piwik no script img

Initiative #OutInChurchExtrem mutig

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Das Bekenntnis der 125 kirchlichen Mit­ar­bei­te­r*in­nen ist mehr als ein identitätspolitisches Schmusedeckchen. Es geht um Arbeitsrecht.

Der Vatikan denkt in Jahrhunderten, nicht in Tagesaktualitäten Foto: Stefan F. Sämmer/imago

D ie Aktion der 125 kirchlichen Mit­arbei­ter*innen, sich als „queer“ zu outen, also als schwul, lesbisch oder trans zu bekennen, ist vor allem dies: extrem mutig. Ein Bekenntnis ist es tatsächlich, denn wer sich verstecken muss, läuft Gefahr, an der homosexualitätsfeindlichen Atmosphäre in den katholischen Einrichtungen zu ersticken.

Ihre öffentliche Performance ist kein identitätspolitisches Schmusedeckchen, sondern ein nötiger Akt, um der eisigen Atmosphäre der Verfolgung queerer Lebensart zu entkommen. Was sie tun, sich nämlich mit ihren Gesichtern zu zeigen, kann im System der katholischen Kirche in Deutschland eigentlich nur schlimme Folgen haben. Im Zweifel verlieren sie ihre Arbeit und damit ihre Existenzgrundlage. Lesbisch, schwul oder trans zu sein wird arbeitsrechtlich sanktioniert und kann bis hin zur Entlassung führen. Dass es nun so viele sind, die sich outen, schützt sie nur begrenzt.

Die vatikanischen Vertreter – und hier verbietet sich die Setzung des Diversitätssternchens, es sind wirklich alles bekennend heterosexuelle Männer –, vom Bischof bis zum Personalreferenten in einer katholischen Sozialeinrichtung, haben freilich momentan keine gute Presse. Die Berichte zu den Vertuschungen des sexuellen Missbrauchs sind so bezeichnend, dass für die Führungsleute des Klerus in Deutschland nur dies zu bilanzieren ist: ein moralischer Bankrott.

Der Klerus war einst selbst in Deutschland, der säkularen Heimat des emeritierten Papstes Benedikt XVI., so mächtig, dass er kalt lächelnd und durchsetzungsbewusst bis in die letzte politische Verästelung agieren konnte, ohne sich je rechtfertigen zu müssen. Doch inzwischen ist er kaum mehr noch als ein sektoider Schreckschraubenhaufen, bar dessen, wofür sie sich zuständig fühlen: die Liebe Gottes.

Was geht, Ampel?

Gerade die katholische Kirche hat – auch hierzulande – dafür gesorgt, dass menschliche Leben schikaniert und entwürdigt wurden. Ihre Würdenträger waren oft kaum mehr als eine Horde enthemmter Heuchler. Das queere Selbstbewusstsein der 125 werden sie nicht mit einer Fülle von Kündigungen beantworten können. Wenn sich diese Couragierten nun wünschen, überhaupt müsse es ein Ende haben mit der exklusiven Wertschätzung des Sexuellen, das ausschließlich der Fortpflanzung dient, ist das berechtigt, schön und moralisch astrein. Aber dieser Weg wird lang und steinig sein, denn der Vatikan denkt ja gern in Jahrhunderten, nicht in Tagesaktualitäten.

Wichtiger wäre nun, eine Veränderung des Arbeitsrechts zu erreichen. Bislang fallen die Kirchen als Tendenzbetriebe nicht unter das Betriebsverfassungs- und Antidiskriminierungsgesetz. Sie konnten und können immer sagen, dass ein schwuler oder lesbischer Lebensentwurf nicht mit ihrem Glauben vereinbar sei. Damit muss es ein Ende haben, sei es in Konfessionsschulen, karitativen Einrichtungen oder kirchlichen Verwaltungen. Mit der CDU/CSU wäre dies nicht möglich, aber die Union ist nicht mehr Bundesregierung.

Also, Ampel, was geht?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Homosexualität ist keine Lebensart, sondern eine sexuelle Orientierung. Lebensart wählt man, sexuelle Orientierung nicht. Nur so als Randbemerkung.

    Ansonsten ist es ein Unding, dass heute immer noch sowas wie Kirchen"recht" zulässig ist, speziell wenn es um Dinge mit Verfassungsrang geht (Diskriminierung). Die Trennung von Kirche und Staat gehört endlich konsequent umgesetzt (auch finanziell, das Finanzamt ist nicht zuständig für selektive private Glaubensdinge, der Staat nicht für die Bezahlung von Pfarrern und Priestern).

  • Lieber Jan,



    dass die vatikanischen Vertreter alles bekennende heterosexuelle Männer seien, ist ein Trugschluss, auch wenn sich die Protagonisten in der Öffentlichkeit gern homophob äußern. Ich empfehle dir das Buch „Sodom“ von Frédéric Martel, der zahlreiche Amtsträger der katholischen Kirche interviewt hat. Je höher in der Hierarchie, um so mehr Homosexuelle, so das Resultat seiner Arbeit. Der Vatikan ist wahrscheinlich eine der größten Community von Homosexuellen weltweit, vor den Blicken der Öffentlichkeit geschützt durch Mauern und brüderliche Solidarität, von der wohl auch die Pedokrimminellen profitiert haben.

