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Johnson-Nachfolge bei den ToriesZwischen Patrioten und Liberalen

Bei den britischen Konservativen laufen sich die Po­li­ti­ke­r:in­nen für Johnsons Nachfolge warm. Die Bandbreite der Kan­di­da­t:in­nen ist groß.

Boris Johnson zwischen Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid (l.) und Ex-Finanzminister Rishi Sunak Foto: Toby Melville/ap

LONDON taz | Mit der Krise um Boris Johnson stellt sich auch die Frage, wer ihm im Falle eines Rücktritts oder einer Absetzung als Premier­minister nachfolgen könnte. Als Hauptkandidat hierfür galt bislang Ex-Finanzminister Rishi Sunak. Viele Bri­t:in­nen rechnen ihm die staatlichen Hilfen hoch an, mit denen er das Land und die Menschen wirtschaftlich durch die Coronapandemie führte.

Doch zuletzt litt sein Ansehen, weil staatliche Nothilfen an viele Unternehmen ohne ausreichende Prüfung ausgezahlt wurden. Schätzungen zufolge versickerten auf diese Weise knapp 5 Milliarden Euro an Steuergeldern in fiktiven Firmen. In der Kritik stand auch Sunaks Ehefrau Akshata Murty. Sie ist Tochter einer der reichsten Milliardäre Indiens und entrichtete jahrelang wegen ihrer steuerlichen Registrierung im Ausland in Großbritannien keine Steuern. Inzwischen hat sie sich entschuldigt und Fälligkeiten nachgezahlt. Sunak gilt als konservativ und wirtschaftsliberal und wird mit der Politik niedriger Steuern in der Tradition von Margaret Thatcher in Verbindung gebracht. Er wäre der erste Premier indischer Abstammung und erste Premier of Colour in der Geschichte des Vereinigten Königreichs.

Zwei weitere Figuren, die als Nachfolger für Johnson gehandelt werden, würden mit ihren Biografien Geschichte schreiben: Nadhim Zahawi, der nun die Nachfolge Sunaks als Finanzminister angetreten hat, und Sajid Javid, der zurückgetretene Gesundheitsminister. Beide Politiker gelten als durchsetzungsstark. Zahawi mag allerdings ein paar Punkte verloren haben, weil er weiterhin treu an Johnsons Seite steht.

Tom Tugendhat, der derzeitige Vorsitzende des parlamentarischen Ausschusses für Auslandspolitik, ist ein weiterer Anwärter. Der ehemalige Oberstleutnant der britischen Territorialarmee gilt als kritische, seriöse, aber auch moderatere Stimme in konservativen Rängen, der es nicht scheute, Johnson offen zu kritisieren.

Auch erzkonservative Figuren werden gehandelt

Jeremy Hunt, der ehemalige Gesundheitsminister, der sich einst gegen Johnson um das Amt des Parteivorsitzenden bewarb, macht seit Langem keinen Hehl aus seinen Ambitionen. Hunt spricht viel von Verantwortung und darüber, dass er aus seiner Zeit als Gesundheitsminister gelernt habe. Allerdings hängt ihm der mangelhafte Zustand des britischen Gesundheitssystems nach, in dem er auch wegen fehlender Schutzkleidung für Pflegekräfte und Ärz­t:in­nen in der Kritik stand.

Ben Wallace, der derzeitige Verteidigungsminister, hat aufgrund seiner Haltung zur Nato und Ukraine großes Ansehen in konservativen Kreisen erhalten und verkörpert für Torys die ­Vision eines strategisch wichtigen Großbritanniens in der Weltpolitik.

Die derzeitige Außenministerin Liz Truss wäre eine erzkonservative Nachfolgerin Johnsons. Allerdings stand sie bisher loyal an der Seite des Premiers. Eine weitere potenzielle ­Nachfolgerin wäre die Ministerin für internationalen Handel, Penny Mordaunt, deren Vater einst im britischen Fallschirmjäger­regiment diente. Sie hatte Downing Street trotz ihrer ministeriellen Aufgabe kritisiert. Sie gilt als patriotisch-nationalistisch eingestellt.

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