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Instagram will Mobbing vorbeugenSekunden für die Selbstreflexion

Mit einem neuen Tool will Instagram künftig Beleidigungen in Kommentaren identifizieren – und den Verfasser kurz zum Innehalten zwingen.

Instagram wendet sich mit dem neuen Feature gezielt an die Bullies Foto: unsplash/Lalo Hernandez

Berlin taz | „Sind Sie sicher, dass Sie das Dokument verwerfen wollen?“, „Alle Daten gehen verloren, wenn Sie Ihr Smartphone zurücksetzen. Ist Ihnen das klar?“ Fragen wie diese zielen ab auf alltägliche Unachtsamkeiten. Unsere Geräte und Programme sind so eingestellt, dass ein einziger unbedachter Klick nicht gleich eine Katastrophe auslöst.

Die Plattform Instagram will diese aufploppenden Vergewisserungen nun auf Zwischenmenschliches anwenden. User, die im Begriff sind, Beleidigendes unter dem Bild einer anderen Person zu posten, sollen künftig gefragt werden, ob sie das wirklich durchziehen wollen.

Das neue Feature gibt NutzerInnen also die Gelegenheit, es sich anders zu überlegen, hält sie aber nicht davon ab, potenziell verletzende Kommentare zu posten. Mithilfe künstlicher Intelligenz will die Plattform Kommentare vor dem Absenden auf verdächtige Wörter überprüfen. Findet sie Verunglimpfungen, muss der oder die UserIn wenige Sekunden innehalten, bevor der beleidigende Kommentar erscheint. Ob das reicht für tiefergehende Selbstreflexion? Schließlich kann man den Countdown auch einfach aussitzen. Eine gezielte Zustimmung zum Veröffentlichen des verfassten Kommentars ist nicht notwendig.

Über einen weiterführend Link gelangen NutzerInnen, wenn sie ihn denn anklicken, zu einer Erklärung: „Wir wollen, dass Instagram ein Ort bleibt, an dem man sich gegenseitig unterstützt“, steht da unter einer herzerwärmenden Illustration. Ein eindringlicher Appell an die Menschlichkeit des Users sieht anders aus. Auch von möglichen Konsequenzen, die hasserfüllte Posts nach sich ziehen könnten, steht da nichts.

Entfernen, blockieren, melden

Nina Pirk, zuständig für das Projekt „Safer Internet“ bei der Nummer gegen Kummer, findet diesen Ansatz trotzdem richtig. „Viele posten, ohne groß darüber nachzudenken, wie das bei dem anderen ankommt. Oder aus einer Wut heraus. Da kann es helfen, sich kurz sammeln zu müssen“, sagt sie. Sanktionen brauche es da nicht sofort. Nur mit der sich stets wandelnden Jugendsprache könnte es Probleme geben. „Beleidigungen ändern sich ja ständig.Wie soll ein Algorithmus das verlässlich erkennen können?“

Etwa eines von zehn Beratungsgesprächen, die Nina Pirk führt, drehe sich um Cybermobbing. Laut Einschätzung der Opferinitiative Weißer Ring seien insbesondere junge Menschen zwischen 12 und 19 Jahren betroffen. Einer Studie aus dem Jahr 2017 zufolge gaben 13 Prozent der befragten SchülerInnen an, schon einmal im Netz gemobbt worden zu sein.

Zahlen aus den USA und Großbritannien sind noch alarmierender: 59 Prozent der interviewten amerikanischen Teenager gaben in einer Umfrage an, schon einmal online beleidigt worden zu sein, im Vereinigten Königreich sind es laut Zahlen einer Anti-Mobbing-Initiative etwa 42 Prozent.

Facebook listet im „Hilfebereich“ seines Netzwerks folgende Ratschläge gegen Cyber-Mobbing: Je nach „Ernst der Situation“ solle man die Person entweder als FreundIn entfernen, sie blockieren oder melden. Schutz gegen Bullying bestehe darin, nicht zurückzuschlagen, mit dem Umfeld darüber zu sprechen und die Vorfälle zu dokumentieren.

Facebook ruft also die Opfer auf, in der Situation selbst aktiv zu werden. Instagram hingegeben wendet sich mit seinem leicht pädagogischen Ansatz an TäterInnen, oder diejenigen, die kurz davor sind, es zu werden.

Die Freude an der Provokation verderben

Der Grund: „Wir haben von jungen Leuten in unserer Community gehört, dass sie oft zögern, ihre Peiniger zu blocken, zu entfolgen oder sie zu melden, weil das die Situation erst recht eskalieren könnte. Gerade wenn sie mit den Personen auch im wahren Leben interagieren“, schreibt Instagrams CEO Adam Mosseri in einem Blogpost.

Und stellt dann gleich noch eine weitere Maßnahme vor. Mit der Erweiterung „Restrict“ (auf Deutsch: drosseln oder einschränken) sollen NutzerInnen ihre Bullies blocken können, ohne dass die davon erfahren. Kommentare unter dem Bild einer gemobbten Person bleiben demnach nur für den Bully selbst sichtbar. Und eine mögliche Konfrontation auf dem Schulhof würde ausbleiben.

Zu „Restrict“ hat Nina Pirk keine eindeutige Meinung. „Erst einmal ist begrüßenswert, dass überhaupt Maßnahmen ergriffen werden und Instagram sich klar positioniert“, sagt sie. Und der Schlüssel im Umgang mit Mobbing sei ja, dem Bully die Freude an der Provokation zu nehmen. Zum Beispiel, indem jegliche Reaktionen ausbleiben. „Bei ‚Restrict‘ ist aber fraglich, wie es den Beleidigungen konkret entgegenwirken soll.“

Nina Pirk wünscht sich stattdessen, soziale Medien würden sehr viel mehr auf die Problematik aufmerksam machen und Hilfsangebote prominenter platzieren. Sozialen Netzwerken ist in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen worden, zu lasch gegen Cyber-Mobbing vorzugehen. Nina Pirk kann dem nicht ganz zustimmen: „Um Mobbing zu verhindern, vor allem aber Betroffene zu unterstützen, müssen Bemühungen an vielen Stellen zusammenkommen.“ Betroffene, Beratungsstellen, Schulen und eben das soziale Netzwerk. „Am Ende sind alle gefragt. Wir brauchen eine Kultur, in der Mobbing uncool ist.“

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