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Jahresbilanz von UnicefNie lebten mehr Kinder in einem Kriegs- oder Krisengebiet

Unicef schlägt Alarm: Für fast jedes fünfte Kind war 2025 ein schlimmes Jahr – insbesondere im Gazastreifen und im Sudan, in der Ukraine und im Kongo.

Vertriebene Kinder versuchen, im Flüchtlingslager Al-Affad in der Stadt Al-Dabbah im Norden Sudans am 13. 11. 2025 ein Zelt aufzubauen Foto: Mohamed Khidir/imago

dpa/epd/kna | Im zu Ende gehenden Jahr sind nach Angaben von Unicef Deutschland so viele Kinder in Krisen- und Konfliktgebieten aufgewachsen wie nie zuvor. Fast jedes fünfte Kind weltweit sei von solchen Krisen betroffen, erklärte das UN-Kinderhilfswerk am Dienstag in Köln bei der Vorlage seiner Jahresbilanz. Das seien fast doppelt so viele wie Mitte der 1990er Jahre.

Die Vereinten Nationen stellten zudem für das Vorjahr einen Höchststand schwerer Kinderrechtsverletzungen und Angriffe auf humanitäre Helferinnen und Helfer fest: 41.370 schwere Kinderrechtsverletzungen in nur einem Jahr seien für 2024 verifiziert. „Das ist ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“ Dahinter stünden Zehntausende Kinder, die getötet, verstümmelt, von bewaffneten Gruppen rekrutiert, entführt oder Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Ihnen fehlten Bildung, Schutz, medizinische Versorgung oder humanitäre Hilfe.

Konkrete Zahlen für 2025 lägen derzeit noch nicht vor, hieß es. Fest stehe allerdings, dass dieses Jahr für Millionen Mädchen und Jungen von schweren Kinderrechtsverletzungen geprägt gewesen sei. In Krisengebieten – wie etwa im Gazastreifen, in Sudan oder in der Ukraine – seien Kinder in täglicher Lebensgefahr durch Waffen, Hunger und fehlende Grundversorgung. Laut Unicef wurden in den ersten neun Monaten dieses Jahres allein in der Demokratischen Republik Kongo über 35.000 Fälle sexualisierter Gewalt gegen Kinder registriert.

Höchststand an schweren Kinderrechtsverletzungen

„Die Kinder in den Kriegsgebieten sind weit entfernt von einer Kindheit, die diesen Namen verdient“, sagte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider. „Viele haben Depressionen, Schlafstörungen und Entwicklungsverzögerungen.“

Bei der Bekämpfung von Hunger und Mangelernährung gibt es Unicef zufolge kaum Fortschritte, vielmehr einen starken Anstieg auf dem afrikanischen Kontinent. Laut einem aktuellen UN-Bericht sind weltweit rund 43 Millionen Kinder unter fünf Jahren akut mangelernährt und 150 Millionen chronisch mangelernährt. 2025 wurde demnach erstmals innerhalb eines Jahres in zwei Gebieten – Sudan und dem Gazastreifen – eine Hungersnot bestätigt. „In beiden Fällen war sie menschengemacht, ausgelöst durch Krieg und Konflikte“, so Unicef.

In Sudan sei 2024 und 2025 in mehreren Gebieten in Darfur eine Hungersnot festgestellt worden. Im Gazastreifen wurde demnach im Sommer 2025 ebenfalls eine Hungersnot festgestellt, nachdem Krieg und Blockaden von Hilfslieferungen zu einer katastrophalen Situation geführt hätten. Mittlerweile bestehe nach neuesten Daten zwar keine Hungersnot mehr, aber die Situation bleibe so fragil, dass weiterhin 100.000 Kinder im Gazastreifen von hoher akuter Ernährungsunsicherheit betroffen seien.

Unicef-Geschäftsführer sieht „eklatantes Versagen“

Unicef warnt vor einer Verschärfung der Lage. Statt der Beseitigung von extremer Armut näherzukommen, bedrohten die weltweiten Konflikte, die Folgen des Klimawandels, die Kürzungen internationaler Hilfen und steigende Staatsverschuldungen jahrzehntelange Errungenschaften, mahnt das Hilfswerk. 417 Millionen Kinder litten mittlerweile unter schwerwiegenden Entbehrungen – etwa in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Bildung, Sanitärversorgung und Wasser.

„Hunger und Kinderarmut sind kein Schicksal wie eine Naturkatastrophe, die uns plötzlich und unvorbereitet trifft“, betonte Geschäftsführer Schneider. „Sie zeigen ein eklatantes Versagen unserer globalen Politik und unserer Gesellschaft gegenüber unseren Kindern.“

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