piwik no script img

Italienisches Schiff im MittelmeerSchiffbrüchige nach Libyen gebracht

Ein italienisches Schiff bringt 108 Geflüchtete nach Libyen. Italien war 2012 von einem Gericht für ein ähnliches Vergehen verurteilt worden.

Aus der Seenot gerettet – aber wieder nach Libyen gebracht Foto: reuters

Ein italienisches Schiff hat am Montag 108 Schiffbrüchige nach Libyen gebracht. Das berichten italienische Zeitungen und verschiedene Seenotrettungs-NGOs. Demnach hat das Ölversorgungsschiff „Asso Vent­otto“ die Menschen am Montag nördlich der libyschen Küstenstadt Zuwara aufgenommen. Die italienische Rettungsleitstelle MRCC habe den Kapitän angewiesen, mit der libyschen Küstenwache abzustimmen, wohin die Menschen gebracht werden sollen. Aus Schiffs-Tracking-Daten geht hervor, dass die „Asso Ventotto“ daraufhin direkt Kurs nach Libyen nahm und gegen 19 Uhr den Hafen von Tripolis erreichte.

Italien war 2012 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden, weil es im Mai 2009 eine Gruppe von 227 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea nach Libyen zurückgebracht hatte. Die Gruppe war unterwegs nach Lampedusa. Sie wurden an Bord von Marineschiffen genommen und zurück nach Libyen gebracht.

Der EGMR entschied, dass Italien damit die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt habe, weil den Flüchtlingen in Libyen unmenschliche Behandlung drohte. Weil die Schiffe unter italienischer Flagge gefahren seien, gelte die EMRK auch dort. Seitdem hat kein europäisches Schiff mehr Flüchtlinge in das nordafrikanische Land gebracht. Die „Asso Ventotto“ ist ein Präzedenzfall.

„Libyen ist kein sicherer Hafen, und dieser Akt könnte zu einer Verletzung des Völkerrechts führen“, schrieb das italienische Büro des UN-Flüchtlingswerks UNHCR am Dienstag. Die italienische Sektion von Amnesty International sprach von einer „Verletzung internationalen Rechts“.

Italiens Innenminister Matteo Salvini stritt ab, dass Italien etwas mit der Sache zu tun hatte. „Die libysche Küstenwache hat in den letzten Stunden 611 Einwanderer gerettet“, schrieb er am Dienstagmorgen auf Facebook. „Protestieren NGOs und Schmuggler verlieren ihr Geschäft? Nun, wir machen weiter so!“

Dieser Akt könnte zur Verletzung des Völkerrechts führen

UNHCR in Italien

Die italienische Küstenwache habe aber „keine dieser Operationen koordiniert und sich an ihnen nicht beteiligt“. Tatsächlich hat Italien seit Langem darauf gedrängt, dass Libyen eine eigene Rettungsleitstelle aufbaut – wohl, um sich auf genau diese Weise des Flüchtlingsproblems zu entledigen, wie nun im Fall der „Asso Ventotto“ geschehen. Libyen hatte nach einigem Hin und Her kürzlich eine Zone deklariert, in dem es selbst die Rettungskoordination übernehmen will. Es ist aber unklar, wo diese Zone genau liegen soll.

Italien hat in den letzten Wochen mehrfach versucht, die Verantwortung für Rettungsschiffe im Einsatz an die Libyer zu übergeben und so das EGMR-Urteil zu umgehen. Auch der derzeit in Malta vor Gericht stehende Kapitän des Rettungsschiffes „Lifeline“, Claus-Peter Reisch, wurde von den Italienern aufgefordert, sich mit der libyschen Leitstelle zu „koordinieren“.

Libyen hat in enger Abstimmung mit der EU vor etwa einem Jahr angefangen, Flüchtlinge auf dem Meer aufzugreifen und zurückzuholen. Dort landen sie wieder in Internierungslagern. Ein Teil der Flüchtlinge wird aber weiterhin von europäischen Schiffen aufgenommen. Italien will durchsetzen, dass auch diese nach Nordafrika zurückgebracht werden.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration erreichten im Juli dieses Jahres bislang 1.815 Flüchtlinge Italien, meist auf Marineschiffen. Zugleich wurden 157 Tote gezählt. Im Juli 2017 waren knapp 11.500 Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen, dabei waren 68 gestorben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare