Inhaftierte westliche Staatsangehörige: Irans Geiseldiplomatie
Das Regime in Iran nimmt seit Jahrzehnten Unschuldige fest, um verurteilte Terroristen freizupressen. Darauf muss endlich eine starke Antwort folgen.
I hre Familien dürfen aufatmen. Fünf iranischstämmige US-Amerikaner, die aufgrund unbegründeter Vorwürfe seit Jahren in Iran festgehalten werden, könnten bald freigelassen werden. Wie die New York Times berichtete, erzielten die USA und Iran eine entsprechende Vereinbarung.
Doch was für die Geiseln und ihre Angehörigen eine gute Nachricht ist, ist in Wahrheit ein diplomatischer Triumph Teherans. Laut Medienberichten bekommt Iran im Gegenzug mehrere iranische Gefangene – und darüber hinaus die Freigabe eines iranischen Vermögens von 6 Milliarden Dollar, das im Zuge der US-Sanktionen eingefroren wurde.
Dieser Gefangenenaustausch mit den USA ist für die Mullahs nur das neueste Kapitel einer unfassbar erfolgreichen Geiseldiplomatie. Seit den 1980er Jahren lässt Iran regelmäßig unschuldige westliche Staatsangehörige festnehmen, um damit die Freilassung iranischer Terroristen und Agenten zu erpressen.
Erst Ende Mai kam Olivier Vandecasteele, ein belgischer humanitärer Helfer, frei, der zu 40 Jahren Haft und 74 Peitschenhieben verurteilt worden war. Im Gegenzug bekam Iran den verurteilten Terroristen Assadollah Assadi, der in Frankreich einen Anschlag auf iranische Oppositionelle geplant hatte.
Es ist verständlich, dass man kurzfristig auf die Erpressungen eingeht, um das Leben eigener Staatsbürger zu retten. Aber nach mehr als 30 Jahren ist es Zeit, dass der Westen eine klare Antwort auf Irans plumpe Geiseldiplomatie findet. Bisher folgten darauf weder Sanktionen noch sonstige Vergeltungsaktionen. Das ist ein verheerendes Signal der Schwäche, der Erpressbarkeit.
Mindestens genauso bedenklich: Geiseln mit europäischer Staatsbürgerschaft dürfen nicht auf denselben Einsatz hoffen, wenn sie iranischer Abstammung sind. Während Belgiens Premierminister sich persönlich für die Freilassung von Vandecasteele einsetzte, droht dem deutschen Staatsbürger Jamshid Sharmahd in Iran derzeit die Todesstrafe. Bislang kam aus dem Bundeskanzleramt kein einziger öffentlicher Versuch, seine Freilassung zu erwirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin