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Jost Müller-Neuhof über Hintergrundgespräche„Informationen in den Vordergrund“

Angela Merkel trifft sich regelmäßig mit Medienvertretern zu vertraulichen Hintergrundrunden. Der Journalist Jost Müller-Neuhof hat dagegen geklagt.

Die Bundeskanzlerin während einer Bundespressekonferenz Anfang November Foto: Florian Gaertner/imago
Christian Rath
Interview von Christian Rath

taz: Herr Müller-Neuhof, Sie wollten als Journalist Informationen über die Hintergrundrunden von Angela Merkel bekommen. Was hat das Verwaltungsgericht Berlin am vergangenen Freitag entschieden?

Jost Müller-Neuhof: Es hat in einem Urteil gegen das Kanzleramt entschieden, dass Journalisten das Recht haben, zu erfahren, mit welchen anderen Journalisten sich die Kanzlerin zu so genannten Hintergrundgesprächen trifft und welche Informationen sie dabei mitteilt.

Woraus ergibt sich dieser Auskunftsanspruch?

Bisher ist nur der Tenor des Urteils bekannt, nicht die Begründung. Vermutlich folgt das Berliner Gericht einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2019, bei dem ein derartiges Informationsrecht unmittelbar aus der Pressefreiheit des Grundgesetzes abgeleitet wurde. Damals hatte der Tagesspiegel erfolgreich auf Auskünfte über die Hintergrundgespräche des Bundesnachrichtendienstes geklagt.

Warum wollen Sie wissen, mit wem und worüber die Kanzlerin spricht?

Solche Hintergrundrunden sind Teil der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit. Im Prinzip sind es Pressekonferenzen. Es ist zwar legitim, dass Angela Merkel die Journalisten dafür nach sachlichen Kriterien auswählt, denn sie kann nicht alle einladen. Aber die, die nicht eingeladen wurden, müssen zumindest erfahren können, welche Informationen zu welchen Themen die Kanzlerin gegeben hat.

Bei solchen Hintergrundgesprächen wollen Politiker aber „vertraulich“ sprechen und gerade nicht zitiert werden.

Um so wichtiger ist es, Transparenz herzustellen. Es muss für die Öffentlichkeit erkennbar sein, wenn die Kanzlerin von ihr ausgewählte Medien mit Regierungsinformationen versorgt, die diese dann als eigene Recherche verbreiten, ohne die wahre Quelle zu nennen.

Bild: Tagesspiegel
Im Interview: Jost Müller-Neuhof

ist rechtspolitischer Korrespondent des Berliner „Tagesspiegels“. Er setzt seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch regelmäßig mit Hilfe der Gerichte durch.

Wenn Sie in diesem Rechtsstreit Erfolg haben, wird es bald vielleicht gar keine vertraulichen Hintergrundrunden mehr geben.

Wichtiger als ein Hintergrundgespräch im Kanzleramt ist, dass Wählerinnen und Wähler wissen, welche Erkenntnisse und Einschätzungen die Regierung in die öffentliche Diskussion einbringt. Das ist fundamental für die politische Meinungsbildung. Was zwischen Staat und Medien im Hintergrund abläuft, gehört in den Vordergrund.

Fallen solche Treffen nicht unter den Quellenschutz der Journalisten?

Schutzwürdig sind Informanten, wenn sie sich an die Presse wenden, um etwa einen Skandal aufzudecken. Wenn der Staat Öffentlichkeitsarbeit macht, hat dies mit offenem Visier zu erfolgen. So sieht es auch das Bundesverwaltungsgericht.

Folgt jetzt ein langer Rechtsstreit?

Ich hoffe nicht. Wenn das Bundesverwaltungsgericht schon von einem Geheimdienst wie dem BND bei seiner Pressearbeit Transparenz verlangt, dann muss dies für Kanzleramt und Ministerien erst recht gelten.

Ihre Klage aus dem Jahr 2017 fragt nach Hintergrundrunden im Jahr 2016. Sind diese Informationen jetzt überhaupt noch relevant?

Natürlich. Damals ging es vermutlich um Brexit, Flüchtlingskrise und die stärker werdende AfD. Wie die Regierung hier mediale Debatten zumindest indirekt mitgesteuert haben könnte, bleibt unverändert bedeutsam.

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4 Kommentare

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  • Jetzt will ich aber auch wissen, was in den Hintergrundrunden geredet wurde. Wo erfahre ich das?

  • Als Dank für die Einladung zu solch einer exklusiven Runde, wird die Kanzlerin sicherlich auch eine ihr genehme Berichterstattung bekommen.

  • Danke für das Interview

    "Fallen solche Treffen nicht unter den Quellenschutz der Journalisten?“

    Das klingt, als wolle Angela Merkel eingebunkert im Kanzleramt Berlin, sich, angesichts Bedrängung durch Regierungsapparat zu fremdem Zweck entgegen Wahlversprechen mit Offenbarungsimpuls in Hintergrundgesprächen vertraulich unter Quellenschutz Gebot gegenseitiger Verschwiegenheit rückversichern können dürfen bei Schar erlesen ausgesuchter Journalisten*nnen?



    Unvoreingenommen ging ich bisher davon aus, dass Hintergrundgespräche im Wechsel ganz unterschiedlicher Journalisten*nnen ganz unterschiedlich gesellschaftspolitischem Spektrum fern vom Mainstream zur Horizonterweiterung Regierungen dienen, mit ganz anderen gesellschaftspolitisch marginalisierten Themen bekannt zu machen, um nicht im Blindflug durch politische Landschaft in Deutschland, Europa, der Welt zu fliegen, u. a., wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel Menschenrechte im öffentlichen Bewusstsein zu stärken sucht, mit zivilgesellschaftlichen Dissidenten im Ausland zu sprechen wünscht

    Dass Christian Rath sich in der taz durch anmutende Art verhörender Fragen im Interview an Jost Müller-Neuhof für verschwiegene Hintergrundgespräche mit Bundeskanzlerin profiliert, dabei Phantomschmerz andeutet, falls die nun nach Gerichtsurteil in bisheriger Form ausbleiben, finde ich bemerkenswert. Bemerkenswert auch, dass sich Journalisten*nnen von Fall zu Fall offensichtlich zu solchen Hintergrundgesprächen im erlesenen Kreis zulasten Solidarität mit anderen Journalisten*nnen und Pressefreiheit gerne bitten lassen bei Regierungshäppchen exklusiv zu sich zu nehmen, gegebenenfalls verklausuliert als Eigenprodukt News zu vermarkten? Im ungünstigsten Fall von Reaktionen seitens der Regierung als Fake News dementiert werden könnten? Eingedenk CDU Innenminister Thomas de Maizières Satz „Informationen mussten vor der Öffentlichkeit von Regierungsseite zurückgehalten bleiben, denn diese hätten die Bevölkerung beunruhigen können“

  • RS
    Ria Sauter

    Solche Geheimtreffen widersprechen jeglichem demokratischem Empfinden.



    Das geht gar nicht und hinterlässt einen sehr faden Beigeschmack.