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Israelsolidarischer Linker BüttnerNahost-Streit füllt das Sommerloch

Brandenburgs Antisemitismusbeauftragter Andreas Büttner wehrt sich gegen einen beantragten Partei-Ausschluss. Er wolle wie gehabt weitermachen.

Andreas Büttner, Antisemitismusbeauftragter des Landes Brandenburg Foto: dpa

Berlin taz | Wenn Andreas Büttner, Brandenburger Linker und Antisemitismusbeauftragter des Landes, auf X Stellung zu einem gegen ihn angestrengten Parteiausschlussverfahren bezieht, dann darf Pathos nicht fehlen – wie immer, wenn sich Linke über ihre Positionierung zu Nahost streiten. Da ist dann also die Rede von „keinem Zentimeter“, den er weichen werde, von „Haltung“, die man nicht aufgeben dürfe „nur weil der Preis dafür steigt“. Garniert ist der Beitrag vom Sonntag mit einem kürzlich von der Hamas veröffentlichten Bild einer israelischen Geisel.

Nun könnte man meinen, in der Linken eskaliert erneut der Streit über Nahost, trotz aller Appelle zur „radikalen Freundlichkeit“, trotz aller Bemühungen um einen humanistischen Konsens. Das allerdings stimmt nur bedingt. Denn der Ausschlussantrag, den neun unbekannte Mitglieder gegen Büttner aufgrund dessen einseitiger pro-israelischer Positionierungen gestellt haben, und der derzeit mediale Kreise zieht, ist längst bekannt. Bereits im Mai war dieser öffentlich geworden und ist seitdem im Netz auffindbar. Warum es jetzt Thema ist, mag selbst der Pressesprecher der Bundespartei nicht erklären. Womöglich „Sommerloch“, heißt es da.

Die einzige Entwicklung ist wohl, dass Büttner der Antrag erst kürzlich zugestellt wurde, was zugleich bedeutet, dass sich die Landesschiedskommission Brandenburg, die über den Ausschluss entscheiden muss, noch gar nicht damit befasst hat. Weil sich nun aber Büttner und weitere Partei-Offizielle dazu äußern, ist es eben doch ein Thema.

Die An­trag­stel­le­r:in­nen werfen Büttner vor, „erheblich gegen Grundsätze und/oder Ordnung der Partei verstoßen“ zu haben und „in seinen Argumentationen zum Teil auch das geltende Völkerrecht“ zu ignorieren. Konkret benannt werden etwa seine Legitimierung der israelischen Besatzung der Golanhöhen (Israel habe das Gebiet „annektiert – Ende der Geschichte. Der Golan gehört zu Israel“) oder seine Positionierung gegen die Anerkennung eines palästinensischen Staates („Für die Gründung eines Staates musst du eine Regierung haben, ein Staatsvolk haben und ein Staatsgebiet haben“).

Keine Selbstkritik, nirgends

Büttner hat gegen den Vorwurf, er verstoße gegen Parteibeschlüsse, etwa denjenigen, nicht mehr die IHRA-Definition zu Antisemitismus zu verwenden, wiederholt betont, als Einzelmitglied nicht daran gebunden zu sein („Der Beschluss ist für mich irrelevant“). Er dürfte damit formal recht haben. Die Frage ist eher: Ist sein Verhalten parteischädigend? Er selbst bezeichnete in einem Tagesspiegel-Interview den Antrag als „Versuch, Debatten zu unterbinden“. Rückendeckung erhielt er von Brandenburgs Landeschef Sebastian Walter.

Der bislang einzig bekannte Parteiausschluss wegen einer Nahost-Positionierung traf den Berliner Anti-Israel-Aktivisten Ramsis Kilani nach dessen Verteidigung des Hamas-Angriffs auf Israel. Zudem hatte sich der Parteivorstand im Mai von seinem Mitglied Ulrike Eifler distanziert, die eine Karte geteilt hatte, in der Israel und die palästinensischen Gebiete in den palästinensischen Farben eingefärbt waren.

Gegen den Vorstands-Beschluss kursierte dann ein Offener Brief mit scharfer Kritik am Parteivorstand. Darin hieß es: „Denn wer innerhalb der Partei wiederholt Diskursräume autoritär verengt, gefährdet nicht nur die innerparteiliche Debattenkultur, sondern stellt auch die demokratische Verfasstheit einer linken Partei in Frage.“

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27 Kommentare

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  • Ich wünsche Büttner viel Erfolg!

