Innenministerin zu Migration in die EU: „Illegale Einreisen“ stoppen
Beim EU-Innenminister-Treffen mit den Westbalkan-Staaten fordert Faeser schnelle Maßnahmen für die „Balkanroute“. Serbien will einlenken.
taz | Schon im Vorfeld der Beratungen von EU-Vertreter:innen mit jenen der Westbalkan-Staaten hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) deutlich gemacht, worum es ihr bei dem Treffen in Berlin geht: „Illegale Einreisen“ über die Balkanroute müssten gestoppt werden. Nur so könne man „weiter den Menschen helfen (…), die dringend unsere Unterstützung brauchen“, sagte Faeser dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf die zahlreichen Ukrainer:innen, die in Deutschland Schutz suchten.
Und so stand bei dem Treffen am Donnerstag, an dem auch Vertreter:innen von Großbritannien sowie von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien teilnahmen, neben Schleuseraktivitäten und einer Verbesserung des Grenzschutzes, vor allem die Visapolitik Serbiens im Fokus. Denn Belgrad lässt Menschen aus Staaten, die die ehemalige serbische Provinz Kosovo nicht als unabhängigen Staat anerkennen, visafrei einreisen – etwa aus Indien, Tunesien oder Burundi. Von Serbien aus machen sich viele dann auf den Weg in die EU.
So registrierten EU-Behörden in den ersten acht Monaten des Jahres beispielsweise knapp 4.500 Ankünfte von Menschen aus Indien – knapp acht mal so viele wie im Vorjahr. Daraufhin hatte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson den Druck auf Serbien erhöht: Sie drohte, serbischen Staatsbürger:innen das Recht zu entziehen, ohne Visum in die EU zu reisen, sollte Belgrad seine Visa-Praxis nicht anpassen.
Visumspolitik bis Ende 2022 an die der EU angepasst
Eine Drohung, die wohl gewirkt hat. Laut der serbischen Botschafterin in Berlin Snežana Janković müssen Staatsbürger*innen aus diesen Ländern mittlerweile bei ihrer Ankunft ein bezahltes Rückflugticket vorweisen. Laut der serbischen Zeitung Danas hat Präsident Aleksandar Vučić zugesagt, bis Ende des Jahres die Visumspolitik an die der EU anzupassen. Mit den Details sei eine Arbeitsgruppe betraut worden. Schon im jüngsten Bericht über die Fortschritte Serbiens bei der europäischen Integration betonte die Europäische Kommission, Belgrad müsse seine Außen- und Sicherheitspolitik mit Brüssel koordinieren. Serbien gilt seit 2012 als EU-Beitrittskandidat.
Der Direktor des serbischen Zentrums für Schutz und Unterstützung von Asylsuchenden, Radoš Đurović, sagte Danas, diese Änderung bis Ende des Jahres umzusetzen sei schwierig, insbesondere die nötigen Rücknahmeabkommen. Serbien versuche seit einigen Jahren, solche Abkommen abzuschließen, scheitere aber an der Zustimmung der Länder, aus denen die Menschen kommen.
Nach EU-Angaben erreichten bis Ende August mehr als 86.000 Menschen über die Balkanroute die EU – eine Verdreifachung gegenüber 2021. In einem am Dienstag veröffentlichten Statement gaben mehrere in der Region tätige NGOs an, dass es an der serbisch-ungarischen Grenze mittlerweile die meisten Grenzüberschritte gebe. Laut der ungarischen Polizei und dem Europarat nimmt dort auch die Zahl der Pushbacks durch ungarische Grenzbeamte zu, die zum Teil mit massiver Gewalt durchgesetzt werden. Die NGOs, darunter das Border Violence Monitoring Network, beobachteten jeden Tag Angriffe mit Elektroschocks, Pfeffersprays oder Knüppel gegen jene Menschen, die versuchen, den vier Meter hohen Grenzzaun zu überwinden.
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