Inhaftierte Deutsche in der Türkei: Botschafter besucht Deniz Yücel
Am Dienstag erhält Yücel zum zweiten Mal Besuch vom deutschen Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann. Bei Mesale Tolu steht eine Haftprüfung an.
Erdmann hatte Yücel erstmals im Juni besucht. Am Mittwoch will der Botschafter dann nach AA-Angaben erstmals mit Steudtner sprechen. Yücel werden Terrorpropaganda und Volksverhetzung vorgeworfen, Steudtner Terrorunterstützung.
Die Termine standen fest, bevor die vorübergehende Festnahme des Kölner Schriftstellers Doğan Akhanlı in Spanien den Dauerstreit zwischen Ankara und Berlin erneut anheizte. Die Türkei fordert eine Auslieferung Akhanlis.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind ohnehin seit Monaten angespannt. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 nahmen türkische Behörden nach AA-Angaben 22 deutsche Staatsbürger fest. Neun von ihnen sitzen derzeit noch in Haft.
Routinemäßige Haftprüfung von Mesale Tolu
Darunter ist auch die deutsche Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu. Am Dienstag steht im Fall von Tolu eine routinemäßige Haftprüfung an. Ihre Familie hofft auf Entlassung bis zum Prozessauftakt am 11. Oktober.
Der Journalistin drohen wegen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation bis zu 15 Jahre Haft. Sie war am 30. April festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Wohnung stürmten. Anfang Mai wurde Haftbefehl erlassen. Zurzeit ist sie im Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy inhaftiert. Ihr zweieinhalbjähriger Sohn ist mit ihr im Gefängnis.
Tolu besitzt – anders als Yücel – nur die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie wurde in Ulm geboren und hat ihren Hauptwohnsitz in Neu-Ulm. Tolu arbeitete als Journalistin und Übersetzerin für die regierungskritische Nachrichtenagentur Etha in Istanbul. Die Etha-Internetseite ist in der Türkei seit 2015 per Gerichtsbeschluss gesperrt, die Agentur arbeitet aber weiter.
„Haftbesuche allein lösen noch nichts“
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erneuerte seine Kritik am Vorgehen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen deutsche Staatsbürger. Kurz vor dem Haftbesuch forderte Gabriel deren Freilassung. „Es ist gut, dass unser Botschafter die Drei im Gefängnis besuchen und persönlich mit ihnen sprechen kann, aber Haftbesuche allein lösen noch nichts“, sagte Gabriel der Rheinischen Post (Dienstag).
Menschenrechtler Steudtner, sein schwedischer Kollege Ali Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Seminar in Istanbul festgenommen worden. Gegen acht der insgesamt zehn Beschuldigten wurde danach Untersuchungshaft verhängt.
Steudtner und Gharavi müssen vorerst in Untersuchungshaft bleiben, wie ein Gericht nach Angaben eines Anwalts vom Montag schon am Freitag bei einer Haftprüfung entschied. Obwohl die beiden nicht mehr in Einzelhaft sitzen, beschreiben die Anwälte die Situation als schwierig und „gesetzeswidrig“. Gharavi würden etwa wichtige homöopathische Medikamente verweigert.
Das Verhalten der Türkei zwingt die EU nach Ansicht von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn zu einem Kurswechsel gegenüber ihrem Beitrittskandidaten. „Achselzucken alleine ist auf Dauer keine politische Strategie“, sagte Hahn der Süddeutschen Zeitung (Dienstag). „Die Einmischung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan in einen nationalen Wahlkampf sowie Auslieferungsansuchen hinsichtlich vermeintlicher politischer Gegner sind inakzeptabel“, kritisierte der aus Österreich stammende EU-Kommissar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione