Impfneid, Klimaschutzgesetz, #SofaGate: Jung gewinnt
Eine weitere Woche voller Satire liegt hinter und auch vor uns. Aber wenigstens hat das Klima diesmal gewonnen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Satiredebatte.
Und was wird besser in dieser?
Satire über Satiredebatten.
Die Covid-Infektionszahlen in Deutschland sinken langsam, am Dienstag wurden erstmalig über eine Million Menschen an einem Tag geimpft. Dürfen wir jetzt mal ein wenig hoffnungsvoll sein?
Ja, aber nur heimlich! Schon will Sachsen seinen Tourismus loslassen, Unternehmer die Belegschaft fit spritzen, Olaf Scholz einen Öffnungsplan basteln. Und eine dröhnende Kakophonie von tollen Ideen für den übernächsten Schritt ruiniert den nächsten. Das haben wir jetzt circa dreimal durch.
Im Juni soll die Priorisierung bei den Corona-Impfungen aufgehoben werden. Geht dann das Hauen und Stechen los? Und sollte man seiner Hausärztin lieber jetzt schon mal einen Strauß Blumen schicken?
Stechen ja, hauen nein. Die traditionelle Priorisierung bei HausärztInnen heißt „Der Nächste, bitte“, und so werden oft bereits Angehörige, Beifang und wer gerade einspringen kann, mitgeimpft. Wenn Impfstoff da ist. Gesetzt, alle besonders Gefährdeten sind versorgt, geht es nun um den Bonusbereich. Da rangelt Verwaltungsaufwand gegen Tempo: Will man die Richtigen impfen – oder mal so richtig impfen? Wenn die HausärztInnen nun auch noch die Frage klären sollen, ob diese Gesellschaft solidarisch oder egoistisch tickt, dauert ihr Studium 40 Jahre. Von Impfpriorisieren zu Improvisieren. Drei Buchstaben, schaffen wir.
Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 greift zu kurz. Der Jubel über das Urteil ist groß – auch bei den Regierungsparteien, die ebenjenes Gesetz zu verantworten haben. Wie geht das zusammen?
Habe ich richtig verstanden, dass eine jüngere Generation das Recht hat, einer älteren ihren Egoismus wegzuklagen? Wie doof war ich dann eigentlich, nicht schon seit Jahrzehnten gegen die Rentenpolitik zu klagen? Zu spät. Die Minister Altmaier, Scholz und Heil battelten sich stracks nach dem Urteil bei Twitter, wer es schon-am-immersten gesagt habe. Nun wollen sie es gern noch schnell regeln, um den Grünen ein Wahlkampfthema wegzunehmen. Klingt nach funktionierender Demokratie.
Zwei Wochen nach dem #SofaGate beim EU-Türkei-Treffen sagt Ursula von der Leyen nun, dass sie sich als Frau schlecht behandelt gefühlt habe. Doch warum äußert sie sich gerade jetzt?
Große bunte Auswahl! Die EU sündenbockt durchs Impfgeschehen, bricht hier mal den Nordirland–Deal und demütigt dort beiläufig den ukrainischen Präsidenten. Dahinter Eifersüchteleien zwischen Rats- und KommissionspräsidentIn und ein feixender Frauenförderer Erdoğan. Statt der maskulinen „Krawattenordnung“ geht es künftig um genderkorrekte Sitzgerechtigkeit.
Kardinal Marx sollte für seinen Einsatz für Geflüchtete mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet werden. Nach viel Kritik lehnte er die Ehrung ab. Guter Mann?
Pragmatisch. Kirchenkritiker hatten in Aussicht gestellt, andernfalls ihre Ehrungen zurückzugeben. Klang nach Tauschbörse am Bellevue oder einer Sonderfolge von „Bares für Rares“.
US-Präsident Joe Biden sprach erstmals vor beiden Kammern des Kongresses. Es ging dabei um seine bisherigen Erfolge und seine großen Pläne. Wie blicken Sie auf die ersten 100 Tage seiner Präsidentschaft?
So ähnlich muss es sein, wenn der Tinnitus nachlässt.
Angriffe auf JournalistInnen, Lokal- und BundespolitikerInnen haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Die Bedrohungen und Übergriffe kommen immer häufiger aus der Ecke der sogenannten „Querdenker“, die nun vom Verfassungsschutz bundesweit unter Beobachtung gestellt werden. Doch warum erst jetzt? Und reicht das aus?
Vielleicht war’s fromm, „verfassungsschutzrelevante Deligitimierung des Staates“ nur dort zu sehen, wo Rechtsextreme, Reichsbürger, AfD und allerhand andere Nattern die Kritik an der Coronapolitik gekapert haben. Tatsächlich sehen sich manche von ihnen in einer linken, antiautoritären Logik. Andere wollen in einer rechts-autoritären Perspektive härtere Coronamaßnahmen. Der neue Sammelbegriff mag das meinen; wäre hübsch, er könnte irgendwo nach Corona wieder weg.
Und was machen die Borussen?
„Berlin, Berlin, wir fahren nicht nach Berlin, obwohl wir so gerne würden aber wegen Corona und so!“. Kennt jemand eine Melodie, auf die man das singen kann?
Fragen: Carolina Schwarz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles