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Islamwissenschaftlerin über Demo in Köln„Die Verbrecher gehören geächtet“

Der Friedensmarsch soll ein klares Bekenntnis zu einer offenen und pluralistischen Gesellschaft sein. Das sagt die Initiatorin Lamya Kaddor.

Der Ramadan ist nicht nur zum Beten da. Viele Muslime demonstrieren am Samtag gegen Terror Foto: dpa
Pascal Beucker
Interview von Pascal Beucker

taz: Frau Kaddor, was hat Sie dazu gebracht, für diesen Samstag zu einem „Ramadan-Friedensmarsch“ in Köln aufzurufen?

Lamya Kaddor: Der Auslöser waren die letzten islamistisch begründeten Anschläge, die wir erlebt haben. Das hat für mich und meinen Mitstreiter Tarek Mohamad das Fass zum Überlaufen gebracht. Selbstverständlich sind alle Anschläge abscheulich und widerwärtig. Aber gerade die Tatsache, dass in Manchester erstmals Kinder und Jugendliche die Ziele waren, hat mich persönlich tief erschüttert. Das war für mich noch einmal eine neue Dimension des Schreckens. Das war der letzte Tropfen. Ich bin ja selber Mutter. Tarek und ich wollen diesen Verbrechern endlich auch lautstark zurufen: Hört auf mit dem Morden!

Was erhoffen Sie sich von der Demonstration?

Es geht uns um ein klares Bekenntnis zu unserer offenen und pluralistischen Gesellschaft. Wir haben zunehmend das Gefühl, dass sich unsere Gesellschaft immer weiter spalten lässt durch Extremisten. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Wenn wir uns schon – berechtigterweise – darüber beschweren, dass dauernd nur über Muslime statt mit Muslimen gesprochen wird, dann wäre es jetzt mal an der Zeit, deutlich zu zeigen, wo wir denn stehen: nämlich in der Mitte der Gesamtgesellschaft, nicht am Rand. Dazu gehört eine eindeutige Verurteilung des Terrorismus. Es wäre falsch, zu bestreiten, dass es etwas mit dem Islam zu tun hat, wenn sich Menschen in seinem Namen in die Luft sprengen und andere töten. Aber ich spreche den Terroristen trotzdem das Muslimsein ab. Sie haben nichts vom Islam begriffen. Diese Verbrecher gehören geächtet.

Wie ist bisher die Resonanz auf Ihre Initiative?

Unser Unterstützerbündnis ist in seiner Breite gewaltig. Das hätten wir nie zu träumen gewagt. Selbst das Ausland ist inzwischen interessiert. Aber natürlich gibt es auch Menschen und Gruppen, die ein Haar in der Suppe suchen. Das macht es zwar etwas anstrengend, aber das bin ich gewohnt.

Das dürfte auf die Ditib abzielen. Die größte muslimische Organisation in Deutschland hat sich scharf distanziert. Sind sie überrascht?

Die Reaktion des Ditib-Vorstands überrascht mich nicht, aber sie enttäuscht mich. Ich habe mich die gesamte vergangene Woche im telefonischen Kontakt zum Ditib-Vorstand gestanden. Am Anfang wurde mir signalisiert, dass er wirklich über eine Unterstützung nachdenkt. Jetzt hat er sich mit einer wüsten Erklärung dagegen entschieden. Das ist schon bitter – vor allem allerdings für den Ditib-Vorstand. Da wurde eine Riesenchance vertan. Wir wenden uns nun aber an jedes einzelne Mitglied mit unserem Aufruf. Ich weiß, dass viele Ditib-Mitglieder am Samstag trotzdem kommen wollen, egal was ihre Spitze da sagt. Selbst der Generalsekretär der Ditib, Bekir Alboga, hatte öffentlich schon Sympathie für unser Anliegen bekundet.

dpa
Im Interview: Lamya Kaddor

Die Islamwissenschaftlerin wurde 1978 in Ahlen als Tochter syrischer Einwanderer geboren. Sie ist im Vorstand des Liberal-Islamischen Bundes.

Die Ditib kritisiert unter anderem, es sei den fastenden Muslimen nicht zumutbar ist, stundenlang in der prallen Mittagssonne zu marschieren. Ist das nicht ein berechtigter Einwand?

Nein, überhaupt nicht. Der heilige Monat des Ramadan ist nicht dafür da, um uns zurückzulehnen und auszuruhen. Wer glaubt, beim Ramadan ginge es darum, nichts mehr zu tun, hat irgendetwas falsch verstanden. Das ist absurd. Das Argument lasse ich nicht gelten. Außerdem: bei wie viel Grad Tagestemperatur fastet man in wohl Mekka?

Mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnen Sie?

Ich habe keine Ahnung, wie viele es werden. Ich habe so etwas noch nie organisiert. Wir hoffen auf Tausende. Dieses Zeichen ist so wichtig.

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18 Kommentare

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  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Fünfhundert Leute, darunter nicht wenige Nicht-Muslime. Kann man bedauern.

     

    Beim Nachdenken ist aber Folgendes herausgekommen:

     

    Wenn mich jemand nachhaltig nötigen würde auf eine Demo zu gehen, für welche gute Sache auch immer, hat damit entgegen seiner Absicht viel getan, um mich eher davon abzuhalten.

