Italien verschärft Flüchtlingspolitik: Planierraupen gegen Migranten

Italien geht verschärft gegen Flüchtlinge vor – per Dekret und mit aggressiven Räumungsaktionen. Doch Flüchtlingshelfer halten dagegen.

Ein Mann steht in einem Flüchtlingslager, umschwirrt von einem Schwarm Tauben

Kein entfliehen: das Lager der Hilfsgruppe Baobab wurde geräumt Foto: dpa

ROM taz | Ein Mann hält Wort. Auf Befehl des italienischen Innenministers Matteo Salvini rückten Anfang der Woche Dutzende Polizisten an, um ein Zeltlager von Migranten in Rom zu räumen. Und sie hatten schweres Gerät mitgebracht – eine Planierraupe. Es galt, gleich hinter dem Bahnhof Tiburtina 136 Flüchtlinge zu vertreiben, die sich in dem vom Verein Baobab Experience unterhaltenen Camp aufhielten.

Es galt vor allem aber auch, die Flüchtlingspolitik Salvinis, der zugleich Chef der fremdenfeindlichen Lega ist, in öffentlichkeitswirksame Bilder umzusetzen. Die Planierraupe hat es bei Salvini zum Hauptbestandteil seiner Politik gegen Migranten genauso wie gegen Roma gebracht, auch wenn sie beim Räumungstermin völlig überflüssig war.

Die Migranten wurden von den Beamten in Busse verfrachtet, zum Präsidium gefahren und dort erfasst. 42 von ihnen, vor allem Frauen mit Kindern, wurden in Unterkünften untergebracht, der Rest musste die folgende Nacht im Freien verbringen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Flüchtlinge, deren eigentliches Ziel in Ländern nördlich der Alpen liegt und die Rom deshalb nur als Durchreisestation betrachten.

Mehr als 80.000 solcher Flüchtlinge hat Baobab Experience seit 2015 betreut, wie der Koordinator, Andrea Costa, berichtet. Ursprünglich konnte der Verein, in dem zahlreiche Freiwillige unentgeltlich tätig sind, in einem Gebäude in der Nähe des Tiburtina-Bahnhofs arbeiten, das jedoch Ende 2015 geräumt wurde. Seitdem stellen die Freiwilligen den Migranten Zelte sowie Mahlzeiten zur Verfügung, beraten sie und begleiten sie zu Ärzten. Immer wieder rückte die Polizei an: Costa spricht von insgesamt 22 Räumungen, die das Camp erlebt hat, die vom Dienstag allerdings sei wohl „definitiv“.

Lega-Chef Salvini mit Spielzeugplanierraupe

Für Lega-Chef Salvini ist die Flüchtlingshilfe, wie Baobab sie betreibt, ein Unding. Auf seinem Twitter-Account postete er ein Bild seiner selbst, mit einer Spielzeugplanierraupe in der Hand, und fügte hinzu: „Rechtsfreie Zonen werden nicht mehr toleriert, das haben wir versprochen, das tun wir.“ Unter den aus den Zelten Vertriebenen fanden sich auch diverse Flüchtlinge, die schon wenige Tage zuvor Opfer Salvinis geworden waren.

Salvini hatte mit dem von der italienischen Regierung verabschiedeten Dekret „Immigration und Sicherheit“ verfügt, dass in den vom Staat finanzierten Unterkünften der „Spar“-Einrichtungen in Zukunft keine Flüchtlinge mehr unterkommen dürfen, die „nur“ humanitären Schutz genießen, nicht aber den Asylstatus etwa aufgrund politischer Verfolgung haben. Einige dieser Menschen waren deshalb im Baobab-Camp untergekommen.

Isomatten und Frühstück

„Eine Idee lässt sich nicht räumen“, verkündete Baobab in einem Tweet. Von Dienstag auf Mittwoch nächtigten etwa 80 Migranten direkt hinter dem Tiburtina-Bahnhof auf den Bürgersteigen, der Verein hatte sie mit Isomatten und Schlafsäcken versorgt und rief seine Unterstützer auf, mit Spenden für das Frühstück am Mittwoch zu sorgen. Salvinis Aktion geht gegen die Flüchtlinge – doch sie scheint auch darauf abzuzielen der Bürgermeisterin Roms, Virginia Raggi, das Leben schwer zu machen.

Obwohl sie zu den Fünf Sternen gehört, Salvinis Koalitionspartner in der nationalen Regierung. Dem Lega-Chef wird nachgesagt, dass er seine Partei auch in der Hauptstadt deutlich stärken will, um bei den nächsten Wahlen für die Lega den Bürgermeisterposten zu erobern.

Aber Raggi ging auf Distanz zur Räumung: Es sei keine ernsthafte Lösung, „alles mit der Planierraupe plattzumachen, das hat einen großen szenischen Effekt, doch in Wirklichkeit werden die Personen bloß von einem Platz auf den nächsten verschoben“.

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