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Journalistische Glanzleistung der BBCBoris Johnsons längste Viertelstunde

Der Londoner Bürgermeister und größter innerparteilicher Rivale David Camerons wird öffentlich demontiert – Live im Frühstücksfernsehen.

„Ein ziemlich widerlicher Typ“, findet der BBC-Moderator: Londons Bürgermeister Boris Johnson. Bild: reuters

DUBLIN taz | Auf dem Tory-Parteitag in Birmingham im vergangenen Oktober ist er vom rechten Parteiflügel noch als Alternative zu Premierminister David Cameron gefeiert worden. Boris Johnson, Londons Bürgermeister mit Rockstar-Aura, galt spätestens seit seiner Parteitagsrede als größter Rivale des Parteichefs. Diesen Ruf hat er nun verspielt - mit einem Interview.

Es schien wie eine Routineveranstaltung. Am Sonntagmorgen im BBC-Fernsehen eine Viertelstunde lang Fragen von Eddie Mair zu beantworten, der für den kranken Andrew Marr eingesprungen war, sollte eigentlich keine Gefahren in sich bergen. Die ersten Minuten verliefen auch ganz nach Johnsons Geschmack.

Er konnte ein paar Seitenhiebe auf Cameron und Ken Livingston, seinen Vorgänger als Londoner Bürgermeister, unterbringen. Doch dann wurde das Gespräch zum Albtraum für Johnson. Mair fragte ihn, warum er als Journalist der Times ein Zitat erfunden habe? Das Blatt hatte Johnson daraufhin gefeuert. Johnson versuchte zunächst, das Interview auf sicheres Terrain zu lenken, doch Mair beharrte auf eine Antwort. Schließlich räumte Johnson seine Fälschung ein und entschuldigte sich dafür.

Doch damit nicht genug. „Kommen wir zu einer unverfrorenen Lüge“, leitete Mair seine nächste Attacke ein. Er habe seinem damaligen Parteichef Michael Howard gegenüber bestritten, dass er eine außereheliche Affäre hatte. Als sich das als Lüge herausstellte, warf ihn Howard aus dem Schattenkabinett. „Warum haben Sie Ihren Parteiführer belogen?“ Johnson wand sich wie ein nasser Fisch und stammelte, er wolle auf dieses Thema nicht noch einmal eingehen. Könne man nicht über etwas anderes sprechen?

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Mair willigte ein, aber es nützte Johnson nichts. Denn nun ging es um ein Telefongespräch, in dem ein Freund Johnsons ihn um die Adresse eines Journalisten bat, damit er ihn „zusammenschlagen und ihm ein paar Rippen brechen“ lassen könne. Warum habe Johnson ihm die Adresse gegeben? Man sage alle möglichen Dinge am Telefon, antwortete der sichtlich angeschlagene Johnson, und schließlich sei dem Journalisten ja nichts passiert. Nach einer für Johnson vermutlich endlos scheinenden Viertelstunde zog Mair das Fazit: „Sie sind ein ziemlich widerlicher Typ, oder?“

Das war Johnson schon immer - ein Opportunist ersten Ranges. Mitte der achtziger Jahre kandidierte er als strammer Rechter für die Präsidentschaft der Studentenvereinigung in Oxford und verlor. Ein Jahr später gewann er, weil er sich zum scharfen Kritiker der Regierung von Margaret Thatcher gewandelt hatte. In den neunziger Jahren, als er in Brüssel als Korrespondent für den Daily Telegraph arbeitete, schrieb Johnson regelmäßig Hasstiraden gegen die Europäische Union.

Kaum war er 2001 ins Londoner Unterhaus gewählt worden, positionierte er sich als Europhiler und machte Witze über den rechten Parteiflügel. Während seines Wahlkampfs um das Bürgermeisteramt von London befürwortete er eine Amnestie für illegale Immigranten und kritisierte die Kürzungen des Wohngelds. Doch seit seiner Wahl bietet er sich dem rechten Parteiflügel als Alternative zu Cameron an.

Damit dürfte es nun vorbei sein. Daran wird auch die einstündige Dokumentation über Johnsons Leben nichts ändern, die am Montag Abend von der BBC ausgestrahlt wird und in der ihm keine unangenehmen Fragen gestellt werden.