  • Ich habe es ja gesagt: die Entscheidung der Linken, ein bestimmtes (wissenschaftliches) Verständnis von Antisemitismus - in diesem Fall das der JDA - qua Parteitagsbeschluss zur offiziellen Parteilinie zu machen, war absoluter Käse. Warnende Stimmen wie die van Akens wurden auf dem Parteitag seinerzeit einfach vom Tisch gewischt.



    Und das fällt der Linken schon jetzt so richtig vor die Füße. Gottseidank ist gerade Sommerloch, kann man da noch sagen.



    Und ob Andreas Büttner mit seiner israelsolidarische Haltung nun richtig liegt oder nicht: natürlich darf er diese Position als Parteimitglied vertreten.

  • Allein Golan ist schon krass. Völkerrecht sollte jemand schon drauf haben, der politisch arbeiten will.

    Reicht's dabei für einen Ausschluss? Eine Distanzierung täte es wohl auch.

  • Ich frage mich, ob unsere Staatsräson nur für die Politik in Tel Aviv zählt, oder ob auch die unzähligen Jüdinnen und Juden in Israel und überall auf der Welt diesen Schutz genießen.



    Ein Großteil derer wendet sich klar gegen die israelischen Rgierungsbestrebungen.



    Geht es also wirklich um Jüdinnen und Juden oder nicht?



    Wäre interessant, wie Herr Büttner das sieht.

    • @Mark Menke:

      "Ein Großteil derer wendet sich klar gegen die israelischen Rgierungsbestrebungen."

      Da ist doch irrelevant für Ihre Frage. Warum sollte der Schutz jüdischen Lebens abhängig sein von der Positionierung eben dieses Lebens gegenüber dem Staat Israel oder seiner Regierung. Befürchten Sie das? Warum? Oder wünschen Sie das? Warum?

    • @Mark Menke:

      „Geht es also wirklich um Jüdinnen oder Jugen oder nicht?“



      In seiner Funktion als Antisemitismus-Beauftragter des Landes Brandenburg ist es vermutlich Herrn Bittners Aufgabe, jüdisches Leben zu schützen bzw. darauf zu dringen, dass Staat und Polizei das auch tun.



      Darüber hinaus entweder eine israelsolidarische oder israelkritische Position zu vertreten, ist wahrscheinlich Privatsache. Wenn er sich hierzu äußert, muss er das aber in vollem Bewusstsein der Verantwortung seines Amtes tun.



      Hier nun sehe ich zwei Standpunkte: a) das eindeutige Bekenntnis zur Verteidigung des Existenzrechts Israels gehört unzweifelhaft zu den Aufgaben eines Antisemitismus-Beauftragten, weil (aus zionistischer Sicht) die Existenz des jüdischen Staates unmittelbar mit dem Schicksal des Judentums weltweit verwoben ist.



      Oder b) die Kriegsverbrechen Israels in Gaza hierzulande unmittelbar zu einem „Aufschaukeln“ antisemitischer Straftaten führen, weshalb außenpolitisch auf die sofortige Beendigung dieses Krieges seitens Israel zu drängen ist.



      Wahrscheinlich gibt’s noch weitere mögliche Standpunkte dazu.

    • @Mark Menke:

      Es wäre mir neu, dass sich diese ominöse "Staatsräson" auf die Politik der jeweiligen israelischen Regierung bezieht. Ich dachte immer, es ging um die Existenz und den Schutz des Staates Israel.

      Für die Sicherheit der außerhalb Israels lebenden Jüdinnen und Juden sind die Regierungen der Länder zuständig, in denen diese Menschen leben. Mal abgesehen davon, dass Deutschland in den meisten Fällen gar nicht in der Lage wäre, einzugreifen, würden sich die Regierungen so etwas streng verbitten.

      Nicht zu Unrecht, denn so ein Anspruch wäre wieder ein Ausdruck der typisch deutschen Neigung, andere zu belehren, was sie zu tun und zu lassen haben.

    • @Mark Menke:

      Angesichts z. B. der Angriffe auf jüdische Studenten, z. B. in den USA oder in Berlin oder der Blockade von Schiffen, um zu verhindern, dass Israelis diese verlassen können, geht es offenkundig vielen tatsächlich um Juden als solche.