    Wenn jedoch wie es scheint auch noch eine ganze Population meint, ich hätte mich unbedingt auf einer Demo sehen zu lassen, ist praktisch schon sicher, dass ich ihr fernbleibe. Denn zur Meinungsbekundung pressen lasse ich mich nicht.

     

    Das nur mal so als Gedankensplitter und ganz ohne weitere Überlegungen à la: 'Welche Verantwortung trage ich eigentlich als Zugehöriger einer Gruppe'

    • @61321 (Profil gelöscht):

      Ja, ich bin zum gleichen Ergebnis gekommen.

       

      Denn wenn ich nicht mehr entscheiden darf, ob oder ob ich nicht zu einer Demo gehe, weil meine An- bzw. Abwesenheit automatisch einem Statement, einer bestimmten Haltung zugeordnet wird, die entweder goutiert oder verurteilt wird, dann ist darf ich sozusagen meine Entscheidung nicht mehr autonom, geschweige denn authentisch wählen.

       

      Damit ist aber auch meine Meinung als Individuum gar nicht mehr wichtig. Wichtig allein ist, wie die vermeintliche "Gruppe" agiert.

       

      Für mich entspricht aber genau das dem, wogegen sich diese Demo richtet.

       

      Mit dem Hinweis auf die Zahl 500 wurde ich gefragt: "Was glauben Sie hinter welchem Islam die Mehrheit steht?"

       

      Was für eine Bestätigung... .

      • @Lesebrille:

        Dann ist der Anteil an individualistischen Paradiesvögeln, die unter Erwartungsdruck so schnell bockig werden wie Sie, bei den deutschen Muslimen augescheinlich sehr hoch. Gut dass es Ditib gibt, der auch die Eigenarten und Launen von solch spleenigen Eigenbrötlern noch zu verteidigen vermag.

  • Hey

    und im Übrigen wäre es mal eine Maßnahme sich einige der Dabke-Videos auf youtube anzuschauen:

    z.B. von

    Hadeel Nasser_ مدرسة مار يوسف 2016 - فوج 64 https://www.youtube.com/watch?v=dpqbw-eU6UU

     

    Dabke ist ein Gruppen- oder Volkstanz in arabischen Ländern, im Mashrek. wie getanzt wird variiert nach Tanzschritten und Ablauf und Ort, Vorführung.

    Ich fühle mich an kurdische Tänze und Musik erinnert, aber auch arabische Popmusik.

    Es heißt Dabke habe kanaanitische oder phoenizische Ursprünge.

    Auf jeden Fall tanzen alle möglichen arabischen Leute, jung und alt, männlich und weiblich, meist unverschleiert, und feiern - privates, öffentliches, die Nation Filistin, oder den Protest in Syrien.

    Ist also nicht alles so religiös oder streng dirigiert und befohlen wie die wollen, die ständig in den Mittelpunkt rücken.

    • @nzuli sana:

      ich meinte diesen: https://www.youtube.com/watch?v=tZcuhZa0rns

      • @nzuli sana:

        Diese Art des Tanzens ist noch weiter verbreitet. War letzte Woche auf einem Kurs "griechischer Volkstanz", speziell aus dem Dreiländereck Türkei-Griechenland-Bulgarien. Haben Sehr ähnliche Tänze wie der Dabke.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @nzuli sana:

        Prima, die schwitzen auch nicht mehr als Cem Ö. beim Reden halten. Und die ganz coolen behalten natürlich ihr Jackett an!

  • Alles Gute Frau Kaddor !

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    "Sie haben nichts vom Islam begriffen."

     

    IS-Leute werden genau das gleiche von Frau Kaddor sagen.

    Ich wünsche ihr natürlich trotzdem dass viele kommen zum Friedensmarsch.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      500 sind gekommen. An einem Samstag.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      IS hat soviel mit Islam zu tun, wie IRA mit dem Katholizismus :)

      • @Tino Trivino:

        Ohne katholisch zu sein, sehe ich deutliche Unterschiede. Die IRA ist eine nationalistische Organisation. Deshalb heißt sie ja auch Irisch-republikanische Armee. Sonst würde sie sich ja KA nennen- Katholische Armee.

         

        Das Selbstverständnis des IS ist hingegen, dass er den "wahren" Islam Mohammeds umsetzen will. So ein bisschen Zusammennhang zum Islam scheint also schon da zu sein.

        Mir ist neu, dass die IRA das wahre Christentum wiederbeleben will.

      • @Tino Trivino:

        Können sie das begründen?

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @Tino Trivino:

        Was nicht verwunderlich ist. Die IRA strebte nicht die Vorherrschaft der Katholen an, sondern den Rauswurf der Kolonialmacht.

      • @Tino Trivino:

        Es ist immer schön, wenn Nicht- oder Andersgläubige Gläubigen sagen, wie sie ihre Religion zu verstehen haben.

         

        Das gilt für alle Religionen.

  • Na hoffentlich kommen da viele, sonst wird das von den Medien nachher so abgebildet, dass die 'Muslime' diese Position nicht mittragen wollen.

    • @Andreas_2020:

      Etwa 500 Demonstranten sollen dort sein. Von 10.000 angemeldeten.

    • @Andreas_2020:

      Wäre das Bild denn so falsch?