Internet in Russland: Maulkorb für Plattformen
Ein Gesetzentwurf sieht die Sperrung bestimmter Plattformen vor. Ziel sind Anbieter, die russische Propaganda löschen oder filtern.

Das Gesetz schützt „Informationen von öffentlicher Bedeutung“ und soll um ein Register erweitert werden, das Inhaber von Websites aufführt, die Inhalte zensieren.
Demnach sind in Russland seit April dieses Jahres mindestens 20 Fälle bekannt geworden, bei denen Plattformen wie Facebook, YouTube und Twitter in die Darstellung staatseigener Medien eingegriffen haben.
Davon waren das TV RT (früher Russia Today) und die staatliche Agentur RIA Novosti betroffen. Die Staatsanwaltschaft wird ermächtigt, eine teilweise oder gesamte Blockade durchzusetzen, falls die Anbieter weiter das Recht auf Information der russischen Bürger „verletzen“.
In der Kritik
Grundsätzlich stehen die großen Plattformen wegen ihrer Machtfülle sowie undurchsichtiger und widersprüchlicher Praktiken bei der Auswahl von Inhalten in der Kritik.
„Eine totale Blockade von Plattformen aber, die Millionen von Russen nutzen, sichert nicht den Zugang zu Informationen“, wie es das Gesetz vorsieht, heißt es in einer Stellungnahme von der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW).
Russland verfügt bereits über verschiedene Mittel, den Zugang zu Inhalten zu unterbinden oder zumindest zu erschweren. Seit 2019 liegt das Gesetz „souveränes Internet“ vor, das den Behörden erlaubt, Traffic im Internet zu filtern und zurückzuverfolgen. Außerdem können Nutzer seit einem Jahr zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt werden, wenn sie nicht die Regeln der Datensicherung einhalten.
Bereits im Sommer fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in mehreren Fällen Urteile gegen Russland, weil Websites blockiert wurden, die das Recht auf Informationszugang unterlaufen hatten.
In diesen Fällen handelte es sich um Nutzer, denen der Zugang zu Informationen verwehrt wurde. Im neuen Gesetz stellt sich der Staat als Opfer der Informationspolitik dar. Auch die Bürger holt er mit ins Boot, denen Propagandaversionen der russischen Politik sonst entgehen könnten. Die Initiatoren des Gesetzes sind Alexander Chinschtein von der Kremlpartei und Senator Alexei Puschkow. HRW sprach an die Duma die Empfehlung aus, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen.
Auch Google erhielt von der russischen Aufsichtsbehörde Roskomnadsor dieser Tage ein Schreiben mit der Aufforderung, die Beschränkungen im YouTube-Kanal „Solowjow live“ aufzuheben. Wladimir Solowjow sei nicht mehr in der Rubrik „Trends“ aufgetaucht, teilte die Plattform mit.
Solowjow ist einer der bekanntesten Moderatoren im russischen Fernsehen und ein Sprachrohr Präsident Wladimir Putins. Früher hatten Solowjows Talkshows einen Stammplatz in den „Trends“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße