Internationaler Tag der Roma: Antiziganismus ist auch ein Virus
Der Internationale Romatag am 8. April findet diesmal virtuell statt. Angesichts von Corona fordern Organisationen Solidarität mit Marginalisierten.
Eigentlich wollten die Organisator*innen der zweiten Roma Biennale mit ihren Lesungen, Ausstellungen und Konzerten hinaus in die ganz Stadt. Und ein bisschen von dieser Idee soll trotz Virus-Pandemie bewahrt werden und das Publikum per Stream erreichen.
Deshalb fährt Kurator Hamze Bytyçi am Internationalen Romatag am heutigen Mittwoch mit einem eigens gestalteten, ganz analogen Biennale-Truck zum Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, zum ehemaligen Zwangslager in Marzahn, zum Gorki-Theater und zu der Stele, die an den Boxer Johann Rukeli Trollmann erinnert. An diesen für die Geschichte und Gegenwart von Sinti*ze und Romn*ja in Berlin wichtigen Orten führt er Gespräche mit Künstler*innen, Aktivist*innen und Politiker*innen.
Ergänzend wird es einen Livestream der Künstlerin Delaine Le Bas samt Gesprächspartner*innen aus dem Studio im Gorki Theater geben: Sie diskutieren, was das Coronavirus und die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie für marginalisierte Menschen bedeuten. Die eigentliche Biennale unter dem Titel „We are here“ sei damit aber nicht abgesagt, sondern nur aufgeschoben, betonen die Veranstalter*innen.
„Zum Romaday wollen wir nicht nur über Probleme sprechen sondern auch zeigen, was wir erreicht haben“, sagt Bytyçi. „Aber auch wenn Kultur, Politik und Gesellschaft mit Minderheiten inzwischen anders umgehen, fehlt im Umgang mit Rom*nja an vielen Stellen noch Awareness und Sensibilität.“ Der Weltromatag am 8. April erinnert an den Ersten Welt-Roma-Kongress, der am 8. April 1971 in London stattfand
Das Rroma-Informations-Centrum in Neukölln, eine Selbstorganisation, die eigene Perspektiven in die zumeist fremdbestimmte Debatte einbringen will, kritisiert zum Romatag in einem offenen Brief den Rassismus gegen Rom*nja in Südosteuropa. „Die Regierungen in Ungarn, der Slowakei und Bulgarien benutzen das Virus, um rassistische Macht auszuüben und Rom*nja zu unterdrücken“, sagt Leiter Milan Pavlovic.
„Wir sehen gerade, dass wir nicht weit gekommen sind: Es passiert eine Krise und sofort wird den Rom*nja die Schuld gegeben.“ Darin wiederholten sich die Beschuldigungen, die im Zweiten Weltkrieg zur Verfolgung der Rom*nja geführt hätten, meint Pavlovic. „Und Europa ist still, es gibt keine europäische Solidarität mit den Marginalisierten. Das macht mir Angst“, sagt er. Seinen offenen Brief habe er deshalb an die Botschafter von Russland und China adressiert – diese seien die einzigen, die ihre Hilfe auch anderen Ländern angeboten hatten. Der Brief wird von Amaro Foro und von der Ini Rom*nja unterstützt.
Auch das feministische Rromnja-Archiv RomaniPhen verschiebt den geplanten Romnja* Power Month auf den Spätsommer. Den Romatag wollen die Frauen nicht feiern, aber ein Video mit Statements veröffentlichen. „Die Folgen der politischen und sozialen Ungleichheit waren auch bisher für viele Rom*nja existenziell und akut, allerdings erhalten sie unter den Bedingungen der Pandemie neue Dringlichkeit“, sagt Leiterin Isidora Randjelović. „Unsere Forderung nach struktureller Gerechtigkeit bleibt bestehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag