Innenministerkonferenz in Kiel: Schmuserunde mit Streitthemen
Ob nach Afghanistan abgeschoben wird, ist noch immer zwischen Unions- und SPD-Ländern umstritten. Für Syrien bleibt der Abschiebestopp.
Während der dreitägigen Tagung ging es um zahlreiche Themen, darunter den Umgang mit kriminellen Clans, Cyberkriminalität und Abschiebungen. Draußen begleiteten Proteste die Veranstaltung, drinnen aber herrschte beste Stimmung: Von einer „tollen Atmosphäre“ sprach der schleswig-holsteinische Gastgeber Hans-Joachim Grote (CDU), Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) freute sich über den „positive Korpsgeist“ der Runde: „Keine Kabbelei, sondern Schmusekurs.“
So einigte sich die Ministerrunde darauf, dass sie bei Abschiebungen weiter unterschiedlich vorgehen wollen: „Afghanistan ist kein Land, in das zum jetzigen Zeitpunkt unbescholtene Personen und Familien abgeschoben werden können“, sagte der Niedersachse Boris Pistorius für die SPD-regierten Länder, während viele Unions-Länder durchaus nach Afghanistan abschieben.
Für Syrien gilt bis Jahresende weiter ein Abschiebestopp, allerdings wollen die Minister bei ihrer Herbsttagung die Lage im Kriegsland erneut besprechen. Im Vorfeld der Konferenz hatte es geheißen, dass auch andere Länder wie Sudan neu bewertet würden – das verneinte Grote auf taz-Nachfrage.
Zu den Protestaktionen rund um das Ministertreffen zählte die Verleihung des Titels des Abschiebeministers 2019, der an Roland Wöller aus Sachsen ging. Der CDU-Mann nahm den Preis nicht selbst entgegen. Er verantwortet 1.147 Abschiebungen im Vorjahr. Sein Land hat als eines der Ersten ein sogenanntes Ankerzentrum eingerichtet, in dem Asylsuchende während ihres gesamten Verfahrens bleiben sollen.
Um ein solches Zentrum gibt es auch in Schleswig-Holstein Streit: Am Rand der Innenministerkonferenz unterzeichneten Seehofer und Grote eine Vereinbarung für den Aufbau eines „Landeskompetenzzentrums“ – für den Flüchtlingsrat ist das ein „Ankerzentrum“. Sein Hauptkritikpunkt ist, dass künftig wohl nicht mehr NGOs im Asylverfahren beraten sollen, sondern das Bundesamt für Migration. Grote widersprach: Mit dem ursprünglichen Konzept habe das neue Zentrum nichts zu tun. Die Vereinbarung sichere eine finanzielle Beteiligung des Bundes, externe Beratung sei weiter gewollt: „Das ist ein offenes Haus.“
Neben dem großen Punkt Cybersicherheit ging es um den Umgang mit Mitgliedern krimineller Clans. Seehofer sagte den Ländern Hilfe der Bundesbehörden zu. Uneinigkeit herrschte quer durch alle Länder bei der Frage, ob Fußballvereine für Polizeieinsätze bezahlen sollten. Boris Pistoris und Seehofer zeigten sich beide als Gegner: „Es ist Aufgabe des Staats, Sicherheit zu gewährleisten“, sagte der SPD-Vertreter. Seehofer warnte davor, dass Vereine weniger eigene Anti-Gewalt-Maßnahmen auflegen würden, wenn sie für die Polizei zahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich