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Israelisches Antikriegsdrama „Foxtrot“Tora versus Playboy

Von der israelischen Kulturministerin kritisiert, vom Publikum geliebt: Die Tragikomödie „Foxtrot“ ist ein kleines, brisantes Meisterwerk.

Sohn Jonathan (Yonaton Shiray) hockt an einem verlorenen Grenzposten Foto: NFP/Giora Bejach

Berlin taz | Feldmanns Ehefrau (Sarah Adler) öffnet zwei Soldaten die Tür – und bricht zusammen. Direkt vor dem abstrakten, schwarz-weißen Bild, das den Flur des schnieken Feldmann-Apartments ziert, liegt sie zuckend am Boden. Denn Soldaten an der Tür können nur eines bedeuten: Dass Sohn Jonathan, ebenfalls Militärmitglied, im Einsatz gefallen ist.

Feldmann selbst (Lior Ashkenazi), ein graumelierter, distinguierter und nun schockierter Architekt, ist also mit seiner Trauer fürs Erste allein, denn die Soldaten verpassen seiner Frau schnell eine Beruhigungsspritze. Und warten mit cleveren Tipps für die Hinterbliebenen auf, „es ist wichtig, dass Sie viel trinken“, mahnen sie, „und bei Ohrensausen sollten Sie Tabletten nehmen“. Der Bestattungsoffizier komme am Nachmittag, um den Ablauf, die erforderlichen Zeremonien durchzugehen.

Auch der Hund merkt etwas. Es ist ein großes Tier, ein treuer Gefährte, einer, der die Stimmung seines Herrchens wittern kann. Feldmann sitzt also neben seiner sedierten Frau auf dem Bett, der Hund nähert sich vorsichtig und legt ihm seine Schnauze auf den Schoß. Feldmann reagiert mit Gewalt, schlägt den Hund, der sich verwundert trollt. Danach richtet sich Feldmanns Zorn und Verständnislosigkeit gegen sich selbst: Er verbrennt sich die Hand an heißem Wasser. Als eine Art sinnloser, aber verständlicher Gegenschmerz.

Samuel Maoz’ Antikriegsdrama „Foxtrot“, das im letzten Jahr den Großen Preis der Jury in Venedig gewann, verspricht in seiner Exposition einen Trauerbewältigungskurs. Doch er hält es nicht ein: Säuberlich getrennt beginnt nach über einer halben Stunde, während die Kamera langsam rückwärts vom telefonierenden Feldmann wegfährt, ein neues Kapitel, eine zweite Geschichte, mit anderen Protagonisten, namentlich Feldmanns Sohn Jonathan (Yonaton Shiray). Der ist nämlich doch nicht tot, die gesamte Geschichte inklusive Bestattungszeremoniebesprechung und dämlichen Hinterbliebe­nen­tipps war ein bedauerlicher Fehler, eine Namensverwechselung.

Der Tanz mit dem Maschinengewehr

Jonathan hockt die ganze Zeit an einem verlorenen Grenzposten und bewacht mit drei Kollegen die Grenzen Israels. Schreitet majestätisch ein Kamel vorbei, öffnen sie die Schranke. Nähert sich ein Auto, überprüfen sie an einem uralten Computer die Personalien der Insassen. Den Rest der Zeit hängen sie herum, hören Musik, spielen Computerspiele, mopsen sich und konstatieren mithilfe einer rollenden Fleischdose lakonisch, wie die Baracke langsam von der Waagerechten in die Schräge kippt, weil sie im Matsch versinkt. Jonathan wagt sogar ein Tänzchen, mitsamt Maschinengewehr, mitten in der Wüste. Ein Foxtrott ist das, was der junge Mann da tanzt, während ein Mambo läuft, allerdings nicht.

Der Film

„Foxtrot“, Regie: Samuel Maoz. Mit Lior Ashkenazi, Sarah Adler u. a. Israel/Deutschland/Frankreich/Schweiz 2017, 108 Min., ab 12. Juli 2018

Den Trott, der im deutschen Wort „Foxtrott“ steckt, den findet man aber. Denn Maoz inszeniert in überraschenden Bildern und Handlungssträngen – es wird noch Tote geben, Unschuldige natürlich, jede Menge sogar – die Sinnlosigkeit, die Formelhaftigkeit, das Festgefahrene der Institution Militär. In komplexen Tableaus stellt er Fragen nach dem territorialen Selbstverständnis Israels. Und beschmutzt, so sah es jedenfalls die israelische Kulturministerin Miri Regev, die den Film kritisierte, ohne ihn gesehen zu haben, damit den Namen der „Israel Defence Forces IDF“. Vielleicht, weil alle von Maoz erdachten Figuren aus unterschiedlichen Gründen traumatisiert sind: Die Soldaten genauso wie ihre Angehörigen, die einen durch den Auftrag mit all seinen Reglements, die anderen, zum Beispiel, durch den Holocaust.

Eine der eindrücklichsten Anekdoten, die Maoz als Bindeglied zwischen den Teilen seines inhaltlich, strukturell, schauspielerisch und sogar musikalisch außergewöhnlichen Films eingebaut hat, ist die der besonderen Playboyausgabe aus den 70er Jahren, die einem der Protagonisten wichtiger ist als eine Tora, die sich seit Jahrzehnten im Familienbesitz befindet. Tora versus Playboy – das allein könnte schon für Empörungen reichen.

Das Ende von Maoz’ Film, an dem viele der Sinn- und Motivkurven zusammenlaufen, tut ein Übriges, um aus dem Werk ein kleines, brisantes Meisterwerk zu machen. Eine tragikomische Aussage über eine Nation, die immer noch viel zu bewältigen hat, immer noch an Vergangenheit und Gegenwart knabbert, immer noch leidet, immer noch die Ab- und Versicherung von Grenzen braucht. Das Gespräch darüber auf eine so undogmatische und sinnliche Art und Weise zu eröffnen, das ist Maoz’ großer Verdienst.

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5 Kommentare

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  • Danke für den Filmtip, hört sich interessant an.

  • Samuel Maoz war einer der ersten Israelis, die mit ihrem Merkava Panzern 1982 die Grenze zum Libanon überschritten.

    Miri Regev hat nie an Kämpfen teilgenommen oder war teil einer Kampfeinheit, die war als erstes bei der Gadna Ausbildung, dann Sprecherin der IDF als erstes im Südlichen Bezirk und dann der IDF.

    Schön wenn solche Leute aufgrund ihrer reichhaltigen Erfahrung andere Leute die dabei waren kritisieren.

    • @Sven Günther:

      Sie schreiben Samuel Maoz war einer der ersten die mit Panzern auf einen andere Staat losgingen. Er könne quasi darauf stolz sein. Ich sehe das anders.



      Beim Menschenermorden dabei gewesen zu sein, ist sicher kein Ruhmesblatt, sondern eher eine menschliche Tragödie.

      • @Nico Frank:

        Lesen Sie eigentlich die Artikel bevor Sie kommentieren?

        "Und beschmutzt, so sah es jedenfalls die israelische Kulturministerin Miri Regev, die den Film kritisierte, ohne ihn gesehen zu haben, damit den Namen der Israel Defence Forces IDF“

        So steht es im Artikel. Nun schreibe ich, Maoz war mit der IDF im Krieg im Libanon und Regev war noch nie mit der IDF im Einsatz. Und das Regev damit wahrlich nicht qualifiziert ist, Maoz Beschreibung der IDF zu kritisieren.

        Wo zum Teufel steht da irgendwas von, könne stolz drauf sein?

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Sven Günther:

          Das ist ein antizionistischer Affekt, er kann gar nicht anders. Inhalte sind dabei nicht so wichtig.

          Der Herr hat mir auf ein Posting, in dem ich die schräge Architektur der Resolutionen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen (ca. 60 Resolutionen gegen Israel und ca. 50 gegen alle anderen Länder in 10 Jahren) dargestellt hatte, geantwortet, Israel sei eben bei den Menschrechten der schlimmste Staat der Welt.

          Was soll man da noch sagen?