Israels Offensive in Gaza: Denn sie wissen nicht, wohin
Trotz Ermahnungen aus Washington setzt Israel seine Bodenoffensive im Süden Gazas fort. Das Nachsehen haben die fast zwei Millionen Binnenvertriebenen.
Die Hamas bestätigte Kämpfe mit israelischen Soldaten rund zwei Kilometer von Chan Yunis entfernt. Israel vermutet im Süden die Verstecke der 137 nach der Feuerpause verbliebenen Geiseln sowie der Hamas-Führung um Jahia Sinwar. Ebenfalls dorthin geflohen ist jedoch auch der Großteil der mehr als zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens.
Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium meldete allein am Wochenende mehr als 300 Tote. Es seien die „schlimmsten Bombardierungen des Krieges im Süden des Gazastreifens“, sagte der Sprecher des UN-Kinderhilfswerks Unicef, James Elder, in einem Video bei X (vormals Twitter). In Teilen von Chan Yunis waren die Bewohner erneut mit Flugblättern aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen. Sie sollten sich nach Rafah oder in Richtung Küste begeben.
Viele sind erst vor Kurzem aus dem Norden geflohen und wissen im überfüllten Süden nicht, wohin sie nun gehen sollen. Das Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) zählt drei Viertel der Menschen in Gaza, rund 1,8 Millionen Menschen, als Binnenvertriebene. Laut der UNO leben in ihren Auffanglagern derzeit viermal so viele Menschen wie vorgesehen. Seit der Wiederaufnahme der Kämpfe kommen täglich laut israelischen Medienberichten zwischen 150 und 200 Lastwagen mit Hilfslieferungen nach Gaza, darunter zwei mit Treibstoff.
„Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden“
„Zu viele unschuldige Palästinenser sind getötet worden“, sagte US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Rande der UN-Klimakonferenz in Dubai und forderte Israel erneut zum Schutz der Zivilbevölkerung auf. Entgegen dieser wachsenden internationalen Kritik sagte Israels Regierungssprecher Eylon Levy am Montag, die Armee tue „alles, um zivile Opfer zu vermeiden“. Eine am Freitag veröffentlichte Karte von Gaza teilt das Gebiet in 620 einzelne Zonen. Die Bewohner dieser Bereiche würden nun gezielt vor einer Ausweitung der Kämpfe zur Flucht aufgefordert. Zudem habe Israel spezielle „sichere Zonen“ ausgewiesen.
Das von Israel als sicher ausgewiesene Gebiet an der Küste um den Ort Al-Mawasi haben UN- und Hilfsorganisationen in der Vergangenheit wiederholt als zu klein und nicht für die Aufnahme von Geflüchteten ausgelegt bezeichnet. Es gebe dort keine Infrastruktur, um die Menschen zu versorgen. Israels Armeesprecher Jonathan Conricus räumte am Montag ein, dass die Bedingungen für die Menschen in dem Palästinensergebiet „hart“ seien. Das israelische Militär sei sich „durchaus bewusst, dass der Platz und der Zugang begrenzt“ seien, sagte Conricus. Eine dauerhafte Vertreibung der Zivilbevölkerung solle es nicht geben, fügte er hinzu.
Anders hatte sich Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich Anfang November geäußert. „Ich begrüße die freiwillige Auswanderung der Araber aus Gaza in Länder weltweit“, sagte er mit Blick auf einen entsprechenden Beitrag zweier Knessetabgeordneter im Wall Street Journal. Diese hatten westliche Staaten aufgerufen, sie sollten Familien aus Gaza aufnehmen, die das Gebiet verlassen wollten.
Im amtierenden Kriegskabinett des Landes ist der Einfluss der Extremrechten zwar beschränkt, doch auch Regierungschef Benjamin Netanjahu ist bisher kaum auf die internationalen Forderungen nach Mäßigung eingegangen. Der Kampf gegen die Hamas solle bis zum Sieg geführt werden, sagte er am Wochenende. Während die US-Regierung mit Blick auf die Nachkriegszeit regelmäßig eine Einbindung der Palästinensischen Autonomiebehörde und Verhandlungen für eine Zweistaatenlösung fordert, kritisierte Netanjahu diese für „Terrorfinanzierung“.
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