      Ich spreche vielen Demonstranten nicht ab, sich ausdrücklich gegen die israelische Regierung positionieren zu wollen, aber auch diese sind in der Pflicht, zu prüfen, wer da mit ihnen Seite an Seite demonstriert.



      Niemand sollte sich mit Islamisten und Antisemiten gemein machen, auch nicht auf Demonstrationen gegen das israelische Vorgehen in Gaza.

      • @Katharina Reichenhall:

        "... der Blockade von Schiffen, um zu verhindern, dass Israelis diese verlassen können, geht es offenkundig vielen tatsächlich um Juden als solche." Nein. Um Israelis.

        Israeli = Jude = Israeli. Geht gar nicht. Nur 74% der Israeli sind Juden. Nicht mal die Hälfte der Juden lebt in Israel. Der Unterschied zwischen Juden und Israelis ist zwingend zu machen.

        • @ecox lucius:

          Sie verharmlosen auf gefährliche Weise den antisemitischen Gehalt der beschriebenen Blockadehandlungen. Wer gezielte physische Blockaden gegen Israelis rechtfertigt oder deren antisemitischen Charakter leugnet, betreibt eine gefährliche Verwischung: Die Ablehnung richtet sich nicht „nur gegen Israelis“, sondern zielt de facto oft auf Juden – weil Israel für viele Antisemiten als Repräsentanz des Judentums steht und umgekehrt Israel für viele Juden letzter Zufluchtsort für den zunehmend grassierenden Hass ist.

          Die rhetorische Trennung zwischen „Israeli“ und „Jude“ wird hier von Ihnen instrumentalisiert, um antisemitische Motive zu verschleiern. Das ist naiv oder bewusst irreführend. Wenn Aktionen pauschal gegen Personen israelischer Staatsangehörigkeit erfolgen – unabhängig von deren politischer Haltung, Religion oder Funktion –, dann ist die Kollektivierung des jüdischen Subjekts nicht nur nicht weit, sondern gegeben.

          Antisemitismus zeigt sich häufig genau in dieser Form: als Israel-bezogene Judenfeindschaft, die sich hinter vermeintlicher Staatskritik versteckt. Wer das leugnet, verkennt die Realität moderner Judenfeindlichkeit.

          • @BrendanB:

            Es ist bemerkenswert, in welcher Weise Sie hier Kategorien wie Nation, Nationalismus, Nationalstaat im Kontext jüdischer Identität(en) diskutieren.



            Um meine Position dazu vorwegzuschicken: der einzig (moralisch wie politisch) zwingende Grund zur Implementierung eines jüdischen Nationalstaates war der in der Shoa zugrundeliegende Zivilisationsbruch der Nazis, denn - darin haben Sie ganz recht - wo sollten die Überlebenden denn sonst hin? Hinsichtlich Palästinas bestanden schon Willenserklärungen der britischen Mandatsmacht (Balfour-Declaration 1917), eine wachsende jüdische Migration in den vorangegangenen Jahrzehnten sowie der Wille der Weltgemeinschaft (insbesondere der USA), einen jüdischen Staat anzuerkennen.



            Aber sonst: was unterscheidet die zionistische Erzählung denn von anderen im 19. Jhdt. um sich greifenden Nationalismen bzw. sich etablierenden Nationalbewegungen? Ist der Zionismus nicht sogar ein Reflex/eine spezifisch jüdische Antwort (wegen der Diaspora) einerseits auf die antisemitische Repression in vielen Ländern Europas, andererseits auf die auch in anderen minoritären ethnischen Gruppen aufkommenden nationalen Freiheitsbestrebungen (z.B. in Polen, auf dem Balkan)?

            • @Abdurchdiemitte:

              Die Schoa war gewiss ein zentraler moralischer Impuls für die Gründung Israels, aber keineswegs der einzige oder allein legitime Grund. Der Zionismus entstand lange vor dem Holocaust im Kontext europäischer Nationalbewegungen und als Reaktion auf jahrhundertelange Ausgrenzung, Diskriminierung und Pogrome gegen Jüdinnen und Juden - eine Erfahrung, die sie fundamental von anderen Nationalismen unterscheidet. Es ist weder verwunderlich noch problematisch, dass die jüdische Welt Ideen ihrer Umgebung aufgreift (haben Sie damit ein Problem?) und auf ihre spezifische Geschichte anpasst (haben Sie wiederum damit ein Problem?).

