

Die „Jugend von heute“ schert sich angeblich nicht so um Öko-Themen wie die Älteren. Ein Drama? Nein. Glauben Sie den alten Säcken kein Wort.

Die Welt retten und trotzdem Candy-Crush spielen. Geht das? Foto: dpa

Hallo, liebe Menschen im Alter von 14 bis 25! Jetzt mal ehrlich und nicht gleich bei Wikipedia gespickt – was ist eigentlich nochmal in Tschernobyl passiert? Na? Und hat das was mit dem Krieg in der Ukraine zu tun?

Sie sind nicht ganz sicher? Dann trifft die Umfrage des Umweltbundesamts wohl zu, dass Interesse und Engagement zum Thema Umwelt bei jungen Menschen zurückgehen. Konsum ist wichtig, das Leben in der Geborgenheit von Familie oder einer Gruppe auch, heißt es da.

Eine intakte Umwelt dagegen ist nicht so zentral wie für Ältere, und der Politik trauen Sie nicht so viel zu. „Die Bereitschaft sinkt, das Handeln an Umweltgesichtspunkten auszurichten“, sagt die Chefin der Behörde, Maria Krautzberger, über Ihre Generation.

Das stimmt vielleicht. Aber es ist auch die klassische Klage über die verdorbene Jugend, die am Ladekabel statt am Bauzaun rüttelt. Früher, so heißt es, sei die Jugend die treibende Kraft der Umweltbewegung gewesen. Damit sei nun Schluss. Armes Öko-Deutschland!

Eher Realismus als Verweigerung

Aber wenn wir alten kompostierbaren Säcke mal die Gleitsichtbrille aufsetzen, uns die Studie auf Recyclingpapier ausdrucken (am Bildschirm würden wir sie nie lesen, allein die Strahlung!) und es mit dem Rollator zum Schreibtisch geschafft haben, werden wir erkennen: So schlecht ist diese Jugend gar nicht. Ganz im Gegenteil. Sie ist sogar ziemlich gut für die Zukunft gerüstet.

Denn in dem Papier steht auch, dass junge Menschen Öko-Probleme nicht isoliert sehen, sondern im Zusammenhang mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Das genau ist die Definition von „Nachhaltigkeit“, die seit zwanzig Jahren angeblich nicht vermittelbar ist.

Auf Markenklamotten und Smartphones können sie nicht verzichten, auf Autos schon. So geht Fortschritt!

Aber die Jugend hat’s kapiert: Es macht keinen Sinn, den Müll zu trennen, wenn sich das nicht rechnet oder man damit Jobs vernichtet. Wer Menschen in ihrer Heimat unterstützen will, sollte nicht ihre Märkte mit unseren billigen Tomaten überfluten. Für die Debatte um Flüchtlinge und Migration und die „Bekämpfung der Fluchtursachen“ eine wichtige Erkenntnis.

Die Generation Smartphone plus Easyjet hat noch etwas begriffen: Auf Markenklamotten und Smartphones können sie nicht verzichten, auf Autos schon. So geht Fortschritt! O. k., die „Smombies“, die dauernd am mobilen Bildschirm kleben, können gewaltig nerven, aber ihr ökologischer Fußabdruck ist dabei kleiner als bei unserer „Manta, Manta“-Altersgruppe, wo die Blechkiste ein Heiligtum war. Und dass die jungen Menschen die Lage der Umwelt skeptisch sehen und der Politik nicht viel zutrauen, hat eher mit Realismus als mit Verweigerung zu tun.

Überhaupt klingt die Umfrage ein bisschen so, als seien die Älteren qua früher Geburt die Umweltengel. Wer über 25 ist, fliegt nämlich nicht in den Urlaub, isst nur Gemüse und streichelt täglich seine Solaranlage. Aber wer hat eigentlich den Karren in den Dreck gefahren – die Menschen, die noch zur Schule gehen? Und wer hat den jungen Leuten denn als Eltern, Lehrer und Vorbilder beigebracht, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gibt?

Die zentrale Frage jedenfalls, liebe nächste Generation, werden Sie selbst lösen müssen, vielleicht mit ein paar kleinen Schubsern von uns: Wie können Sie in 50 Jahren friedlich und ökologisch leben? Bald wird sich zeigen, ob Sie kein Auto brauchen, weil Sie jung, fit und frei sind. Oder ob das auch so bleibt, wenn der Rücken zwickt und der Kinderwagen schwer wird. Und was Sie dann von der nächsten Generation halten.

Ach so, in Tschernobyl ist übrigens am 26. 4. 1986 ein Atomkraftwerk explodiert. Mega-Katastrophe, krasser Impact. Deswegen schalten wir Deutschen jetzt die AKWs ab, wenn die Jüngsten unter Ihnen gerade volljährig werden. Mehr dazu demnächst auf Ihrem Tablet.

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4 Kommentare

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  • Daran, dass in Tschernobyl am 26.04.1986 ein Atomkraftwerk explodiert ist, erinnert sich der alte kompostierbare Sack in mir noch ziemlich gut. Ich war schließlich noch ein paar Meter dichter dran am großen Knall als Berhard Pötter. Nur daran, "was [das] mit dem Krieg in der Ukraine zu tun [hat]", erinnere ich mich grade nicht so gut. Was daran liegen kann, dass es, so weit ich weiß, bisher nicht in der taz gestanden hat. Die URSACHEN der diversen "Mega-Katastrophe[n]" der letzten Jahrzehnte sind da überhaupt ein wenig kurz gekommen, finde ich. Ein Umstand, der auf den gelernten Ossi in mir nicht wenig "Impact" gehabt hat nach 1989. Vermutlich hat ja nicht nur die angebliche "Verweigerung" der 14- bis 25-Jährigen etwas mit Realismus zu tun. Denn wenn ich überhaupt etwas gelernt habe in den ersten 50 Jahren meines Lebens, dann ist es das: Die, die die Karre in den Dreck gefahren haben, sind niemals die, die sie da wieder rausziehen. Man kann sie also ganz getrost vergessen. Als Helfer sind immer sie ein Totalausfall. Nicht nur in Tschernobyl. Da aber auch.

  • 9G
    913 (Profil gelöscht)

    Wir sind die Eltern, vor denen wir unsere Kinder immer schützen wollten.

  • Aha, Fortschritt geht also ohne Auto... Ryan Air hat der Autor schlicht unterschlagen – Praktikum in Australien, Freundin in Dheli... Globalisierung geht mit dem Auto eben nicht. Fazit: Die neue Generation ist genauso konsumfreudig wie die alte...nur legt sie andere Schwerpunkte.

  • Jobs vernichten ist also nicht nachhaltig. Dann halten wir den technologischen Fortschritt am besten jetzt sofort an.