Weniger rechtskräftig Verurteilte: Die friedliche Jugend

Die Kriminalität in Niedersachsen geht besonders bei den Jugendlichen zurück. Der Kriminologe Christian Pfeiffer sieht eine nie dagewesene Befriedung.

Freudige Jugendliche

Weniger Gründe, kriminell zu werden: Vielen Jugendlichen geht es besser als früher. Foto: dpa

HAMBURG taz | Niedersachsen Jugend wird immer friedlicher. Das geht aus einer aktuellen Veröffentlichung über „Abgeurteilte und Verurteilte“ in den Jahren 2013 und 2014 hervor. Der abnehmende Trend ist bundesweit bei Straftaten zu verzeichnen. Für die immer geringere Zahl der verurteilten Jugendlichen ist dabei aber nicht nur der demografische Wandel verantwortlich: Auch prozentual werden Jugendliche immer weniger straffällig. Der niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer erklärt das mit einer allgemeinen sozialen Verbesserung.

Insgesamt wurden laut dem Landesamt für Statistik in Niedersachsen 2014 genau 69.614 Menschen verurteilt. Darunter waren 10.244 Jugendliche sowie Heranwachsende, also Menschen über 18 und unter 21 Jahren, für die Jugend- oder Erwachsen-Strafrecht gelten kann. Diese Zahl sank seit 2004 stetig, bei Jugendlichen sinkt die Zahl der Verurteilten in Niedersachsen seit 2007.

„Lieblingsstraftaten“ von Jugendlichen und Heranwachsenden waren demnach Diebstahl und Unterschlagung, 2014 machten sie mehr als ein Viertel der abgeurteilten Delikte aus. Ähnlich hoch war der Anteil der Körperverletzungen, mit einigem Abstand folgten dann Raub und Erpressung. Bei den erwachsenen Straftätern waren es in Niedersachsen 2014 vor allem Vermögens- und Eigentumsdelikte, sowie Urkundendelikte, die zu einer Verurteilung führten – gefolgt von Straftaten im Straßenverkehr.

Das niedersächsische Justizministerium geht nach Auskunft von dessen Sprecherin Marika Tödt davon aus, dass der Rückgang vor allem mit dem demografischen Wandel zusammenhängt. Eine belastbare Untersuchung gebe es dazu aber nicht. „Gleichzeitig gehen wir davon aus, dass die präventiven Maßnahmen und auch die der Jugendhilfe greifen“, sagte Tödt.

In Bremen sank die Zahl der Verurteilten von 9.629 in 2009 auf 7.777 in 2014, darunter 545 Heranwachsende und 253 Jugendliche. Unter Gleichaltrigen stieg der Prozentsatz Delinquenter leicht: 2012 wurden noch rund 0,9 der Jugendlichen, 2014 dann 1,04 Prozent verurteilt.

In Hamburg gingen Verurteilungen seit 2005 von 25.084 auf 18.248 in 2014 zurück. Bei Jugendlichen setzte der Trend erst 2007 ein: In dem Jahr wurden 2.700 Menschen nach Jugendstrafrecht verurteilt, im Jahr 2014 nur 1.464.

Schleswig-Holstein hatte 2004 noch 23.454 Verurteilte. Die Zahl sank bis 2014 auf 15.734. Die Verurteilungen nach Jugendstrafrecht schwanden hier erst seit 2010: von 3.451 auf 1.697 in 2014.

Allerdings zeigt die Statistik, dass der demografische Wandel allein nicht der Grund sein kann: Denn nicht nur die Anzahl der Verurteilten wird geringer, sondern auch der Anteil unten den Gleichaltrigen: Wurden 2012 noch fast 1,6 Prozent aller niedersächsischen Jugendlichen verurteilt, sank diese Zahl bis 2014 auf 1,2 Prozent.

Bei Erwachsenen schwankt dieser Anteil nur leicht: Etwa 0,95 Prozent der Niedersachsen wurden in den letzten Jahren verurteilt. Im Vergleich zu anderen Altersgruppen werden im Übrigen unter den 18- bis 25-Jährigen prozentual am meisten verurteilt: zwischen 3,5 und 5 Prozent.

„Wir haben seit sieben Jahren einen drastischen Rückgang der Jugendgewalt“, sagt der niedersächsische Kriminologe Christian Pfeiffer, „seit 2000 der Jugendkriminalität insgesamt.“ Dafür gebe es viele Gründe. „Es liegt unter anderem an einer veränderten familiären Erziehungskultur, die weniger gewalttätig ist.“

Tatsächlich mache sich auch der Geburtenrückgang bemerkbar, allerdings laut Pfeiffer nicht nur rein statistisch: „Junge Menschen sind Mangelware und können sich heute aussuchen, wo sie eine Lehre machen. Parallel dazu ging die Jugendarbeitslosigkeit drastisch zurück, die nirgends so niedrig ist wie in Deutschland.“

Ähnlich verhalte es sich bei der Kriminalität unter MigrantInnen. Auch die habe um ein Drittel abgenommen. „Parallel haben die soziale und schulische Integration zugenommen“, sagt Pfeiffer. „Die Zahl der deutschen Freunde und derjenigen, die das Abitur erreichen, steigt, ebenso die Identifikation mit Deutschland.“ Das sei eine erfreuliche Entwicklung, die in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen werde: „Es ist eine Befriedung, wie ich sie in meinen letzten 40 Jahren als Kriminologe so noch nicht erlebt habe.“

Pfeiffer nennt als weiteres Beispiel die Zahl der Strafgefangen: In Niedersachsen sei sie in zehn Jahren um 27 Prozent gesunken, bundesweit um 15 Prozent. „Dies nicht etwa weil die Richter milder geworden sind, sondern weil die Kriminalität abgenommen hat“, sagt Pfeiffer. Das liege vor allem an der Polizei, die leistungsfähiger sei denn je. „Dank DNA, aber auch einer besseren Ausbildung.“

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