              Im Gegenteil: Das Bedürfnis nach kollektiver Selbstbestimmung, das in anderen Völkern Akzeptanz fand, wurde Juden oft abgesprochen, trotz ihrer weltweit einzigartigen Erfahrung permanenter existenzieller Bedrohung. Gerade dieser Kontext macht die zionistische Bewegung zu einer spezifisch jüdischen Antwort auf universelle Fragen - nicht zur bloßen Kopie (oder damit?). Die Integration spezifisch jüdischer Erfahrungen in allgemein verbreitete Strömungen ist Ausdruck von Kreativität und Selbstbehauptung - kein Problem, sondern Ausdruck lebendiger Identität.

        • @ecox lucius:

          Ja, so die Theorie. In der Praxis werden aber seit Kriegsbeginn auch und gerade nicht-israelische Juden in allen westlichen Ländern, in denen sie leben, von Leuten, die gegen Israel bzw. Israels Politik protestieren, massiv angegriffen, bedroht oder diskriminiert, sobald erkannt wird, dass es sich um Juden handelt. Derartige Aggressionen gibt es gegen keine andere Gruppe. Niemand - und das ist auch gut so - käme auf die Idee, z. B. als Ausdruck des Protests gegen die Bombardierung von kurdisch besiedelten Gebieten durch die türkischen Streitkräfte jemanden allein deswegen anzugreifen, weil er (tatsächlich oder vermeintlich) Türke oder türkischer Abstammung ist.

  • Ich frage mich immer ernsthaft, was Menschen wie Büttner bei der Linken wollen?



    Wenn er die rechtsextreme Regierung Israels so toll findet und es klasse findet, dass in gaza Aberzehntausende Zivilisten ermordet werden und im Westjordanland Millionen durch israelische Besatzung und Siedler unterdrückt, schikaniert werden und sich ihren Lebensraum zerstören lassen müssen, dann ist er einfach in der falschen Partei.



    Die Linke steht für Solidarität mit den Schwächsten! Und zwar sowohl national wie international!

    Wenn Herr Büttner sich Rechtsextremen anbiedern möchte, und da ist es völlig irrelavant ob dies Juden sind oder nicht, dann soll er doch bitte einer entsprechenden Partei beitreten.

    • @TeeTS:

      Und ich frage mich, was Menschen bei der Linken wollen, die eine Karte Israels posten oder liken, auf der Israel nicht existiert. Wenn sich solche Leute Rechtsextremen anbiedern wollen, dann sollen sie es doch bei den entsprechenden Parteien versuchen.

  • Die Tendenz, von der Parteiführung abweichende Meinungen in dieser Art und Weise zu verfolgen, zeigt, dass es in der Linkspartei noch immer Strömungen gibt, die schwerlich mit den Grundprinzipien einer demokratischen Partei zusammenpassen.



    Man kann ja Herrn Büttner zustimmen oder seine Standpunkte ablehnen; eine Demokratie lebt von Streit und Diskussionen, aber den Versuch, legitime Meinungen in dieser Art und Weise mundtot zu machen, ist einer Partei, die sich demokratisch nennt, unwürdig.



    Da ist nun der Parteivorstand gefordert, da klar Stellung zu beziehen, ohne dass sie die Positionen Herrn Büttners übernehmen müssen.

    • @Katharina Reichenhall:

      Da stimme ich Ihnen mal zu. Die Entscheidung des Linken-Parteitages, eine bestimmte Auffassung/Definition von Antisemitismus - die zudem noch überwiegend Gegenstand wissenschaftlicher Diskurse ist - als Parteibeschluss zu implementieren, war aus meiner Sicht der helle Wahnsinn.



      Mir verschlug es seinerzeit sozusagen der Atem, als ich davon hörte, zumal ich die Linke ansonsten programmatisch auf einen guten Weg wähnte.

  • Das ist ein Sommerloch-Thema, weist aber auch darauf hin, wie Stimmungen erzeugt werden und werden können, wenn es darum geht, der LINKEN fehlende Solidarität mit dem anfangs verständlichen, letztlich aber widerlichen Kampf der Regierung Netanjahu und den Rechtsradikalen gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen und Westjordanland zu unterstellen.

