Jugend in Deutschland 2025: Warum seid ihr so optimistisch?
Junge Menschen blicken erstaunlich positiv in die Zukunft – und das, obwohl die Politik sich kaum um ihre Anliegen schert.

A ngesichts der Weltlage ist diese Zahl phänomenal: 60 Prozent der jungen Menschen bis 29 Jahre blicken aktuell positiv in die Zukunft. Das zeigt die Studie „Jugend in Deutschland 2025“, die der renommierte Jugendforscher Klaus Hurrelmann mit Kollegen am vergangenen Dienstag veröffentlicht hat.
Noch eindrücklicher wirkt dieser Wert, wenn man ihn mit älteren Generationen vergleicht: Von den ebenfalls für die Studie befragten 30- bis 49-Jährigen äußerte sich nur jede:r dritte optimistisch, bei den über 50-Jährigen gar nur jede:r siebzehnte.
Der Optimismus der Jüngeren ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich: Die Aussichten für eine unbeschwerte Zukunft sind so bescheiden wie lange nicht. In Europa herrscht Krieg, global wird mit Demokratiefeinden à la Putin, Trump und Netanjahu das Recht des Stärkeren zur neuen Norm, der Klimaschutz ist faktisch tot. Und in Deutschland arbeitet sich die neue Bundesregierung wie schon die alte lieber am AfD-Fetisch „illegale“ Einwanderung ab – statt endlich die vielen tatsächlichen Probleme der Bürger:innen anzugehen. Die anhaltende soziale Ungleichheit, die zunehmend unbezahlbaren Mieten, die ungelöste Rentenfrage. Und so weiter.
Dass sich die Jungen hier dringend Lösungen wünschen, kann spätestens nach dieser Studie kein:e Politiker:in mehr ignorieren. Als größte Sorgen (neben der aktuellen Kriege in der Ukraine und Nahost) nennen sie Inflation, Spaltung der Gesellschaft, teurer/knapper Wohnraum sowie Klimawandel.
Versprechen für Junge? Fehlanzeige!
Leider aber haben junge Menschen von Union und SPD wenig zu erwarten. Im Bundestagswahlkampf, wo die Sorgen der jungen Generation mal so gar keine Rolle spielten, mag das noch wahltaktische Gründe gehabt haben, schließlich umfasst die Gruppe der Erstwähler:innen nicht mal 4 Prozent der Wahlberechtigten. Warum CDU, CSU und SPD aber auch im Koalitionsvertrag so wenig für die Jungen zu vergeben haben, ist unbegreiflich. Im Vergleich dazu wirkt die Ampel mit Versprechen wie der Cannabis-Legalisierung oder Wahlen ab 16 rückblickend fast visionär.
Die wenigen Groko-Versprechen für Junge hingegen sind entweder so vage, dass unsicher ist, ob sie jemals umgesetzt werden können wie etwa die „WG-Garantie“ für Studis und Azubis, mit der der Bund für bezahlbaren Wohnraum sorgen soll. Oder kommen viel zu spät, wie die Bafög-Erhöhungen. Oder sind komplett überflüssig wie der geplante nationale Kinder- und Jugendgipfel, auf dem junge Menschen ihre Anliegen artikulieren und mit Politiker:innen diskutieren dürfen.
Hätte die Politik den Jugendlichen schon früher zugehört, wüsste sie, dass sie mit so einem Gipfel nur youthwashing betreibt – also so tut, als würde sie durch einmaliges Zuhören die Anliegen von jungen Menschen ernster nehmen. Der Begriff stammt übrigens von Schülervertreter:innen, und er zeigt, woran es aus Sicht der Jugendlichen fehlt: Beteiligungsprozesse, die über das Zuhören und schnell Vergessen hinausgehen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist der Umgang mit den rasant steigenden psychischen Erkrankungen. Seit Jahren kritisieren Schüler:innen den ungesunden Leistungsdruck im Schulalltag, doch bisher hat kein Bundesland radikal umgesteuert und für Entlastung gesorgt. Im Gegenteil. Manche Länder wie das brombeergefärbte Thüringen ziehen die Daumenschrauben sogar noch weiter an und schreiben Kopfnoten und Sitzenbleiben wieder bereits ab Klasse sechs vor.
Tabuthema mentale Gesundheit
Da muss sich niemand wundern, wenn – wie in der vorliegenden Jugendstudie – ein Viertel der Befragten angibt, wegen des hohen psychischen Belastung eine Behandlung zu benötigen. Nur weil frühere Generationen entmutigt wurden, auch auf ihre psychische Gesundheit zu achten – Grüße an der Stelle an alle verbeamteten Lehrkräfte –, sollte man die Bedürfnisse der Jugend nicht als fehlende Leistungsbereitschaft abtun.
Apropos: Mit gängigen Klischees einer faulen oder unsolidarischen Generation räumt die Jugendstudie übrigens auf. Mehr als 80 Prozent arbeiten in Vollzeit und damit deutlich mehr als die älteren Semester. Die Mehrheit der Jungen ist auch bereit, höhere Beiträge zu zahlen, wenn die Alten dafür eine auskömmliche Rente erhalten. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie unklar es ist, ob die Generationengerechtigkeit auch in 40, 50 Jahren noch funktioniert.
Fakt ist aber: Die Jungen sind genauso wenig faul oder egoistisch, wie sie politikverdrossen sind. Vielmehr stimmt: Junge Menschen wenden sich zunehmend von den etablierten Parteien ab, weil sie enttäuscht sind, und das völlig zu Recht. Wer daran etwas ändern möchte, sollte ihnen endlich etwas anbieten.
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