Italiens Rechte wettern gegen die Justiz: Im Geiste Berlusconis
Die Justiz ermittelt gegen Mitglieder der Regierung. Die geißeln das als „politische Attacke“. Wie einst Berlusconi sehen sie sich als Justizopfer.
Berlusconi ist tot, doch sein Geist lebt weiter, wie die letzten Tage zeigten: Am Donnerstag vergangener Woche spielte die Regierung den Medien eine Notiz zu, in der es hieß, „Quellen aus dem Palazzo Chigi“, dem Amt der Ministerpräsidentin, stellten sich „die legitime Frage“, ob ein Teil der Justiz beschlossen habe, „eine aktive Oppositionsrolle zu spielen und schon jetzt den Europawahlkampf zu eröffnen“.
Derzeit sind gleich zwei Regierungsmitglieder im Fadenkreuz der Justiz. Etwa die Tourismusministerin Daniela Santanchè – prominent wurde die Politikerin aus den Reihen der Partei Melonis in den letzten 20 Jahren als Hetzerin gegen den Islam, zum Beispiel als sie versuchte, muslimischen Frauen den Schleier vom Kopf zu reißen. Zugleich legte sie eine Parallelkarriere als Unternehmerin hin, war etwa Geschäftspartnerin des Sportmanagers Flavio Briatore.
Ärger hat sie aber jetzt wegen zweier anderer Unternehmen. Vor Jahren hatte sie die Firma Visibilia gegründet, die sich zunächst um die Werbeakquise für Zeitungen kümmerte und dann selbst in den Zeitschriftenmarkt einstieg, zudem hatte sie die Bio-Handelsgruppe KI übernommen. Beide Unternehmen sind mittlerweile heillos überschuldet.
Ein Staatssekretär gab geheime Akten weiter
Doch während Santanchè sich selbst und ihren aufeinanderfolgenden Lebensgefährten Managergehälter in Millionenhöhe auszahlte, wurden Lieferanten und Beschäftigte nicht bezahlt, sowie Steuerschulden nicht beglichen. Deshalb ermittelt die Mailänder Staatsanwaltschaft seit November 2022 wegen Bilanzfälschung und Bankrott gegen Santanchè.
Eine „politische Attacke“ also? In Berlusconi-Land allemal. Da interessieren nicht so sehr die Angestellten, die in einzelnen Fällen noch auf über 70.000 Euro warten, nicht die Lieferfirmen, denen Santanchè das freundliche Angebot machte, sie könne ja 20 Prozent ihrer Millionenforderungen begleichen. Da interessiert auch nicht, dass die Ministerin in Covid-Zeiten 2,7 Millionen Euro an Staatskrediten abgegriffen hatte, jetzt aber freundlich darum nachsucht, deren Rückzahlung möge ihr erlassen werden, um ihre Firmen zu retten.
Skandalös findet Italiens regierende Rechte auch die in Rom laufenden Ermittlungen gegen den Justiz-Staatssekretär Andrea Delmastro. Der hatte seinem Parteifreund bei den Fratelli d'Italia, dem Abgeordneten Giovanni Donzelli, geheime Abhörunterlagen aus dem Justizministerium zugespielt. Belauscht worden war der Besuch einiger Parlamentarier*innen der linken Oppositionspartei Partito Democratico (PD) bei dem Anarchisten Alfredo Cospito, der wegen einiger Bombenanschläge im Hochsicherheitstrakt einsitzt, unter Haftbedingungen, wie sie sonst nur Mafiabossen vorbehalten sind.
Und Donzelli hatte nichts Besseres zu tun, als die PD-Abgeordneten polemisch zu fragen, ob sie „auf Seiten des Staates oder aber auf Seiten der Terroristen“ stünden. Dass er auf ihm zugespielte Geheimakten zurückgriff, ist für die Rechte kein Thema, ganz so, als handele es sich um ein Kavaliersdelikt. Das echte Delikt begeht angeblich dagegen jener Untersuchungsrichter, der die Anklageerhebung gegen Donzellis Parteifreund Delmastro verfügt hat.
„Justiz mit dem Timer“, schreit jetzt die gesamte Rechtskoalition, angeblich sollen so die Europawahlen beeinflusst werden, auch wenn die erst in elf Monaten stattfinden. Silvio Berlusconi würde sich freuen über seine politischen Erb*innen.
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