    • @Max M.:

      Schon richtig, es war klar wie Kloßbrühe, dass die lieben politischen Mitbewerber versuchen würden - pikanterweise mangels nicht überzeugender eigener innen- und sozialpolitischer Alternativen - der Linken über den Antisemitismus-Vorwurf eins auszuwischen.



      Die Austrittsforderungen gegen den „eigenen“ Antisemitismus-Beauftragten passten da natürlich wie die Faust aufs Auge. Ich muss schon sagen: maximal ungeschickt, dieses Vorgehen aus den Reihen der brandenburgischen Linken.

      • @Abdurchdiemitte:

        Das Mobbing und die Austrittsforderungen gegen Büttner, den Antisemitismusbeauftragten der Linken in Brandenburg, sind keineswegs ein harmloses „Sommerloch-Thema“ oder nur „ein ungeschicktes politisches Vorgehen“. Vielmehr handelt es sich um einen schwerwiegenden Konflikt, der die Glaubwürdigkeit der Partei Die Linke im Kampf gegen Antisemitismus grundsätzlich infrage stellt. Büttner wird massiv diffamiert, unter anderem als „Zionistenschwein“ und „Kindermörder“ beschimpft, weil er eine klare Haltung gegen Antisemitismus einnimmt und Israel solidarisch verteidigt – auch wenn diese Position von manchen Parteimitgliedern als abweichend von der Parteilinie angesehen wird.



        Dass ausgerechnet der Antisemitismusbeauftragte der Linken derart angegriffen wird und gar ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn läuft, ist Ausdruck einer problematischen und widersprüchlichen Haltung innerhalb der Partei zum Thema Antisemitismus und Nahost. Dies ist ein politisch bedeutsames Thema von ernster Tragweite und kein banaler Sommerlochfüller. Ignoranz oder Bagatellisierung dieser Vorgänge verkennt die Gefahr, die von solchem Umgang mit Antisemtismus ausgeht.

  • Aus dem Wikipedia-Eintrag über Andreas Büttner: "Fast alle AfD-Abgeordneten verließen vor seiner Vereidigung (als Antisemitismusbeauftragter, Einschub von mir) aus Protest den Plenarsaal des Landtags. Anfang August 2024 kam es in Templin durch unbekannte Täter zu einem rechtsextremen Anschlag auf ein Privatfahrzeug Büttners ... ."

    Das kümmert die Linken, die den Parteiausschluss Büttners fordern, offenbar nicht. Statt antifaschistische Solidarität zu zeigen, wird, um ihn aus der Partei zu werfen, mal wieder das Völkerrecht bemüht, als sei eine linke Partei eine Art Juristenverein, der zwar gern "Systemkritik" übt, sich aber gern hinter irgendeinem angeblich unhinterfragbaren "Recht" versteckt, wenn es darum geht, politische Forderungen zu legitimieren, für die man sonst kein Argument hat. Die Forderung nach einer Rückgabe der Golanhöhen an Syrien mag man völkerrechtlich gut begründen können. Aber wieso forderten Linke zur Zeit der Herrschaft Assads, den Machtbereich dieses Schlächters und Putin-Komplizen darauf auszuweiten, und wieso fordern Linke, dem jetzigen Islamistenregime, das Alawiten, Drusen und Christen verfolgt, dieses Gebiet und seine Bevölkerung auszuliefern?

    • @Budzylein:

      Na ja, ich vermute in Ihrer letzten Frage in erster Linie eine polemische Unterstellung. Es ist ja nicht die Linke, die das Islamistenregime in Syrien hofiert … aber es wäre auch ein bisschen zu eindimensional, die derzeitigen Entwicklungen in Syrien so holzschnittartig zu analysieren, wie Sie es tun.



      Und es ist auch nicht die Linke, die angesichts der aktuellen prekären innenpolitischen Situation in Syrien vermehrte Abschiebungen syrischer Flüchtlinge dorthin fordert. Das mal nur fürs Protokoll.



