Indiens Polizei beruft sich auf Notwehr: Frauenmörder erschossen
In Hyderabad erschießt die Polizei vier mutmaßliche Vergewaltiger und Mörder bei der Nachstellung der Tat. Dafür wird sie gefeiert.
Dutzende Menschen versammelten sich hier, um den Tod der mutmaßlichen Täter zu feiern. Die Polizei erklärte, hier mit den Verdächtigen am frühen Morgen die Tat nachgestellt zu haben. Dabei hätten die vier Männer im Alter von 20 bis 26 Jahren plötzlich versucht, den Polizisten die Waffen zu entreißen und zu fliehen. Sie seien dann in Notwehr erschossen worden.
In den Tagen zuvor war in den sozialen Netzen die Todesstrafe für die Verdächtigen gefordert worden. Landesweit folgten mehr Proteste als in anderen Missbrauchsfällen, wo die Opfer sozial niedriger gestellt sind. Und jetzt gab es in den sozialen Netzwerken entsprechend viel Zustimmung für die Polizeiaktion.
Auch der Vater des Opfers bedankte sich laut der Nachrichtenagentur ANI mit den Worten „Die Seele meiner Tochter wird jetzt in Frieden ruhen“.
Indiens Polizei ist berüchtigt für ihre „Encounter“
Doch gab es auch warnende Stimmen. Die Polizisten hätten die Verdächtiger entweder hingerichtet oder seien schlichtweg inkompetent gewesen, twitterte Meenakshi Ganguly von Human Rights Watch. „Um der Wut der Öffentlichkeit über das Versagen des Staates bei sexuellen Übergriffen entgegenzuwirken, machen sich indische Behörden einer erneuten Zuwiderhandlung schuldig.“
Medienberichten zufolge gibt es Widersprüche in der Polizeiversion um mehrere Stunden, was den Zeitpunkt der Tatnachstellung betrifft.
Indiens Polizei ist berüchtigt für Tötungen bei solchen sogenannten „Encountern“. Dabei sterben Verdächtige stets auf der Flucht. Solche „Entcounter können nicht (durch die Zustimmung im Netz) normalisiert werden. Wir haben aus gutem Grund Gerichte und ein Rechtssystem“, schrieb die Journalistin Nidhi Razdan auf Twitter.
Die Polizei kann mit diesen „Encountern“ vom eigenen Versagen ablenken. Und viele empfinden diese Art der schnellen Justiz als eine gerechte und wirksame Strafe, die meist extrem langjährige Justizverfahren umgeht
Wie problematisch Letzteres ist, zeigte sich am Vortag. Da wurde eine 23-jährige Frau im nordindischen Uttar Pradesh auf dem Weg zum Gericht von ihren mutmaßlichen Vergewaltigern und ihren Helfern angezündet. Sie hatte im Prozess gegen vier Männer aussagen wollen, die sie vergewaltigt hatten.
Die Behörden hatten den Fall zuvor verschleppt und einen Angeklagten gerade erst gegen Kaution freigelassen. Die Polizei nahm jetzt fünf Männer fest, darunter zwei der mutmaßlichen Vergewaltiger. Die Frau überlebte schwerverletzt und wurde zur besseren medizinischen Behandlung in eine Klinik nach Neu-Delhi geflogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Miese Arbeitsbedingungen bei Lieferando
Darf's noch etwas mehr Ausbeutung sein?
Wirbel um Schwangerschaftsabbruch
Abtreiben ist Menschenrecht
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Hilfslieferungen für den Gazastreifen
Kriminelle Geschäfte mit dem Hunger
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Batteriefabrik in Schleswig-Holstein
„Der Standort ist und bleibt gut“