Jugend im Wahlkampf: Schluss mit dem Generationengelaber!
Kaum ein Tag vergeht, an dem junge Menschen nicht als faul beschrieben werden. Sie sollen funktionieren, am Diskurs lässt man sie kaum teilnehmen.
T äglich laufe ich an Christian Lindner vorbei. Auf dem Weg zur Uni ätzt mir das Plakat entgegen „Kinder haften für ihre Eltern“. Der frechste Arbeitslose Deutschlands weiß scheinbar, was für junge Menschen gut ist. Und kaum ein Tag vergeht, an dem einer Gen-Z nicht groteske Faulheit attestiert wird. Journalistische Querschelten und herablassende Arbeitgebervertreter:innen. Dieses Generationengelaber ist übergriffig.
Das einmal abgesehen davon, dass ihr Befund laut einer Studie des IAB Instituts zum Höchststand an Voll- und Teilzeitbeschäftigung der 18- bis 24-Jährigen nicht stimmt. Dürfen junge Menschen jetzt Lob für ihren Fleiß erwarten? Oder hat das dauertönende Faulheitsbashing nicht eine Funktion?
24, hat mit anderen Nachwuchsjournalist:innen der taz Panter-Stiftung eine Sonderbeilage zur Bundestagswahl gestaltet. Hier können die Artikel der Beilage online gelesen werden.
Sollen Studierende und Azubis sich an Doppel-Nebenjobs, Klimafolgen und bröckelnde Infrastruktur gewöhnen, weist man am besten Schuld zu. Wem Faulheit nachgesagt wird, muss sich doppelt beweisen. Es bleibt also nur eine Frage der Arbeitsmoral, mit horrenden Mieten umzugehen.
Sich dagegen argumentativ auflehnen, soll die TikTok-Generation nicht können. Mit halbgaren Social-Media Diagnosen wird gleich mal die Fähigkeit zur Diskussion auf Augenhöhe abgesprochen. Werden junge Menschen dann in Medienformate eingeladen, sollen sie gemäß der Zielgruppe Quick Reactions produzieren. Als wären sie nicht höchstpolitisiert und wüssten über TikTok und Instagram komplexe Inhalte zu konsumieren. Meist besser als die „Tagesthemen“.
Diese Generationennarrative nehmen den Einzelnen in Geiselhaft. Statt für sich, die eigene Erfahrung und einen sozialen Standpunkt zu sprechen, gilt am Ende nur Gen-Z. Tendenz geringe Arbeitsmoral, bindungsunfähig bei Beziehungen und Parteien sowie TikTok.
Da darf man sie doch auch mal wieder richtig fordern? Merz stimmte entsprechend auf dem CDU-Kongress im November die Jugend auf eine Wehrpflicht und verpflichtendes Gesellschaftsjahr ein. „Wir dürfen von euch auch etwas erwarten.“ Bleibt offen, ob das seine einzige Strategie gegen den Pflegenotstand sein wird. Junge Menschen jedenfalls haben bei dieser Erzählung mit nichts zu rechnen. Wer so redet, möchte selbst über die kleinsten materiellen Forderungen nicht sprechen.
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Gen-Z, Boomer, Millenial, whatever. Das verschleiert die Verhältnisse und diskreditiert politische Forderungen. Materielle Interessen liegen quer zu jedem Alter. Wir alle profitieren von einem Ende des Generationengelabers. Schluss damit!
Sören Wienke, 24, hat mit anderen Nachwuchsjournalist:innen der taz Panter-Stiftung eine Sonderbeilage zur Bundestagswahl gestaltet. Hier können die Artikel der Beilage online gelesen werden.
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