Italiens Rechte gegen Kinderserie: Was Faschisten nervös macht

Vor den Wahlen in Italien sind sogar Kinderserien hochpolitisch. Dass bei „Peppa Pig“ homosexuelle Elternfiguren auftreten, verkraften manche nicht.

Peppa Pig Figur spaziert in einer Vorstadt

Peppa Pig spaziert durch eine Vorstadt Foto: picture alliance

Wer hätte gedacht, dass wir in Eisbär-Gestalt so gefährlich sind. Dass in der Kinderserie „Peppa Pig“ zum ersten Mal homosexuelle Elternfiguren auftreten, löste bei mir eher verhaltenen Jubel aus. Seit 18 Jahren gibt es die Serie, das sind 18 Jahre heteronormative Kleinfamilie. In der Folge „Families“, die gerade in UK ausgestrahlt wurde, hat das Eisbärmädchen Penny nun aber zwei „Mommies“, komplett mit Arbeitsteilung. Die eine ist Ärztin, die andere kocht gern Spaghetti, das Lieblingsessen ihrer Tochter, was sie wohl zur Eisbärin macht, die den Haushalt schmeißt. So weit, so klassisch.

Kurz vor den Wahlen in Italien, die die nationalistische Partei Fratelli d’Italia mit antiqueerer Politik und rassistischen Parolen gegen Sin­ti:z­ze und Rom:­nja zu gewinnen versucht, sind Kinderserien plötzlich politisch. Federico Mollicone, kulturpolitischer Sprecher der Partei, erklärte nach der britischen Ausstrahlung gegenüber der Zeitung La Stampa, diese Peppa-Pig-Folge ginge gar nicht, der öffentlich-rechtliche Sender Rai solle sie in Italien gefälligst nicht ausstrahlen.

Ganz schön cancel-ig für eine rechte Bewegung, die jede Kritik als Verbot inszeniert. Das „politisch Korrekte“ gehe auf Kosten der Steuerzahler, und warum könnten Kinder nicht einfach Kinder sein. So spulte er ab, was die Partei, die unter dem Vorsitz von Giorgia Meloni jüngst zum Scheitern des Gesetzes gegen LGBTI-Feindlichkeit und Ableismus beitrug, unter dem Banner „Schutz der Kinder“ etablieren möchte: ein Italien, in dem es keine homosexuelle Ehe oder Elternschaft gibt und dessen vermeintliche nationale Integrität mit allen Mitteln vor Wissen über Gender – so der Code für Transrechte – gerettet werden muss.

Dabei zeichnen sich die Tiere in Peppa Pig nicht gerade durch eine sonderlich vielfältige Animationspraxis aus. Von Hängebauchschweinen, Wildschweinen, Borstenschweinen keine Spur. Rosa Schweinchen sind mit rosa Schweinchen verheiratet, Hasen mit Hasen und Eisbären eben mit Eisbären. Die Papa-Tiere müssen immer ein Stückchen größer sein als die Mama-Tiere.

„Girl power“?

Auf Netflix läuft die Serie unter den Tags „kids“, „girl power“, „animals“. Wobei „girl power“ dem Muster „Mädchen als mädchenhafte Mädchen“ folgt. Tragen die Figuren weibliche Vornamen, haben sie ausnahmslos ein Kleidchen an. Das ist nicht nur langweilig, sondern unheimlich reduzierend. Als zwei Frauen erkennt man die lesbischen Eisbär-Mamas also nicht nur daran, dass Penny sie als ihre Mütter vorstellt. Sie tragen beide das obligatorische Kleid und stark betonte Wimpern.

Mit den Gender-Politiken bei Peppa müsste Meloni ihrer eigenen Logik nach eigentlich ganz zufrieden sein. Sollten zum 20. Jubiläum der Serie in zwei Jahren plötzlich Schweine Hasen daten und Papa-Wölfe in Kleidern herumhüpfen, sind wir hoffentlich dem Albtraum einer Fratelli-d’Italia-Regierung entkommen. Um es mit Peppas Dad zu sagen: Na dann schlaft mal gut, meine kleinen Schweinchen.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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