Nach der Freilassung von Doğan Akhanlı: „Ich will nicht mehr schweigen“
Der Schriftsteller sieht seine Kritik an der Türkei als Ursache für seine zeitweilige Festnahme. Merkel schließt eine Verschärfung der deutschen Linie nicht aus.
Akhanli, der ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat, war am Samstag im Spanien-Urlaub festgenommen, nach einem Tag aber wieder freigelassen worden. Er darf das Land für die Dauer des Auslieferungsverfahrens nicht verlassen. Der Fall hat den ohnehin zugespitzten Konflikt zwischen der Bundesregierung und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan noch einmal angeheizt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt eine nochmalige Verschärfung der deutschen Linie nicht aus. „Wir müssen uns immer wieder die Schritte vorbehalten“, sagte sie am Sonntagabend in Sender RTL auf eine Frage nach härteren Sanktionen. Zugleich sagte sie: „Wir haben jetzt schon sehr hart reagiert.“
Vor einem Monat hatte die Bundesregierung ihren moderaten Kurs gegenüber Erdogan aufgegeben. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ließ die Reisehinweise verschärfen und warnte deutsche Unternehmen vor Investitionen. „Ich glaube, dass wir auf eine längere Strecke diese neue Politik fortführen müssen und nicht glauben dürfen, in ein paar Wochen ist das erledigt“, sagte Gabriel in einem am Wochenende veröffentlichten Interview der Deutschen Presse-Agentur, das noch vor der erneuten Eskalation geführt wurde.
Kritik am Missbrauch von Interpol
Merkel sagte mit Blick auf Akhanlı, der wegen eines von Ankara durchgesetzten Festnahmegesuchs der internationalen Polizeibehörde Interpol festgehalten wurde: „Ich bin sehr froh, dass Spanien ihn jetzt erstmal wieder freigelassen hat. Das geht nicht, wir dürfen auch die internationalen Organisationen wie Interpol nicht für so etwas missbrauchen.“ Und mit Blick auf Erdogan: „Es ist leider einer von vielen Fälle, deshalb haben wir auch unsere Türkeipolitik massiv verändert und müssen diesen Konflikt auch austragen. Genauso, wie es völlig unmöglich ist, dass der türkische Staatspräsident deutsche Staatsbürger, und seien sie auch türkischer Abstammung, auffordert, nicht zur Wahl zu gehen.“
Erdogans Wahleinmischung hatte Gabriel als „einmaligen Eingriff in die Souveränität unseres Landes“ kritisiert. Daraufhin schimpfte Erdogan am Wochenende vor Anhängern in Istanbul: „Wer bist du denn, um den türkischen Präsidenten anzusprechen? Erkenne deine Grenzen!“
Grünen-Chef Cem Özdemir empfahl, solche persönlichen Attacken zu ignorieren. „Sich mit Erdogan auf seinem Niveau anzulegen, hat keinen Sinn, da bräuchte es einen Psychologen“, sagte er der Saarbrücker Zeitung. „Wir müssen stärker die Sprache der Wirtschaft und des Geldes sprechen.“ Daher sollten vorerst für Investitionen in der Türkei staatliche Hermes-Bürgschaften verweigert werden.
Seien Parteikollegin Katrin Göring-Eckardt forderte die EU-Länder auf zusammenzuhalten. „Die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Türkei gehört auf den Prüfstand“, sagte die Bundestagsfraktionschefin der Passauer Neuen Presse weiter. „Es kann nicht sein, dass Gegner des türkischen Regimes in Europa ungeprüft als Kriminelle verhaftet werden.“
Politisch motiviertes Verfahren
Hintergrund des türkischen Festnahmegesuchs gegen den Kölner Autor ist nach Angaben seines Anwalts der Vorwurf, Akhanlı sei 1989 an einem Raubmord in Istanbul beteiligt gewesen – ein Vorwurf, von dem er vor einem türkischen Gericht zunächst freigesprochen wurde. Uyar zeigte sich überzeugt, dass das Verfahren politisch motiviert ist. Der Schriftsteller lebt seit 1991 in Deutschland. In seinen Werken befasst er sich auch mit der Verfolgung der Armenier in der Türkei.
Ankara hat 40 Tage Zeit, in Spanien Akhanlıs Auslieferung zu beantragen. Dessen Anwalt rechnet aber nicht mit der Auslieferung, wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, forderte Erdogan auf, die EU-Beitrittsverhandlungen zu beenden. „Der Verantwortliche für die Entfremdung der Türkei von Europa sitzt in Ankara, nicht in Brüssel. Erdogan sollte derjenige sein, der das Kapitel EU beendet“, sagte er der Frankfurter Rundschau.
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