    Link: de.wikipedia.org/wiki/Sodom_(Buch)

  • Ich habe selbst beratend als bekennender Agnostiker in Zentren katholischer Macht in Deutschland gearbeitet. Wenn es um Experten geht, lässt die Kirche Fünfe gerade sein. Da sind sie extrem pragmatisch.



    Ganz anders ist es bei Angestellten im sogenannten Mittelbau. Sobald jemand von der Linie abweicht, herrscht Angst. Das ist eine permanente Rechtsunsicherheit, die immer vom jeweiligen Boss abhängig ist. Denn darum geht es letztlich: Macht.

    Wenn die Kirche nicht will, muss sie z ihrem Glück gezwungen werden.

    Leichter gesagt als getan. Leider kann auch der Staat rechnen. Und kirchliche Sozialarbeit ist nun einmal durch Selbstausbeutung und antikes Mitarbeiterrecht billiger. Da überlegen sich die Haushälter zweimal, ob sie die goldene Sau schlachten.



    Leider wird dieser Zusammenhang medial nicht ausgeleuchtet, handelt es sich doch um eine sehr verschwiegene Materie.

  • Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, daß eine Organisation, die z.B. Schwule in der Hölle schmoren sehen will, nicht offen schwul-lebende Priester haben will.

    Daß allerdings Menschen, die nicht im Bereich der "Verkündigung" (man kann manchmal auch von Hassrede sprechen) arbeiten, von der Ärztin bis zum Pförtner, den gleiche Regeln unterworfen werden dürfen, ist ein rechtlich unhaltbarer Zustand. Diese Gesetze müssen geändert werden!

    Das ist seit Jahren u.a. ein Thema von GerDiA: gerdia-projekt.de/

  • kleine Anmerkungen:

    “ Ein Tendenzbetrieb, auch Tendenzunternehmen, ist ein Rechtsbegriff aus dem deutschen Betriebsverfassungsrecht, dem Recht der grundlegenden Ordnung der Zusammenarbeit von Arbeitgebern und der von den Arbeitnehmern gewählten betrieblichen Interessenvertretung.

    Der Begriff des TendenzbetriebesBearbeiten

    Ein Tendenzbetrieb ist ein Betrieb, bei dem die ökonomische Orientierung (Gewinnerzielung) nicht im Vordergrund steht, sondern (wie im Gesetz genannt) politische, erzieherische, wissenschaftliche oder künstlerische Ziele (diese Aufzählung ist nicht vollständig, zu den Einzelheiten vgl. § 118 Abs. 1 BetrVG).

    Beispiele:



    Die Parteizentralen der im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin.…



    Auch die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände…



    Gemeinnützige Vereine



    &



    Nicht zuletzt ist auch der Produktionsbetrieb, in dem ein Presseunternehmen seine Zeitung druckt, ein Tendenzbetrieb.

    & Däh=>



    “ Die besonderen Privilegien der Religionsgemeinschaften (§ 118 Abs. 2 BetrVG)



    Nach § 118 Abs. 2 BetrVG ist die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes „auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform“ ausgeschlossen. Das ist ein Schutz dieser Arbeitgeber, der noch weit über den Tendenzschutz aus § 118 Abs. 1 BetrVG hinausgeht;

    insofern ist es zumindest ungenau, wenn man die Privilegien der Religionsgemeinschaften auch unter den Begriff des Tendenzschutzes fasst.

    Für diese Weltanschauungsgemeinschaften gilt selbst dann, wenn sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts eigener Art organisiert sind, das Personalvertretungsrecht nicht. Einzelne Religionsgemeinschaften, insbesondere die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland, haben als Ausgleich auf kirchengesetzlicher Basis Mitarbeitervertretungsrecht geschaffen. Die Mitarbeitervertretungen haben eine ähnliche Stellung wie Betriebsräte oder Personalräte (vgl. Arbeitsrecht der Kirchen).



    de.wikipedia.org/wiki/Tendenzbetrieb

  • Die katholische Sekte aka Kirche, eine jahrhundertelange Geschichte von Verblendung, Mord, Erpressung, Entwürdigung, Raub, Antifeminismus, Misshandlung von Schutzbefohlenen und Missbrauch von Minderjährigen etc. pp. ohne jede Moral, als queerfeindlich zu brandmarken um so das kirchliche Arbeitsrecht zu kritisieren - also als mutig würde ich das jetzt nicht bezeichnen, sondern bestenfalls als hanebüchen. Sorry für die klaren Worte...

  • Well, die Restriktionen des kirchlichen Arbeitsrechts gehen wesentlich weiter.



    Es ist schon lange Zeit, diese Restriktionen aufzuheben.

    Übrigens, genau das gleiche gilt für die unselige Konstruktion des "Tendenzbetriebs".



    Ein und dasselbe Arbeitsrecht für alle.