      Dass in diesem Fall Solidarität mit dem Parteimitglied und Antisemitismus-Beauftragten Büttner gefordert wäre anstelle von Parteiausschlussforderungen (noch dazu aus dem „Hinterhalt“), dürfte - wie auch immer die Linke es ansonsten mit der Israel-Solidarität hält - unter uns wohl unumstritten sein.

      • @Abdurchdiemitte:

        Die Linkspartei fordert in der Tat nicht die Abschiebung syrischer Flüchtlinge nach Syrien, sondern spricht sich nach meiner Kenntnis deutlich dagegen aus, weil es in Syrien unter diesem Regime (das von Deutschland und der EU ohne Vorbedingungen finanziell gepampert worden ist) nicht sicher sei (was übrigens für die hierzulande deutlich vernehmbaren sunnitischen Anhänger Al Sharaas unter den syrischen Flüchtlingen kaum zutrifft). Aber das ist gerade der Punkt: Wer die Erweiterung des von Al Sharaa beherrschten Territoriums fordert, könnte ebenso gut (oder schlecht) fordern, dass die Bewohner des betreffenden Gebietes nach Syrien abgeschoben werden. Es bedeutet nämlich für die Sicherheit dieser Menschen keinen Unterschied, ob sie durch Gebietsrückgabe oder durch Abschiebung in den Machtbereich des Regimes geraten. Die dort lebenden Drusen, die dort schon vor der Annexion der Golanhöhen durch Israel gelebt haben, wären unter der Herrschaft Al Sharaas nicht sicher, und die jüdischen Israelis, die dorthin gezogen sind, erst recht nicht.

        • @Budzylein:

          Al Sharaa ist zwar um eine internationale Reputation Syriens bemüht (und Trump hat sie ihm ja auch voreilig erteilt), jedoch machen ihm seine eigenen Leute ständig einen Strich durch die Rechnung - er hat halt seinen eigenen Laden nicht unter Kontrolle,



          Auch unter den ethnischen und religiösen Minderheiten gärt es: diese - insbesondere die Alawiten - als reine Opfer des neuen Regimes darzustellen, greift natürlich zu kurz. Eigentlich haben wir sehr gute Analysen - z.B. auch hier in der taz - zu den Hintergründen des alawitischen Aufstandes vom Frühjahr an der Küste. Es ist eine sehr komplexe und vielschichtige Gemengelage.



          Und die Ereignisse in Suweida (die Auseinandersetzungen zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen) zeigen, dass es zunächst wohl darum ging, alte Rechnungen aus der Assad-Zeit zu begleichen - das Einschreiten der Armee und verbündeter islamistischer Milizen vollzog sich dann nur in voller Härte einzig gegen die Drusen.



          Dass nun ausgerechnet Israel dann meinte, sich als regionale Schutzmacht der Drusen in Syrien aufspielen zu müssen, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.



          Und hinsichtlich der syrischen Flüchtlinge eine etwas verquere Logik Ihrerseits, finde ich.

    • @Budzylein:

      Eine Antwort auf Ihre sehr berechtigten Fragen könnte sein, das man als Linker eben doch nicht automatisch ein klügerer und besserer Mensch ist und wird. Sondern dass auch Linke mit Vorurteilen und Engstirnigkeiten geschlagen sind, einfach, weil Menschen eben manchmal so sind.

      • @ PeWi:

        Wie beruhigend menschlich: Auch Linke sind halt fehlbar. Wie sympathisch bescheiden - vor allem, wenn sonst jede Abweichung vom moralischen Kompass sofort skandalisiert wird. Nur seltsam, dass diese Menschlichkeit so selektiv auftritt - erkennbar daran, dass ein Antisemitismusbeauftragter wegen Israelsolidarität abgestraft wird, während man gleichzeitig auf Völkerrecht pocht, als sei man auf einer UNO-Simulierung. Der Anspruch, gleichzeitig moralisches Gewissen der Republik und politischer Schutzraum für alles Diskriminierte zu sein, gerät eben ins Wanken, wenn Realpolitik und Symbolpolitik kollidieren. Da wird aus Solidarität schnell Gesinnungstüchtigkeit - aber natürlich wohlmeinend und tiefenethisch. Menschlich, gewiss. Aber von der Sorte, die das eigene moralische Hochsitzkissen stets dabeihat.

        • @BrendanB:

          Kann und will nicht widersprechen … auch wenn ich es gerne würde.😉