Innensenator wird geladen: Grüne erhöhen Druck auf Henkel
Innensenator soll schon am kommenden Freitag vor NSU-Ausschuss aussagen. Auch Berliner Polizei wird sich Fragen stellen müssen.
In der V-Mann-Affäre von Innensenator Frank Henkel (CDU) verschärft die Opposition den Ton. „Wer bewusst Informationen gegenüber Parlamenten zurückhält, ist schwer tragbar“, sagte der Grüne Benedikt Lux am Freitag. Als Rücktrittsforderung wollte er das nicht verstanden wissen. „Diese Frage muss sich die Koalition stellen.“ Der Berliner SPD attestierte Lux, anders als im Bund, mangelnden Aufklärungswillen.
Vorletzten Donnerstag war bekannt geworden, dass Henkel seit März von dem langjährigen Berliner V-Mann Thomas S. wusste, den die Bundesanwaltschaft als NSU-Helfer beschuldigt – dies aber trotz Nachfragen nicht dem Abgeordnetenhaus oder NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag mitteilte.
Die Grünen beantragten nun, Henkel bereits kommenden Freitag vor dem NSU-Ausschuss zu befragen, samt seiner Interimspolizeipräsidentin Margarete Koppers. Beide hatten behauptet, die Parlamentarier nicht informiert zu haben, weil die Generalbundesanwaltschaft um Geheimhaltung gebeten hatte. Die Behörde widersprach vehement.
Ausschussmitglieder zeigten sich skeptisch: Das Programm der Woche sei bereits „sehr voll“. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) bekräftigte aber, dass er „Aufklärungsbedarf“ über die Informationspolitik von Henkel und Koppers habe. "Es geht nicht mehr um das Ob, sondern das Wann der Vorladung", so Edathy.
Befragt werden sollen auch der V-Mann-Führer, der Thomas S. 2002 betreute, und ein Beamter, der einem Gespräch im damaligen Februar beiwohnte. Dort gab S. den Tipp, ein Bekannter wisse von drei wegen Waffendelikten Untergetauchten. Nach taz-Informationen wurde dieser Hinweis damals nicht weitergegeben – obwohl bundesweit nach den drei Rechtsterroristen gesucht wurde. Kritisiert wird auch die nur sporadische Aktenführung über S., der von 2000 bis 2011 in Berliner Diensten war.
Auch Ehrhart Körting (SPD), Innensenator von 2001 bis 2011, soll vor dem NSU-Ausschuss aussagen – und am 22. Oktober auch vor den Berliner Innenausschuss. Körting beteuert bisher, nichts von Thomas S. gewusst zu haben. Stimmt das, so heißt es in der Opposition, müssten auch damalige Polizeiführer vor den Innenausschuss.
Die Opposition kritisiert auch, dass Thomas S. überhaupt als V-Mann geworben wurde. Der Mann lebte in Sachsen, war einschlägig vorbestraft. Auch das sächsische LKA soll damals Bedenken gegen eine Anwerbung geäußert haben, weil S. schwer Vertraulichkeit zugesichert und dieser wieder straffällig werden könne. Dies war tatsächlich der Fall: 2005, während seiner V-Mann-Tätigkeit, wurde S. in Dresden wegen Volksverhetzung verurteilt.
Auch die heutige Polizeiführung wird sich Fragen stellen lassen müssen. Bereits im Dezember 2011 war die Polizei nach Thomas S. gefragt worden. Keine Erkenntnisse, hieß es damals - weil die V-Mann-Führer gar nicht erst von der Anfrage informiert wurden. Erst am 8. März, nach nochmaliger Anfrage des BKA, erkannte ein Beamter S. auf mitgeschickten Fotos. Von selbst hatte man sich nicht an den V-Mann erinnert - obwohl ihn die Bundesanwaltschaft schon seit Januar als NSU-Beschuldigten nannte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren