Impfstoff gegen Covid-19: Die Welt hofft auf BNT162
Mit dem Projekt „Lichtgeschwindigkeit“ arbeitet das Mainzer Unternehmens Biontech an einem Impfstoff. Wird es seinem Namen gerecht?
Bei der Vorstellung der Quartalszahlen am Dienstag waren die möglichen Impfstoffe das große Thema. „Das Ziel ist es, möglichst schnell einen sicheren Wirkstoff zu finden, der Schutz vor Covid-19 bietet“, sagte Şahin bei der Vorstellung des weiteren Zeitplans. Er will im Juni oder Juli 2020 erste Daten dazu veröffentlichen, ob der Impfstoff eine Immunantwort auslöst.
„Seit Beginn des Projekts haben wir mit dem Test von vier Wirkstoffkandidaten begonnen“, sagt Şahin. Im kommenden Jahr will sein Unternehmen zusammen mit dem US-Pharmariesen Pfizer „Hunderte von Millionen von Impfdosen“ bereitstellen, wenn alles gut geht.
Der Firmengründer ist in İskenderun im Süden der Türkei geboren, hat in Köln Medizin studiert und ist nun Professor für Krebsforschung in Mainz. Hier gründete er 2008 Biontech. Mit dabei: die Ärztin Özlem Türeci, mit der Şahin verheiratet ist, und sein Senior-Kollege Christoph Huber.
Gezielter Angriff auf kranke Zellen
Biontech ist auf die Anwendung von Boten-Ribonukleinsäure, kurz mRNA, spezialisiert. Diese Substanz dient dazu, Baupläne für Moleküle zu speichern. Diese Baupläne können von der chemischen Fabrik in lebenden Zellen ausgelesen werden. Die mRNA wirkt damit wie ein Lochstreifen mit einem Computerprogramm für die Zellmaschine.
Ursprünglich hat Şahin die Hauptanwendung seines Verfahrens im Kampf gegen Krebs gesehen. Die mRNA beschreibt der Zelle dafür Stoffe, die ganz gezielt die Tumorzellen angreifen. Konkret sollen sie das Immunsystem dazu bringen, die kranken Zellen als Problem zu erkennen und zu beseitigen. Die Therapie ist jeweils maßgeschneidert – die enthaltene mRNA beruht auf Proben der Krebszellen des Patienten. Letztlich handelt es sich dabei um so etwas wie eine flexible Impfung gegen Krebs.
Biontech sieht sich daher als Impfstoffspezialisten. Şahin horchte Anfang des Jahres auf, als er von der epidemischen Verbreitung eines neues Coronavirus in China hörte. Bald ließ er die Arbeit an einem passenden Impfstoff auf Basis von mRNA beginnen. Codename: BNT162. Name des Projekts: „Lichtgeschwindigkeit“. Tatsächlich konnten die ersten Tests so zeitig beginnen, weil die Vorbereitungen dafür schon seit Wochen laufen. Neben Pfizer kooperieren die Mainzer auch mit der chinesischen Fosun-Firmengruppe.
Ungefährliches Abbild des Feindes
Für den Corona-Impfstoff beschreibt die mRNA einen Teil des Virus. Einer der vier Wirkstoffkandidaten enthält den Bauplan der auffälligen Stacheln auf dessen Oberfläche. Eine andere Variante beschreibt nur deren Spitze. Schon eine kleine Menge des Wirkstoffs soll die eigenen Körperzellen dazu bringen, dieses Gebilde herzustellen. Sie produzieren also ein ungefährliches Abbild eines Teils des künftigen Feindes. An diesen Bruchstücken soll das eigene Immunsystem sich abarbeiten und dabei lernen, ihn zu besiegen.
Die Beispiele Corona und Krebs zeigen, wie viele Anwendungen diese neue Form der Medizin haben kann. „Biontech könnte zum Amazon der Biotech-Branche werden“, sagte Anfang vergangenen Jahres Thomas Strüngmann, Gründer der Pharmafirma Hexal und ein wichtiger Geldgeber von Biontech. Die Adresse des Unternehmens, „An der Goldgrube“ in Mainz, könnte sich für die Investoren als prophetisch erweisen.
Wie immer in der Biotechnik kann es jedoch auch sein, dass der Ansatz nicht funktioniert. Şahin selbst immerhin glaubt daran, dass die Covid-19-Impfung „hochgradig immunwirksam“ sein wird.
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