Internationale Kakao-Konferenz: Kakao ist so teuer wie noch nie
Nachhaltigkeit und Menschenrechte sind nicht umsonst. Die wichtigste internationale Konferenz im Kakaogeschäft berät über faire Preise für Schokolade.
Trotzdem konnten sich die wichtigsten Akteure entlang der Lieferkette zum Abschluss einer dreitägigen Kakao-Konferenz am Mittwoch in Brüssel nur auf eine unverbindliche Absichtserklärung einigen. Darin bekannten sie sich zum „klaren Ziel“ existenzsichernder Einkommen für Kakaobäuer*innen.
Die Kakao-Konferenz ist das wichtigste Forum für Regierungsvertreter*innen, Unternehmen, Händler*innen, Vertreter von Bäuer*innen und Zivilgesellschaft. Dieses Jahr stand sie unter dem Motto „Mehr für nachhaltigen Kakao zahlen“. Doch wer am Ende mehr zahlt, ist noch offen.
„Wir machen immer Verluste, weil die Kosten für den Anbau hoch sind und der Preis, den wir für den Kakao bekommen, niedrig ist“, sagte die Kakaobäuerin Leticia Yankey der taz. Yankey hat in Ghana eine Kooperative gegründet, der heute 600 Frauen angehören. In dem hochverschuldeten Land regelt die staatliche Behörde Cocobod den Export: Sie nimmt Kredite auf, um die Bauern und Bäuerinnen im voraus für die Ernten zu bezahlen, macht Verträge mit den Händlern. Die Regierung will damit die Preise stabilisieren, hat dann aber nichts von dem Höhenflug an der Börse.
Klimawandel hat zu Ernteausfällen beigetragen
Die Hauptursache des Preisanstiegs sind die starken Produktionsausfälle in den beiden größten Anbauländern Côte d’Ivoire und Ghana, die zusammen zwei Drittel aller Bohnen weltweit liefern. Dürrephasen und längere Regenperioden haben die Ernten zerstört und eine Pilzkrankheit begünstigt. Schuld daran ist auch der Klimawandel, der die Wetterereignisse verstärkt.
Zugleich seien die Ernteverluste aber auch auf die Armut der Bauern zurückzuführen, sagt Evelyn Bahn, Referentin für nachhaltigen Kakao bei der NGO Inkota. Die Bauern hatten in den letzten drei Jahrzehnten kein Geld, in nachhaltigen Anbau zu investieren. „Die Böden sind von dem immer weiter wachsenden Einsatz von Pestiziden ausgelaugt“, sagt Bahn. „El Niño hat die Wetterkapriolen verstärkt, aber die Auswirkungen sind auch so stark, weil das Mikroklima so zerstört ist.“
Für den Kakaoanbau wurden auch große Teile des Waldes in Westafrika gerodet. Um nachhaltiger zu wirtschaften, brauche es Ressourcen, sagt Yankey. „Wir müssen die Felder rehabilitieren, wir müssen neue Setzlinge kaufen. Wir müssen Schattenbäume pflanzen, um unsere Kakaobäume vor der Hitze zu schützen.“
Von einer Tafel Schokolade, die hierzulande beispielsweise einen Euro kostet, gehen etwa 6 Cent an die Bauern. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzusteuern, führten Ghana und Côte d’Ivoire 2019 einen Referenzpreis ein, den Living Income Differential (LID): Das ist eine Prämie von 400 US-Dollar für jede Tonne Kakao, die die niedrigen Weltmarktpreise ausgleichen sollte. Viele Firmen fanden jedoch Wege, wie sie die Preise an anderer Stelle drücken konnten – sie zahlen beispielsweise andere Prämien für Qualität nicht mehr.
Viele Unternehmen verfolgen die Strategie, existenzsichernde Einkommen durch eine Steigerung der Produktion zu ermöglichen. Das macht für die Unternehmen auch Sinn, weil die Nachfrage steigt, der Konsum in Indien und China zunimmt. Aus dem Monitoringbericht des Forums Nachhaltiger Kakao, das die Bundesregierung ins Leben gerufen hat, geht hervor, dass fast 80 Prozent der Mitglieder Projekte auflegten, die Bauern und Bäuerinnen halfen, ihre Produktivität zu steigern, während nur etwa die Hälfte Prämien zahlten.
Unklarheit besteht aber auch darin, was genau ein existenzsicherndes Einkommen ist. Nimmt man die Berechnungen von Fair Trade dazu, wurde von den Mitgliedern des Forum Nachhaltiger Kakao rund 17,600 Tonnen nach Deutschland importierter Kakao aus Côte d’Ivoire fair bezahlt. Das entspräche laut Bericht etwa 7,8 Prozent des Importvolumen aus Côte d’Ivoire nach Deutschland.
Anforderungen an Erzeuger*innen werden höher
Das neue EU-Entwaldungsgesetz etwa, erklärt Yankey, erfordere die Kartierung des Landes und die Sammlung von Daten. Dazu habe man aber „weder die Ressourcen noch die Technologie“.
Auch Zwangsarbeit und illegale Kinderarbeit rücken mit der neuen EU-Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in den Lieferketten noch stärker in den Fokus. Die wurde heute vom Europäischen Parlament beschlossen. Schon lange ist klar, dass diese Menschenrechtsverletzungen im Sektor direkt mit den niedrigen Preisen für Kakao zusammenhängen.
Die meisten der 5,5 Millionen Kakaobäuerinnen leben in prekären Verhältnissen, haben Mühe, die Bildung oder Mahlzeiten ihrer Kinder zu finanzieren – oder auch sich selbst weiterzubilden, zur Ärztin zu gehen.
Das meiste Geld an der Tafel Schokolade verdienen die Hersteller und Supermärkte. Insgesamt fast 80 prozent des Kaufpreises rechnet Inkota. Ein Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam vom Montag zeigt, dass sowohl Händler, Schokoladenhersteller und Supermarkte stark konzentriert sind, die größten Akteuere kann man jeweils an zwei Händen abzählen. Sie machen Milliardengewinne.
Bleibt noch die Börse. Ein Artikel der Financial Times von Anfang Februar weist darauf hin, dass es in der aktuellen Situation auch um Spekulation geht. Vor allem seien Agrarfonds stark angestiegen. „Diese Fonds gab es bereits beim Rohstoffboom von 2003 bis 2008. Jetzt sind sie wieder aktuell geworden – durch die Wetterverhältnisse“, sagt der Wissenschaftler Bernhard Tröster, der zum Börsenhandel von Kakao und dem Preisstabilisierungssystem in Westafrika forscht. Die Ursache des Preisanstiegs liege bei den Ernteausfälle, wodurch es deutlich weniger Kakao am Markt gibt.
„Allerdings ist die Frage, wie hoch dann Preise steigen müssten, um Angebot und Nachfrage abzubilden“. Die hohen Preise ziehen aber wiederum Spekulanten an, welche die Preistendenzen verstärken. „Profitiert haben ganz klar diejenigen, die Anfang des Jahres auf steigende Kurse gesetzt haben“, sagt Tröster.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland