Israel-Palästina-Konflikt: Raketen auf Gaza, Hamas in Deckung

Bei einer israelischen Militäraktion gegen den Islamischen Dschihad sterben in Gaza 30 Menschen. Es sind die schwersten Kämpfe seit einem Jahr.

Am 07. August in Rafah in Gaza: Ruinen des Gebäudes, in dem der Anführer der PIJ getötet wurde Foto: Fatima Shbair/ap

TEL AVIV taz | Im Rahmen der Militäraktion „Morgengrauen“ fliegt Israel seit Freitag Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen. Dabei wurden zwei ranghohe Militärs des Islamischen Dschihad getötet: Am Sonntag Khaled Mansour, der den Süden Gazas anführte, und bereits am Freitag Taisir al-Jabari, Kommandant des nördlichen Gazastreifens. Der Islamische Dschihad ist nach der im Gazastreifen herrschenden Hamas die zweitstärkste militante Gruppe in den Palästinensergebieten. Insgesamt seien rund 140 Ziele des Islamischen Dschihad in der Küstenenklave angegriffen worden. Darunter war auch ein Tunnel, von dem aus die Organisation Angriffe durchführt, außerdem Beobachtungsposten und militärische Einrichtungen.

Kurz nach der Beerdigung al-Jabaris am Freitagabend antwortete der Islamische Dschihad mit massivem Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet. Besonders der Süden Israels wurde beschossen, doch auch in Tel Aviv und in Jerusalem tönte der Luftalarm. Mehr als 500 Raketen seien bislang laut israelischem Militär abgeschossen worden, ein Großteil von ihnen wurde vom israelischen Abwehrsystem Eiserne Kuppel abgefangen.

Auf israelischer Seite gab es laut dem israelischen Rettungsdienst bisher 15 Verletzte. Das Gesundheitsministerium in Gaza meldete, dass 31 Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen bei den Angriffen getötet worden sind, unter ihnen sechs Kinder. Mehr als 260 Personen seien verletzt worden. Laut dem israelischen Militär sind allerdings 120 der abgeschossenen Raketen des Islamischen Dschihad im Gazastreifen gelandet und hätten dort mindestens sieben Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen getötet.

Anders als im vergangenen Jahr waren in dieser Runde nicht Auseinandersetzungen um den Tempelberg und Jerusalem die Auslöser. Im vergangenen Mai hatte ein für viele Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen provokanter Flaggenmarsch von ul­trazionistischen Israelis rund um die Altstadt Jerusalems, auch durch das arabische Viertel, einen elftägigen Krieg losgetreten. Diesmal war stattdessen die Festnahme eines ranghohen Kommandanten des Islamischen Dschihad im Westjordanland, Bassam al-Saadi, durch das israelische Militär der Auslöser.

Der von den USA und der EU als Terrororganisation bezeichnete Islamische Dschihad hatte mit Vergeltung gedroht. Das israelische Militär sprach von einem Präventivschlag, und Ministerpräsident Yair Lapid von „konkreten Bedrohungen“ an der Grenze zum Gazastreifen: „Die israelische Regierung wird es Terrororganisationen nicht erlauben, die Agenda in den Ortschaften am Rande des Gaza­streifens zu bestimmen und israelische Bürger zu bedrohen. Wer Israel angreifen will, muss wissen, dass wir zu ihm gelangen werden.“

Am 07. August in Ashkelon im Süden Israels: Be­woh­ne­r:in­nen harren in einem Bunker aus Foto: Tsafrir Abayov/ap

Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, hält sich in dieser Runde der Eskalation auffällig zurück. „Hamas dürfte aus dieser Runde als der große Gewinner hervorgehen“, meint Roni Shaked, Nahostexperte am Harry-S.-Truman-Institut für Friedensentwicklung in Jerusalem: „Gerade indem sie nicht mit einsteigt.“ Die palästinensische Zivilbevölkerung habe kein Interesse daran, in einen weiteren Krieg gezogen zu werden, so der Experte.

Die Hamas ist nach dem vergangenen Krieg im Mai 2021 noch dabei, den Gazastreifen wieder aufzubauen. Dies aufs Spiel zu setzen, dürfte die ohnehin wackelige Beliebtheit der militanten Organisation erheblich mindern. Auch den Vorstoß der israelischen Regierung, die Anzahl der Arbeitserlaubnisse für Be­woh­ne­r:in­nen des Gazastreifens in Israel auf 14.000 anzuheben, wollen sie sich wohl nicht verspielen. Denn für den von Israel abgeriegelten Gazastreifen, in dem eine Arbeitslosigkeit von fast 50 Prozent herrscht, machen diese Arbeitsvisa einen großen Unterschied.

Die israelischen Einreisegenehmigungen ermöglichen es den Menschen aus dem Gazastreifen, in Israel Arbeit zu suchen, wo sie in landwirtschaftlichen Betrieben und auf Baustellen weitaus höhere Löhne als in Gaza erhalten. Doch nicht nur die Ga­za­ne­r:in­nen dürften der Hamas hoch anrechnen, sich nicht zu beteiligen. Auch im Verhältnis zu Israel gewinnt die Hamas mit ihrer Zurückhaltung an Einfluss – und Legitimität.

Ägypten als Vermittler

Zu Redaktionsschluss hieß es, Israel und militante Palästinenser haben sich ägyptischen Sicherheitskreisen zufolge nach tagelangen schweren Kämpfen im Gazastreifen auf eine Waffenruhe geeinigt. Diese solle ab Sonntagabend in Kraft treten, sagte ein Vertreter des ägyptischen Sicherheitsapparates der Nachrichtenagentur Reuters. Sprecher der israelischen Regierung und des Islamischen Dschihad bestätigten dies zunächst nicht.

Man stehe lediglich in Kontakt mit Kairo, hieß es. Ägyptische Vermittler hatten einen Waffenstillstand vorgeschlagen. Ein Waffenstillstand würde ermöglichen, dass Kraftstoff in den abgeriegelten Gazastreifen gelangen kann. Die Elektrizitätsversorgung sei laut Medienangaben zuletzt von 12 Stunden pro Tag auf 4 Stunden gesunken.

Die israelischen Luftangriffe im Gazastreifen sollen am Montag auch den UNO-Sicherheitsrat in New York beschäftigen. Das Treffen soll hinter verschlossenen Türen stattfinden.

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