Journalismus-Museum in Washington: Kein Platz für das Newseum
Das Newseum in Washington setzt Journalismus ein Denkmal. Aus finanziellen Gründen muss es Ende des Jahres schließen.
Zehn Jahre lang hat es im Zentrum der US-amerikanischen Hauptstadt Washington die Meinungsfreiheit und den Journalismus gefeiert. Doch nun gibt es seinen siebenstöckigen Bau aus Glas und Stahl auf. Die Trägerstiftung Freedom Forum will die laufenden Kosten und die steigenden Schulden nicht länger tragen. Sie hat ihre Immobilie für 372,5 Millionen Dollar an die private Eliteuniversität Johns Hopkins verkauft und schließt zum Ende des Jahres. Einen neuen Platz hat das Museum bislang nicht. Doch die Stiftung will die Arbeit digital fortsetzen.
Der Standort 555 Pennsylvania Avenue war ein stolzes Statement. Das Museum liegt auf halber Strecke zwischen den beiden politischen Machtzentren der USA: Kapitol und Weißes Haus; in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kunstmuseum National Gallery, dem Hauptsitz des FBI und dem 5-Sterne-Hotel, das Trump kurz vor seiner Wahl eröffnet hat. Jede Inauguration-Parade und jede Großdemonstration führt am Newseum vorbei. In die Fassade des Newseum sind die 45 Worte des ersten Verfassungszusatzes gemeißelt, das seit dem Jahr 1791 die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in den Vereinigten Staaten sichert. Auf Augenhöhe werden täglich entlang des Bürgersteigs mehrere Dutzend aktuelle Titelseiten von Tageszeitungen in Vitrinen gezeigt.
Mit dem Newseum haben JournalistInnen sich selbst und der Verfassung ihres Landes ein Denkmal gesetzt. In dem glänzenden Inneren beschreiben sie auf sieben Etagen den Einfluss, den sie auf den Gang der Geschichte hatten – von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung über den Fall der Berliner Mauer bis hin zu den Attentaten vom 11. September 2001. Im Newseum sind JournalistInnen Stars und HeldInnen. Und manche sind Märtyrer. Es gibt ein TV-Studio zum Anfassen, interaktive Tafeln und ein Denkmal für JournalistInnen, die in Ausübung ihres Berufs umgekommen sind.
Kein Ausweg in Sicht
Das Newseum existierte schon seit 1997 in einem bescheideneren Bau in dem Washingtoner Vorort Arlington. Seine finanziellen Probleme begannen mit dem Bau an der Prachtavenue. Der Umzug im April 2008 fiel in die schwerste Finanzkrise seit der Depression. Erschwerend kam hinzu, dass das Newseum von Anfang an die höchsten Eintrittspreise in der Stadt erhob. Heute liegen sie bei über 25 Dollar, was selbst manche ReporterInnen aus der tiefen Provinz vom Besuch abhält. Wie die meisten HauptstadtbesucherInnen gehen sie stattdessen in eines der 17 gut ausgestatteten Museen der Smithonian Stiftung, bei denen der Eintritt gratis ist.
Dennoch fanden alljährlich rund 800.000 BesucherInnen den Weg ins Newseum. Sie tauchten für ein paar Stunden in eine glitzernde Welt ein, in deren Zentren die Stars der großen Kabelsender stehen, von denen viele zugleich Sponsoren sind. Aber die Eintrittsgelder reichten nie, um die laufenden Kosten zu decken. Das Newseum lebte kontinuierlich über seine Verhältnisse. Im Jahr 2017, kurz nachdem Trump ins Weiße Haus eingezogen war, begann die Stiftung Freedom Forum mit der Suche nach Auswegen. „Es war eine schwierige, aber verantwortliche Entscheidung“, begründete die Chefin der Stiftung, Jan Neuharth, nach dem Immobiliendeal. Sie hat die Stiftung von ihrem Vater, Al Neuharth, dem Gründer und langjährigen Chef von USA Today übernommen.
Ab Januar will die Johns Hopkins Universität von der Pennsylvania Avenue im Zentrum Washingtons Präsenz zeigen. Die Studiengebühren an Johns Hopkins liegen mit gegenwärtig 52.000 Dollar pro Jahr zwar in der Spitzengruppe, doch das hätte nicht gereicht, um die Immobilie zu erwerben. Die Universität aus Baltimore konnte sich den Deal unter anderem dank der Spenden eines ehemaligen Studenten leisten. Michael Bloomberg hat seiner Universität im Laufe der Jahre 3,3 Milliarden Dollar gespendet. In welcher Höhe er sich an dem Kauf der Newseum-Immobilie beteiligt hat, ist nicht öffentlich. Bekannt aber ist, dass der milliardenschwere Unternehmer und ehemalige New Yorker Bürgermeister schon lange mit einer Kandidatur für das Weiße Haus liebäugelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland