Italiens Flüchtlingspolitik: Kurzsichtiger Egoismus

Kaum ein Land geht so hart gegen Flüchtende vor wie Italien. Doch weder begrenzt es damit die Zahl der Ankommenden noch seine eigenen Probleme.

Eine Person wird in einem Hafen versorgt

Er hatte Glück, gerettet zu werden: Anlandender Migrant auf Sizilien am 13. März Foto: Antonio Parrinello/reuters

„Prima gli italiani!“ Italiener zuerst, ist seit Jahren der Schlachtruf der Postfaschistin Giorgia Meloni und auch ihres Koalitionspartners Matteo Salvini. Ginge es nach ihnen, würde sich Italien perfekt abschotten gegen die Elendsgestalten, die die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer riskieren, um nach Europa zu gelangen.

„Seeblockaden“ hatte Meloni im Wahlkampf letztes Jahr verlangt, und Salvini war mit seinem Evergreen, der Forderung nach „geschlossenen Häfen“, im Rennen. Jetzt sitzen beide gemeinsam in der Regierung und müssen sich der harten Realität stellen: der Realität, dass die Geflüchteten, ob aus Syrien, Irak, Pakistan, aus Tunesien oder den Ländern Subsahara-Afrikas, einfach weiterhin kommen.

Für Italiens Rechte ist das gegenwärtige Fluchtgeschehen ein PR-Desaster, denn ausgerechnet seit ihrem Regierungsantritt im letzten Oktober ist die Zahl der eintreffenden Menschen nach oben geschnellt. Schon diese Tatsache ist ein klares Dementi der rechten Rhetorik, wonach vor allem die in der Rettung auf dem Mittelmeer tätigen NGOs die Schuld am Zufluss trugen: Die Tätigkeit der Ret­te­r*in­nen nämlich hat sie mit schikanösen Auflagen stark eingeschränkt.

Doch Meloni macht ungerührt weiter. Jetzt geht es direkt gegen die Flüchtlinge selbst. Die Anerkennungsgründe sollen zusammengestrichen, die Unterbringungsbedingungen verschlechtert werden. Schon jetzt dürfen wir die Prognose wagen: Die Zahl der Mi­gran­t*in­nen wird dadurch nicht kleiner werden. Nur ihre Lebensbedingungen werden sich deutlich verschlechtern.

Weniger Anerkennungen bedeuten ja nicht weniger Mi­gran­t*in­nen im Land, sondern mehr, die irregulär in Italien leben, die auf den schwarzen Arbeitsmarkt oder mangels anderer Perspektiven gleich in die Kriminalität gedrängt werden. Ausgerechnet die Sicherheitsfanatiker der italienischen Rechten tun so einiges dafür, mit ihrer inhumanen Politik die Städte unsicherer zu machen.

Italien steht mit seiner Migrationsabwehr keineswegs allein in Europa: Die Bilder der letzten Jahre, aus Spaniens Afrika-Enklaven Ceuta und Melilla, aus dem französischen Calais, aus Kroatien oder von Polens Grenze zu Belarus belegen das. Meloni aber will von Immigration schier gar nichts wissen. Allerdings regiert sie das Land in Europa, das mangels Geburten am schnellsten vergreist, am schnellsten zu schrumpfen droht. Eine Antwort hierauf hat sie nicht. Nur eines weiß Meloni: Italiens Demografieproblem will sie „nicht mit Migranten“ lösen. Auch hier gilt schließlich „Italiener zuerst!“

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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