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Islamistin ließ Mädchen verdurstenZehn Jahre Haft für IS-Rückkehrerin

Jennifer W. sah im Irak tatenlos zu, wie ein jesidisches Mädchen angekettet verdurstete. Nun verurteilte sie das Oberlandesgericht München zu zehn Jahren Haft.

Ist nun zu zehn Jahren Haft verurteilt worden: Jennifer W., die sich im Irak dem IS anschloss Foto: Peter Kneffel/dpa

München afp/dpa | Das Oberlandesgericht München hat die IS-Rückkehrerin Jennifer W. zu zehn Jahren Haft verurteilt. Das Urteil erging am Montag nach rund zweieinhalbjährigem Prozess wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Fall eines versklavten und getöteten Kinds.

Dabei ging es um den Fall eines fünf Jahre alten jesidischen Mädchens, das laut Anklage in einem Hof angekettet wurde. Die junge Frau aus Lohne in Niedersachsen hatte es zusammen mit ihrem Mann, einem in Frankfurt am Main vor Gericht stehenden IS-Kämpfer, verdursten lassen.

Mitte September hatte die Bundesanwaltschaft eine lebenslange Haftstrafe für Jennifer W. gefordert. Sie sei unter anderem der Versklavung mit Todesfolge, der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Kriegsverbrechen schuldig.

Ihre Verteidigung forderte dagegen eine maximal zweijährige Haftstrafe. Die 30-Jährige dürfe lediglich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt werden.

Die Angeklagte sieht sich als Justizopfer

Jennifer W. selbst erhob Vorwürfe gegen die Justiz. „Der vielzitierte Satz ‚Im Zweifel für den Angeklagten‘ kam in meinem Fall nicht zum Tragen“, sagte sie in ihrem Schlusswort vor Gericht. An ihr solle offenbar ein Exempel statuiert werden für alles Unrecht, das unter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) geschehen sei.

Sie war nach eigener Aussage im Jahr 2014 in den Irak gereist, um dort aus ideologischer Überzeugung einen IS-Kämpfer zu heiraten. Im Sommer 2015 soll dann ihr Ehemann das jesidische Mädchen zur Strafe fürs Bettnässen an einem Fenstergitter angebunden haben. Dort blieb die Fünfjährige für mehrere Stunden in praller Sonne. Eine quälende Tortur, die laut Anklage zum Tode führte – und gegen die Jennifer W. nichts unternommen haben soll.

Die Niedersächsin entschuldigte sich in ihrem letzten Wort vor Gericht und verwies auf ihren Ex-Mann. Sie habe den Handlungen des Mannes machtlos gegenübergestanden und das Mädchen nicht einfach losbinden können.

Eine prominente Nebenklageanwältin: Amal Clooney

Der Prozess gegen Jennifer W. hatte im April 2019 Schlagzeilen gemacht, auch weil eine äußerst prominente Anwältin anfangs eine zentrale Rolle spielte: die Menschenrechtsexpertin und Ehefrau des Schauspielers George Clooney, Amal Clooney, die die Nebenklägerin und Mutter des getöteten Mädchens vertritt, vor Gericht in München aber nie erschien. Vor dem Prozess ließ sie in einer gemeinsamen Erklärung der Nebenklage und der jesidischen Organisation Yazda verlauten: „Jesidische Opfer warten schon viel zu lange auf ihre Gelegenheit, vor Gericht auszusagen.“

Nach Yazda-Angaben war der Münchner Prozess seinerzeit die weltweit erste Anklage wegen Straftaten von IS-Mitgliedern gegen die religiöse Minderheit der Jesiden. Die Jesidin und Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad nannte den Prozess einen großen Moment und ein wichtiges Verfahren für alle jesidischen Überlebenden. „Jeder Überlebende, mit dem ich gesprochen habe, wartet auf ein und dieselbe Sache: Dass die Täter für ihre Taten gegen die Jesiden, insbesondere gegen Frauen und Kinder, verfolgt und vor Gericht gestellt werden.“

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9 Kommentare

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  • Es ist gut, dass diese Tat oder Tatbeteiligung hart bestraft wird. 10 Jahre sind in Deutschland eine Hausnummer, die nicht so oft bei Ersttätern vergeben wird. Das Urteil ist auch ein Zeichen für alle Unterstützer von Bedingungslosigkeit der Einwanderung und Rückkehr aus Kriegsgebieten: man muss genau hinschauen, wer da kommt oder zurückkommt. Die Einlassungen der Rückkehrer oder Geflüchteten sind da kritisch zu betrachten.

  • RS
    Ria Sauter

    10 Jahre für die Ermordung eines Kindes? Die Mittäterin sieht sich noch als Opfer.



    Lebenslang, wäre richtig gewesen.

    • @Ria Sauter:

      In Deutschland wandert man auch gern mal für Bankraub oder Drogenhandel 10 Jahre ins Gefängnis.



      Versklavung, Folter, Mord und Terror ist dem Gericht nicht mehr wert....



      Wie wohlwollend das Gericht der Angeklagten gegenübersteht, sieht man ja schon an der Interpretation: Beihilfe zum „versuchten“ Mord. Das muss man wohl nicht kommentieren.



      Lebenslang wäre angemessen gewesen und hätte ein Zeichen gesetzt.

    • @Ria Sauter:

      Das ist auch meine Meinung im Hinblick auf diese IS-Terroristin.

    • @Ria Sauter:

      Schon interessant wie umstandslos sie hier für die Höchststrafe plädieren. Ich zumindest kann allein aufgrund des Artikels als juristischer Laie nämlich nicht beurteilen ob es sich bei dem Tod des Kindes tatsächlich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mittäterschaft oder Beihilfe zum Mord oder um unterlassene Hilfeleistung handelt und würde deshalb einfach mal darauf vertrauen, dass das Gericht, das sich vermutlich etwas eingehender mit dem Fall befasst hat als mit einer 3-minütigen Lektüre, da zu einer differenzierteren Bewertung fähig ist.



      Noch interessanter wird dies dadurch, dass sie an anderer Stelle mit ökonomischen Gründen gegen die Aufnahme Geflüchtete argumentieren, was in letzter Konsequenz eben auch Menschenleben unter anderem auch von Kindern kostet. Der grausame Tod von Alan Kurdi ist hier nur ein prominenteres von vielen traurigen Beispielen und auch an der polnischen Grenze hat es schon Tote gegeben. Und auch diese Toten sind einer unterlassenen Hilfeleistung geschuldet und wären vermeidbar wenn man geregelte und sichere Fluchtmöglichkeiten schaffen würde.

  • Nach 4-5 Jahren ist sie im offenen Vollzug. Nach 6-7 Jahren wieder frei. Ist das angemessen?

    • @Nachtsonne:

      Das ist schwer zu sagen.

      Zu bedenken wäre vielleicht, dass die Angeklagte als Frau im IS nicht nur Täterin war, sondern wohl auch Opfer.

      Was im Kopf einer Frau vor sich gegangen sein muss, als sie sich entschied, sich freiwillig in diese Situation zu begeben, ist mir allerdings auch ein Rätsel.

      • @Jim Hawkins:

        "...dass die Angeklagte als Frau im IS nicht nur Täterin war, sondern wohl auch Opfer...als sie sich entschied, sich freiwillig in diese Situation zu begeben..."



        Eben, sie hat sich freiwillg entschieden, diesem Club beizutreten. Da hält sich mein Mitleid für ihre "Opferrolle" arg in Grenzen.

        • 8G
          83191 (Profil gelöscht)
          @Stefan L.:

          Kann ich ihre Antwort auch als Zustimmung zu häuslicher Gewalt werten? Sie war ja freiwillig in dieser Beziehung. Da kann man ja unmöglich Mitleid haben.