piwik no script img

Initiative fordert Radio-QuoteDeutsches Liedgut first

„Deutsche Künstlermanager“ fordern eine „Radio-Quote für heimische Künstler“. Was bringt das? Wohl eher den musikalischen Dexit als mehr Vielfalt.

Eine größere musikalische Vielfalt würde vielen Radioprogrammen in Deutschland guttun Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Konzertbetrieb ruht. Mu­si­ke­r:in­nen verdienen kein Geld mehr, von heute auf morgen. Die Krise macht kreativ: Home Discos, Watch Parties, Balkonkonzerte, Skype-ins. Tag für Tag denken sich Menschen neue mediale Formate aus, die wenigsten sind mehr als Trost-Prokrastination und Timeline-Bespielung. Der andere Weg, auf Geld vom Staat zu hoffen, ist ein steiniger. Server stehen still, Warteschleifen schleifen.

In dieser miserablen Lage ist jedes Mittel recht, und so spielt eine aktuelle Initiative namens „Deutsche Künstlermanager“ die nationale Karte. In einem von einigen Dutzend mehr oder eher weniger bekannten Mu­si­ke­r:in­nen unterzeichneten Aufruf wird eine „Radio-Quote für heimische Künstler“ gefordert.

Die Begründung liefert Eric M. Landmann, Manager der Beatsteaks: „Es wird eine Zeit nach Corona geben! Wir haben eine vielfältige, lebendige Musikszene mit jungen, hoffnungsvollen, talentierten Künstlerinnen, Newcomern und etablierten Acts. Wenn wir diese Vielfalt erhalten wollen, benötigen wir nun eure Solidarität und die Unterstützung der Sender.“

Eine größere musikalische Vielfalt würde vielen Radioprogrammen in Deutschland guttun. Aber wie soll das gehen? Kulturelle Vielfalt durch nationale Einfalt? Heimische Künstler gegen Ausländermusik? Germany first! Pardon: Deutschland zuerst?

Frankreich und Österreich machen es vor

Was die „Deutschen Künstlermanager“ da fordern, läuft nicht auf mehr Vielfalt hinaus, sondern auf den musikalischen Dexit: Künst­le­r:in­nen mit Wohnsitz in Deutschland sollen mindestens 50 Prozent der Spielzeit im Radio erhalten. Zudem fordern sie eine täglichen Sendung von 15 bis 20 Uhr mit Musik aus Deutschland. Der Ruf nach der Deutschquote im Radio ist ja nicht neu. Alle paar Jahre wollen Nationallobbyisten mit heimischem Liedgut die deutsche Identität stärken und verkaufen das als Akt des Widerstands gegen die fortwährende Sound-Invasion des Kulturimperialismus angloamerikanischer Prägung.

In europäischen Nachbarländern gilt eine vergleichbare Quote schon länger. In Frankreich wurde schon 1994 eine Quote für nationale Musikstücke im Radio eingeführt, in Österreich hat sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einer Selbstregulierung verpflichtet. Nun also auch bald der Rundfunk in Deutschland?

„Von Nord bis Süd, von Ost bis West“ solle die Solidarität reichen, so die „Deutschen Künstlermanager“ in ihrem Manifest, also quasi von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt. Aber, im Gegensatz zu ihren Quotenvorkämpfern, haben die „Deutschen Künstlermanager“ diesmal einen mächtigen Verbündeten: Corona.

Die Forderung der deutschen Künstlerlobby macht sich alte Ängste und Reflexe zunutze. Wir kennen sie aus der Politik. Auf die ökonomische Globalisierung wird reagiert mit einer kulturellen Renationalisierung, die schon mal in Reprovin­zialisierung ausarten kann. Je globaler die Ökonomie, je reibungsloser und schneller der Transfer von Waren und Daten, desto nationaler, regionaler und provinzieller die Musik. In unsicheren Zeiten suchen die Verunsicherten Zuflucht auf der Scholle.

Von den Killerpilzen bis Kaff König

Und wer sind eigentlich diese ominösen „heimischen Künstler“? Auf der Liste der Unterstützenden finden sich Bands wie Killerpilze, Selig, The Boss Hoss. Aber auch solche, die schon vom ­Namen her voll die kulturelle Vielfalt versprechen: Kaff König! ­Brunhilde! Kaiser Franz Josef! Hier fragt der Redakteur: Ist das ein Aprilscherz?

Interessant auch die Lücken auf der Liste der „heimischen Künstler“. Wo sind die Expats? Entschuldigung, wir sollen ja deutsch sprechen, also: Wo sind die vielen Musiker*innen, die seit Jahrzehnten aus aller Welt nach Berlin ziehen, genau wegen der kulturellen Vielfalt? Wo sind die Künst­le­r*in­nen aus dem migrantisch bis postmigrantisch geprägten HipHop? Ist es Zufall, dass keine Haiyti, keine Christiane Rösinger auf der Liste steht, keine Tocotronic und keine Goldenen Zitronen, keine Acts, die sich zweifelnd mit nationaler Identität und deutscher Geschichte befassen?

Apropos Geschichte: Es war die angloamerikanische Popmusik, die maßgeblich zur Entnazifizierung der Deutschen beigetragen hat. Es war die sogenannte „N****musik“, also Jazz und Blues, die dem deutschen Soldatenkörper den Drill abtrainiert hat. Diese hoch ansteckende Musik wurde übertragen von British Forces Broadcasting Service und dem American Forces Network. Danke dafür, liebe Besatzerradios!

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die Band Beatsteaks die Quote unterstützen würde. Diese Information war der Pressemitteilung einer Agentur zur genannten Initative entnommen. Nachdem die Beatsteaks auf Facebook mitgeteilt haben, dass sie die Quote nicht unterstützen, haben wir das korrigiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Warum keine regional Quote ? Dann die Frauen Quote und dann alle Religionen. Und dann in der Reihenfolge der Länder die wir mögen.

    Dann werden wir von Musikverein die neuen Stars im Radio, brauchen nur zwei Frauen und zwei aus einer Kirche

  • Was bitte ist im Sinne dieser Initiative "Deutsche Musik"? Solche die von deutschen Staatsbürgern oder unter deren maßgeblicher Beteiligung produziert und aufgeführt wird, zählt da der Paß oder die Abstammung, die verwendete Sprache, der Rückgriff auf deutsche Musiktraditionen oder wie soll das gehandhabt werden?

    • @Wundersam:

      Na dann lese doch bitte den Aufruf mal unter dem Aspekt, dass kleine Lokale Künstler gleich welcher Nationalität derzeit null Einnahmen haben um Unterstützung flehen anstatt von pass gesteuertem nationalismuss zu schwafeln.



      Sorry aber diese Richtung ist nun mal überhaupt nicht in dem Papier.

  • 8G
    8786 (Profil gelöscht)

    Och, Leute, das kann doch nicht wahr sein, musikalischer Nationalismus, echt jetzt?



    Das ist so Trump.



    Wie wäre es denn statt dessen mit einer umfangreichen Reform der GEMA, zur Zeit bekommen fünf Prozent knapp 65 Prozent der Einnahmen...

  • Naja, den "Einheitsbrei" der Radiosender mal durch neue, eher unbekannte Künstler, die im Augenblick ohne irgendein Einkommen (da keine Live Auftritte = keine Einnahmen) dastehen, aufzufrischen finde ich an sich nicht schlecht.

    Und, falls es sich noch nicht rumgesprochen haben sollte: von spotify Tantiemen können kleine Künstler nicht mal das porto für den Abrechnungsbogen zahlen !!!

    @Christoph zwischen Unterstützung kleiner heimischer Künstler (auch der hier lebende türkische Jazzmusiker ist ein heimischer Künstler) und Nazipropaganda ist ein kleiner Unterschied !!! von Musiknationalissmuss steht da nix...



    aber da wollte wohl auch der taz autor was besser wissen..

  • Ganz ehrlich aus Deutschland kommt wenig gescheites!



    Wer tut sich das freiwillig an außer hardcore AFD Wähler?

    • @danny schneider:

      bitte keine beleidigungen..!....

  • Nur noch regionales Mundart Radio, wenn schon, denn schon! Die Liedtexte nur mit regionalem Bezug und entsprechende Begrenzung der Sendereichweite. Und vor allem, gespielt werden darf Musik nur vom Künstlern mit ordentlichen Frisuren und Unterstützern der "Deutschen Lied-, Leid- und Leitkultur".

    Ist hoffentlich nur ein 1. April Punk-Scherz.

  • Man Oh man, ist doch egal wo Musik herkommt, Hauptsache sie hat Seele.

    Sinniger wäre es, diesen gleichgeschalteten Mainstream ohne Seele abzuschalten. Der tut dem "Volk" ;-) ja mal garnicht gut.

  • Ich höre öfters Radio, und zwar das gute alte Analogradio. Als Musiklieber kriege ich aber jedesmal erneut einen Hals von hier bis nach New York, wenn ich höre, was uns da vorgesetzt wird. Mit Ausnahme von 1live und WDR4 (ich komme aus NRW) spielt JEDER Musikradiosender den gleichen Mist, egal ob WDR2 oder die Hunderte Lokalsender. Keinerlei Variation, NICHTS. Inzwischen höre ich mehr WDR5 und WDR3 als alles andere im Radio oder Tracks von meinem USB-Stick.



    WDR4 war mal ein super Sender, kurz nach seiner Schlagerzeit, als er nur Oldies gespielt hat von Cream, den Stones, Deep Purple und Co. Jetzt hört man da auch schon diesen schrecklichen Max Giesinger, es ist zum Haareraufen.

    Und dann bin im Urlaub in England und höre genrespezifische Radiosender. Sender, die sich nur um Alternative-Rock und sowas drehen. In Sachen Radio ist Deutschland eine absolute Servicewüste; und selbst nach 70 Jahren scheint gute Musik noch Neuland für die meisten Radiostationen zu sein.

    Gezeichnet, ein enttäuschter Boomer, der deutsche Musik wegen ihrer mangelnden Qualität abgrundtief hasst.

  • Ich bin schon etwas älter und kann mich zumindest noch an Radio und Fernsehen erinnern, wie auch an das gute, alte Wählscheibentelefon. Nun nutze ich arte.tv, youtube.com und VoIP. Die junge Generation kennt lineare Broadcast-Medien nicht mehr. Wen soll so eine Quote erreichen?

  • Radioquote? Macht ruhig. Interessiert im Zeitalter von Spotify & Co. halt nur keine Sau mehr...

  • 8G
    88059 (Profil gelöscht)

    Hatten wir das nicht alles schonmal? Kommt das jetzt jedes Jahrzehnt einmal? Und wielange macht Xavier Naidoo das eigtl noch mit? Fragen über Fragen.

  • Als es noch die DDR gab musste mindestens 30% DDR Musik gespielt werden. Darüber haben wir Wessis damals die Nase gerümpft. Und jetzt wollt ihr diesen Quatsch hier sogar mit 50% einführen? Seid ihr völlig meschugge oder ist das der neue EU Trend? Die AFD unterstützt euch bestimmt gern, ihr Musiknationalisten. Ich bin auch Musiker und schäme mich für euch!!!

    • @ Christoph:

      Sagen Sie das auch mal den Franzosen und Kandiern mit ihren Radioquoten. Das sind auch alle Nazis!

      • @Chutriella:

        nicht Nazis, wenn schon deine Logik dann Kommunisten...,