Verfolgung von Dissidenten im Netz: Das Komplizenprinzip
Reporter ohne Grenzen kürt Russland, Indien und China als „Feinde des Internets“. Aber Überwachung ist nicht nur dort ein Problem.
„Modis Krieger“ und die „Troll-Armeen des Kreml“ gehören zu den 20 größten Feinden des Internets. Zumindest aus Sicht von Reporter ohne Grenzen (ROG), die am Mittwoch eine Auswahl von Akteuren an den Pranger stellten, die im Dienste repressiver Regime freie Rede und Demokratie unterdrücken. Die NGO erläutert in ihrer Veröffentlichung die Systematik der organisierten Verfolgung von Dissident*innen in verschiedenen Ländern.
So werden in Indien die Kritiker*innen der hindunationalistischen Regierungspartei BJP online gezielter Hetze ausgesetzt. Einige der Trolle handelten aus eigenem Antrieb, so ROG, andere sollen finanzielle Vergütungen für die Streuung des Hasses erhalten.
In Russland werden mit ähnlichen Methoden auch ausländische Journalist*innen unter Druck gesetzt. Als Beispiel wird die finnische Investigativjournalistin Jessikka Aro aufgeführt. Sie wurde zur Zielscheibe der Kremltrolle, ausgerechnet nachdem sie zu genau diesem Phänomen recherchiert und ein Buch veröffentlicht hatte. Andere Ziele der Verbreitung von Desinformation sind der russische Journalist Igor Jakowenko und die in Moskau lebenden Korrespondent*innen von Le Monde und des Guardian.
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr betont, die Überwachung in autoritären Regimen stütze sich auf Kompliz*innen, die zum Teil in demokratischen Staaten lebten. „Wer sich glaubhaft gegen despotische Regime stellen will, muss auch dafür sorgen, dass diese nicht aus Deutschland und anderen westlichen Staaten mit Instrumenten zur Überwachung und Zensur versorgt werden.“
Belästigung und Desinformation
Als wichtigen Komplex eingeschränkter Freiheit im Netz sieht ROG neben der gezielten Belästigung und der Desinformation gerade das Überwachen und Sperren journalistischer und oppositioneller Kommunikation. Wenig überraschend tut sich hier besonders China hervor. Die massive Kontrolle sozialer Medien und das Blocken bestimmter Inhalte wird in der Liste am hochaktuellen Beispiel des anfänglichen Vorgehens gegen Corona-Berichterstattung erklärt.
Die Entwicklung von Überwachungstechnologie in westlichen Demokratien wird gesondert hervorgehoben. Die israelische NSO-Software, mit der WhatsApp-Chats ausgespäht wurden, gehört genauso dazu wie die Dienste der Memento Labs. Von Europa aus wurde deren Software global verkauft und unter anderem in Ägypten und Marokko gegen unabhängige Medien eingesetzt.
Auch ein deutsches Produkt schafft es auf die Liste der Internetfeinde: die FinSpy-Software, die mit Trojanern Computersysteme infiltriert und so persönliche Daten beispielsweise von Smartphones auslesen kann. Deren Einsatz gegen die türkische Opposition war Grund genug für Reporter ohne Grenzen, den Hersteller FinFisher anzuzeigen. Ein Ermittlungsergebnis steht noch aus. Ob es jemals zu einem Prozess kommen wird, ist unklar.
ROG betont in einer Erklärung, dass es sich dabei um keine abschließende Aufzählung handele. Die 20 „Feinde des Internets“ stünden „stellvertretend für die größten aktuellen Bedrohungen der Meinungs- und Pressefreiheit im digitalen Raum“.
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