Impfstoff-Allianz von Bayer und Curevac: Ganz schön spät
Der Chemiekonzern Bayer ist später als Konkurrenten ins Geschäft mit Corona-Impfstoffen eingestiegen – weil er zu sehr auf Pestizide gesetzt hat.
D er Einstieg von Deutschlands größtem Pharmakonzern Bayer in das Geschäft mit Corona-Impfstoffen ist überfällig. Dass er erst jetzt einen Kooperationsvertrag mit dem Unternehmen Curevac, dem Tübinger Entwickler eines Vakzins, schließt, hat vor allem eine Ursache: Bayer hat Infektionskrankheiten vernachlässigt und zu sehr auf Pestizide und gentechnisch veränderte Pflanzen gesetzt.
US-Konkurrent Pfizer entwickelte bereits seit März 2020 gemeinsam mit der Mainzer Firma Biontech einen Impfstoff, den die EU inzwischen zugelassen hat. Der britisch-schwedische Hersteller AstraZeneca vereinbarte im April eine Kooperation mit der Universität Oxford zur Entwicklung eines Mittels. Das US-Unternehmen Johnson & Johnson begann schon im Januar an einem Impfstoff zu arbeiten.
Der deutsche Branchenprimus aber blieb lange untätig und verschwendete wertvolle Zeit. Dabei kostet jeder Tag ohne ausreichenden Impfstoff Covid-19-Patienten das Leben. Das zeigt, wie hohl Bayers Marketingphrasen sind, wonach das Unternehmen „den Menschen nützen“ will, „indem es zur Lösung grundlegender Herausforderungen einer stetig wachsenden und alternden Weltbevölkerung beiträgt“.
Dieses Versäumnis liegt einerseits daran, dass Bayer vor Jahrzehnten Gebiete wie Atemwegserkrankungen, Infektionskrankheiten oder Tropenmedizin aufgegeben hat. Derzeit produziert der größte deutsche Pharmakonzern nach eigenen Angaben keinen einzigen Impfstoff.
Monsantos Erbe bindet Ressourcen
Aber die Fehler liegen auch beim aktuellen Management: Vorstandschef Werner Baumann ließ 2018 für einen zu hohen Preis den US-Saatgut- und Pestizidhersteller Monsanto kaufen. Seitdem ist Bayer zu gigantischem Schadensersatz an Krebspatienten verurteilt worden, die ihre Erkrankung auf Monsanto-Pestizide mit dem Wirkstoff Glyphosat zurückführen. Der Börsenkurs brach zusammen. Der Konzern arbeitet immer noch an einem Vergleich mit 125.000 Klägern, denen er rund 10 Milliarden Euro zahlen muss. Das hielt die Bayer-Chefs davon ab, sich stärker und früher um einen Corona-Impfstoff zu kümmern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste