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Interview mit AfD-Chef sorgt für KritikRBB versagt, Rechtsextreme jubeln

Kommentar von Sophie Schmalz

Der RBB lässt Brandenburgs AfD-Chef rund 40 Minuten in einem Sommerinterview zu Wort kommen. Ohne kritisch nachzufragen. Ein Wochenkommentar.

Der RBB spricht halt mit allen: „Wahlarena“ mit den Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2019 Foto: picture alliance/Monika Skolimowska/dpa

E xakt 39 Minuten und 16 Sekunden Sendezeit, die zu viel waren. Sendezeit für den Rechtsextremismus – der RBB hat sich ein Eigentor geschossen. Ein Fehler, denn das Interview hätte nicht gegeben werden dürfen. Und die Reaktion der Sendeanstalt, die aufgrund hagelnder Kritik nun folgte, macht leider alles schlimmer.

Es ist oft schwierig, als Journalist*in, richtig mit der AfD umzugehen. Nicht auf Provokationen hereinzufallen; nicht selbst Teil der Empörung zu werden, die geklickt und geklickt wird. Und dennoch über Relevantes der größten Opposi­tions­partei zu berichten.

Die Vorstellung, Journalist*innen könnten die AfD durch besonders gut geführte Interviews entlarven, führt meistens in die Irre. Gut vorbereitet, kann sie so ihre Weltansicht darlegen. Strategisch provozieren. Seit Jahren wird vor der Verschiebung öffentlicher Diskurse gewarnt. Vor der Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts. Eine Mammutaufgabe für viele ausgezeichnete und hart arbeitende Journalist*innen und Redaktionen. Ganz und gar nicht einfach.

Einfach wäre es jedoch gewesen, den Fehler des RBB am vergangenen Sonntag zu verhindern. In der Interviewreihe „Politik am See“, plauderte der Sender knappe 40 Minuten mit Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, der gemeinsam mit Höcke an der Spitze des offiziell aufgelösten, aber weiterhin aktiven rechtsextremen „Flügels“ der Partei steht. Während das Gespräch über Internetanbindung im Osten, Coronamasken und Arbeitsplätze dahinplätscherte, nutzte Kalbitz seine Chance und inszenierte sich als Opfer des Verfassungsschutzes.

Kurzer Schwenk zur HDJ

Was der RBB geschehen ließ. Denn alle Spitzenpolitiker*innen aus den Parlamenten müssten dieses Interview bekommen, so die Argumentation. Den kurzen Schwenk zu seiner Verbindung zur Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) tat er mit „juristischen Fragen“ ab. Zurück zu Popcorn und harmlosem Politikgeschwafel.

„Wow, ein sogar vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist bezeichneter AfDler bekommt beim RBB so eine Bühne. Läuft bei euch!“, kommentierte eine Zuschauerin das Gesehen. Der Sender widersprach zunächst: „Der Verfassungsschutz spricht von Hinweisen. Bewiesen ist bisher nichts.“ Ein Fehler, den der RBB später korrigieren musste. Denn sogar der Verfassungsschutz sieht das anders.

Nun setzt die Reaktion des RBB-Chefs Christoph Singelnstein am Mittwochabend allem noch eins drauf: Die Expertise des Hauses zum Thema Rechtsextremismus müsse bei solchen Gesprächen besser zum Tragen kommen; die Zusammenarbeit der Redaktionen werde verbessert. Das Gespräch an sich verteidigt er – mit einem Blablabla aus „Ausgewogenheit“ der Berichterstattung und diese Partei müsse „zu Wort kommen“.

Das ist ein Fehler. Zwischen Kalbitz „zu Wort kommen“ lassen und einem Interview ohne kritische Rückfragen liegen Welten. Nicht die Redaktionen müssen besser zusammenarbeiten: Der RBB sollte Rechtsextremismus nicht verharmlosen und normalisieren. Dieses flauschige Inter­view hätte es nicht geben dürfen. Kein Spiel, kein Eigentor.

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10 Kommentare

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  • Der RBB hatte zuvor schon jahrelang die immer stärker irrlichternden Aktivitäten des glühenden Antisemiten "Ken Jebsen"



    als Moderator einer Radio-Jugendsendung "übersehen".

  • Liebe taz, darf ich als Zuschauer und mündiger Bürger entscheiden, ob ich Kalbitz hören, sehen möchte und dann auch noch das Gesagte gut oder schlecht finde? Die afd ist nicht verboten und solange er sich mit dem Gesagten im Rahmen des Erlaubten bewegt, darf er das auch im TV tun.



    Ich muss es auch akzeptieren, dass Politiker der Linken und Grünen im TV zu Wort kommen und ihren Nonsens von sich geben. Muss ich akzeptieren, anhören und dann für mich entscheiden, ob es Quatsch ist oder ob nicht vielleicht doch was dran ist...

  • Es ist nicht Aufgabe des Journalismus, zu missionieren, sondern zu informieren. Ob sie dem Gesagten zustimmen oder nicht sollen die Leser / Zuschauer doch bitte selbst entscheiden, und zwar ohne fremde Hilfe. Deshalb: Linke und AFDler rein in die Talkshows und Interviews, genau wie Vertreter aller anderen relevanten Parteien.

  • Und dann noch Kalbitz. Ostdeutschland. Da ist möglich was im Westen nur in kleinen geht.

  • Wenn man so etwas wagt, braucht es an der Stelle sehr fähige Journalisten. Sehr fähige. Da sollte der Sender genug Selbstkritik haben. Für nettes aber seichtes Unterhaltungsmaterial und Berichte von Kunsthandwerkern aus Brandenburg, da reichts gerade so. Nur nicht langweilen. Hat ja gut geklappt.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    .....Der Rundfunk Berlin-Brandenburg schmückt seine sechsteilige Sommerschwafelserie mit dem Zusatz "Schöne Orte, ernste Worte"....



    ..... Hätte man den Rechtsextremen mit einstigen Mitgliedschaften in verschiedenen rechtsextremen Vereinigungen wie beispielsweise der Heimattreuen Jugend (HJ) in die KZ-Gedenkstätte Ravensbrück oder Sachsenhausen zum Gespräch geladen, hätte man die Reihe mit "Ernste Orte, schöne Worte" bewerben können. .....



    .... Stattdessen sitzen da dann gut frisierte Kollegen, die ein beschämend devotes Schauspiel abgeben, während die Rechtsradikalen sich in dem von ihnen verhassten "Staatsfunk" bewegen, als seien sie bei Onkel Alfred im Wohnzimmer. ...

    Lesenswerter Artikel von Mely Kiyak.

    www.zeit.de/kultur...-fernsehen-konzept

  • Dieses Interview war das Sahnehäubchen auf dem Irrweg Nazis und Halb-Nazis in Interviews und Talkshows zu Wort kommen zu lassen.

    Immerhin, sollte Hitler nicht doch noch irgendwo am Nordpol leben und irgendwann zurückkehren, um vom RBB interviewt zu werden, war das wohl das Ende der Fahnenstange.

  • Das es auch anders geht, hat vor einiger Zeit Tilo Jung auf seinem YT Kanal Jung & Naiv bewiesen, wo er auch den kleinen Himmler interviewte und gespielt naive Gegenfrage stellte die Kalbitz recht schön ins Schwitzen brachten.



    Er fragte nach der Heimattreuen Deutschen Jugen und dem IB und erhielt das übliche kalbitzsche: "Ich war halt neugierig was die so machen." was diesem ein:



    "Sie sind aber in eine recht eindeutige Richtung neugierig." von Tilo Jung einbrachte.

    • @derSchreiber:

      Zwischen der Interviewführung von Jung und dem RBB sehe ich keinen großen Unterschied. Kalbitz kann auch bei Jung über weite Strecken unbekümmert und nett rüberkommend über belanglose Themen plauern.

      • @Bajramaj:

        Stimmt auch teilweise, aber man kann ja nun nicht 40 Minuten ununterbrochen angreifen.



        Das wäre dann wieder einseitig.



        Es ist schmaler Grad zwischen kritisch fragen und widerlichem runtermachen wie es die AfD gerne macht.