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8 Kommentare

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  • A
    anarchiestattehe

    "Er habe seinem damaligen Parteichef Michael Howard gegenüber bestritten, dass er eine außereheliche Affäre hatte." hilfe, wie moralinsauer! ist ja ok das er auf die Mütze kriegt aber was gehen eigentlich immer alle Welt die Seitensprünge von Politikern an? Wen das interessiert, ist entweder prüde und hält es mit dem moralischen Zeigefinger oder hat offenbar ein perfides Interesse an Politikersex...

  • C
    Celsus

    Wunderbar. Es geschehen auch noch gute Dinge in der Welt oder anderes ausgedrückt, es werden schlechte Dinge verhindert. Danke für den amüsanten Beitrag.

  • S
    sigurd

    eine der gründe warum ich die taz nicht mehrkaufe und lese, es ist noch viel mehr als früher, ein schaueliches kampfblatt geworden und verdreht die fakten noch schlimmer als die bildzeitung es je vermag.

     

    man mag johnson nicht, also muß man draufhauen.

     

    jede noch so große entgleisung von z.bsp. claudia roth wird übergangen und nicht thematisiert.

  • S
    Sören

    Im Moment stellt Johnson keine konkrete Gefahr für den Premierminister dar, weil er einen Sitz im Unterhaus braucht, um überhaupt für das Amt des Parteiführers zu kandidieren. Es gab zwar immer Gerüchte, dass ein Abgeordneter zurücktritt, und Johnson dann in dessen Wahlkreis antritt, konkretisiert hat sich das bis jetzt aber nie.

     

    Cameron ist zwar angeschlagen, ob es aber zu einer Auseinandersetzung um den Parteivorsitz kommt ist überhaupt nicht ausgemacht. Wenn gäbe es auch aussichtsreichere Kandidaten als Johnson, bspw. Erziehungsminister Gove.

     

    Von den Umfragen ausgehend ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Tories bei den nächsten Wahlen eine absolute Mehrheit erreichen. Wenn das passiert ist Cameron sicher am Ende, nach dann 2 nicht gewonnen Wahlen.

  • K
    Kompetenter

    "Die Sprachkompetenz in der englischen Sprache von Herrn Sotschek kann nicht so weit her sein"

     

    ...naja, ich glaube, er hat eher nur die kurze Fassung des Interviews (ca. 3,5 Minuten) auf die Seite der Guardian gesehen. Insgesamt waren die 15 Minuten als Ganzes ziemlich belanglos. Nichts Neues war dabei.

     

    Aber zum Thema Sprachkompetenz: "Warum habe Johnson ihm die Adresse gegeben?" Darum ging es ja gar nicht, und die Frage wurde ja nicht gestellt. Denn es ist längst bekannt, dass Johnson die Adresse *nicht* weitergegeben hat. Wie der Interviewer auch zugab.

     

    Johnson ist weiterhin der Berlusconi Britanniens. Einige Minuten werden das nicht ändern. Leider.

  • P
    PeterPan

    Die Sprachkompetenz in der englischen Sprache von Herrn Sotschek kann nicht so weit her sein. Ansonsten wäre ihm aufgefallen, dass Boris Johnson am Ende des in der Tat wenig schmeichelhaften Interviews wieder das Wort hatte und es ihm gelang mehrere verbale Breitseiten gegen Labour zu feuern und zwar genau in der Weise, wie viele Menschen es an ihm lieben. Darüber hinaus ist es ihm nicht einmal über die Lippen gekommen, dass er Premierminister werden möchte. Ergo hat er gar nichts verloren. Das war schwach Genossen. Strengt euch mal ein bischen an...

  • S
    spannend

    Jetzt wüsste ich aber doch gerne, was hier gespielt wird. Ist das vorgezogene Wahlkampfhilfe für Labour was Herr Sotschek sich hier von der Seele kotzt? Oder ist er wirklich ein Fan von Cameron und will den stützen?

     

    Neutrale Berichterstattung ist man von ihm ja nicht gewöhnt, daher die Frage nach dem Motiv.

  • W
    westernworld

    was dies eigentlich belegt ist das cameron und nicht johnson am gebührenhahn der bbc sitzt sonst gar nichts. das beide lügner und verbrecher sind steht wohl außer frage.

     

    hätte downing street nicht sein placet gegeben wäre dies nie über den sender gegangen.